Der "Sputnik-Schock" und seine Folgen

Sputnik sorgte für Revolution im westlichen Bildungssystem.
Der Beginn der Raumfahrtgeschichte vor 50 Jahren war ein politischer Schock: Mit dem Start des Satelliten Sputnik am 4. Oktober 1957 überraschte die als technisch rückständig geltende Sowjetunion. Sein ununterbrochen gefunktes "Bip-Bip-Bip" aus dem Orbit löste im Westen und allen voran den USA bisher nie gekannte Ängste aus.

Denn Mitten im Kalten Krieg stieg nicht nur die Furcht vor einem Angriff: Auf schmerzhafte Weise wurde der Westen auf die Schwächen seines Bildungssystems aufmerksam gemacht. Eine beispiellose Reform war die Folge.

Russen hatten Nase vorn
In der zweiten Hälfte der 50er Jahre zeichnete sich die Eroberung des Weltraums bereits ab. Erwartet wurde, dass die USA diesen ersten Schritt schaffen würden, doch die UdSSR entschied das Rennen ins All plötzlich und unerwartet für sich.

Sputnik, was wörtlich übersetzt "Weggefährte" heißt, war eine 83,6 Kilo schwere Metallkugel mit einem Durchmesser von 58 Zentimetern und vier Stabantennen.

Enthalten war nur ein Funksender, der ein Kurzwellensignal (20 MHz und 40 MHz) ausstrahlte. Auf einer stark elliptischen Umlaufbahn zwischen rund 200 und 900 Kilometer Flughöhe umrundete Sputnik drei Monate lang die Erde, ehe er in der Erdatmosphäre verglühte.

Demütigung für USA
Sputnik war nur der Anfang einer ganzen Reihe von raumfahrerischen Leistungen, mit denen die sowjetischen Wissenschaftler und Ingenieure ihre US-amerikanischen Konkurrenten vor sich hertrieben. Nur einen Monat später schossen die Sowjets die Hündin Laika als erstes Lebewesen ins All, die tierische Heldin kehrte allerdings planmäßig nicht zur Erde zurück.

Wohlbehalten landete dagegen Juri Gagarin nach seinem Start am 12. April 1961 als erster Mensch im Weltraum und fügte dem amerikanischen Selbstbewusstsein den nächsten Schlag zu.

Spektakuläres Scheitern
Die USA wollten auf Sputnik schnell reagieren - und wurden zur Lachnummer: Vor den Augen der Weltpresse ging am 6. Dezember 1957 eine Rakete der US-Navy einige Meter über dem Boden in Flammen auf und stürzte auf die Erde zurück.

US-Zeitungen machten sich mit Schlagzeilen wie "Flopnik" und "Kaputnik" über das Fiasko lustig. Erst im Jänner schafften es die US-Wissenschaftler mit Hilfe des Deutschen Wernher von Braun, der schon die NS-Kriegsrakete V2 mitkonstruiert hatte, den Satelliten Explorer ins All zu befördern.

Bildungsrevolution in den USA
Im Juli 1958 verabschiedete der Kongress das Weltraumgesetz, auf das Präsident Dwight D. Eisenhower mit Warnungen vor der "sehr mächtigen Bedrohung" durch die russische Raketentechnik gedrängt hatte. Nur wenig später, am 1. Oktober, nahm die NASA ihre Arbeit auf.

Gleichzeitig erhöhte Eisenhower nicht nur das Militärbudget, sondern revolutionierte das US-Bildungssystem. Mit einer dramatischen Aufstockung der Mittel für Bildung wurde nicht nur in Forschung und Wissenschaft investiert, sondern auch das Schulwesen umgekrempelt - Naturwissenschaft wurde stärker in die Lehrpläne integriert.

Auch Europa reagiert
Der "Sputnik-Schock" erreichte auch Europa. Auch hier fielen die Bestandsaufnahmen - wenn auch mit einiger Verspätung - zum Bildungswesen katastrophal aus. So skizzierte der deutsche Pädagoge Georg Picht 1964 eine "Bildungskatastrophe" und zündete damit eine Debatte, die in Deutschland zu einer grundlegenden Reform des Bildungswesens führen sollte.

Ab Mitte der 60er kam es zu großangelegten Kampagnen für Bildung und zu zahlreichen Universitätsgründen. Gleichzeitig wurden Bildungsbarrieren abgebaut. Österreich folgte dieser Politik Anfang der 70er Jahre.

"Gesellschaft für immer verändert"
"Sputnik hat für immer die Gesellschaft verändert", schreibt etwa der renommierte Wissenschaftsjournalist Victor McElheny in der "Süddeutschen Zeitung":

"Die drastischen Maßnahmen in Ausbildung und Wissenschaft beschleunigten sowohl die Mikroelektronik als auch die Biotechnologie; das Internet und die Revolution in der Gentechnik sind nur zwei ihrer Resultate, die wir heute erleben. Sputnik hat Revolutionen für Milliarden Menschen gebracht, die die Erde nie verlassen haben."

"Kulturhistorische Zäsur"
Auf der internationalen Konferenz "Im Zeichen des Sputnik" am Wochenende in Berlin ging man noch einen Schritt weiter: Neben den militärtechnischen und wissenschaftspolitischen machte man dort sogar eine "kulturhistorische Zäsur" aus.

Von einem wissenschafts- und kulturgeschichtlichen Paradigmenwechsel ist die Rede - und das alles ausgelöst von einer knapp 84 Kilogramm schweren Metallkugel, die heute, 50 Jahre und technischen Revolutionen am laufenden Band später, nur noch als ein Haufen Schrott gelten würde.

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