Das Quandt-Imperium in neuem Licht

Dynastievater Günther Quandt soll seine Erben zu konsequenter Verschwiegenheit erzogen haben.
Die Quandts gehören zu den reichsten und einflussreichsten Familien in Deutschland. Im Nachkriegsdeutschland entstand um den Namen Quandt ein regelrechter Mythos - vor allem weil Herbert Quandt, der gemeinsam mit seinem Bruder Harald von Vater Günther umfangreiche Industriebeteiligungen erbte, den vor der Pleite stehenden Autohersteller BMW übernahm und zu neuer Blüte führte.

Uniformen für den Ersten Weltkrieg
Die ersten Quandts siedelten sich um 1700 im brandenburgischen Pritzwalk an. Emil Quandt war Tuchfabrikant und baute mehrere große Textilfabriken auf. Der 1881 geborene Günther Quandt war aber der erste Großunternehmer des Clans.

Er machte zunächst Geschäfte mit der kaiserlichen Regierung und verdiente viel Geld mit dem Verkauf von Uniformen für die Soldaten des Ersten Weltkriegs.

Batteriengeschäft nach 1918
Nach der Niederlage Deutschlands 1918 stieg er in die Kali-Industrie ein und kaufte die Accumulatorenfabrik Berlin (AFA), die später in Varta umbenannt wurde.

Die AFA stellte während der NS-Zeit kriegswichtige Batterien her, die als unabdingbar für die deutsche U-Boot-Flotte galten und auch in der Fernlenkwaffe V2 steckten. Neue Enthüllungen zeigen, wie sehr die Dynastie während des "Dritten Reiches" von Zwangsarbeitern profitierte.

BMW vor Pleite gerettet
Der Aufstieg der Familie Quandt in der Automobilbranche begann, als es mit dem Autobauer BMW in den 50er Jahren steil bergab ging. Kurz vor der Übernahme durch den Konkurrenten Daimler-Benz sprang Herbert Quandt für BMW in die Bresche. Er baute seinen Aktienanteil auf knapp 50 Prozent aus und sanierte den Konzern rigoros.

Einziger BMW-Großaktionär ist bis heute die Familie Quandt, die zusammen 46,6 Prozent der Anteile hält und mit Stefan Quandt auch den stellvertretenden Aufsichtsratschef stellt. Die restlichen BMW-Aktien sind in Streubesitz.

Vermögen wurde aufgeteilt
Herbert Quandt versuchte bis zu seinem Tod 1982, sein Firmenreich so zu ordnen, dass es nicht durch Erbstreitigkeiten zerstört werden könnte. Er übertrug seinen Kindern aus zweiter Ehe - Sonja, Sabina und Sven - die Varta-Anteile.

Silvia, Tochter aus erster Ehe, wurde mit nichtunternehmerischem Vermögen abgefunden. Die BMW-Anteile und alle restlichen Beteiligungen bekamen seine dritte Frau Johanna und die Kinder aus dieser Ehe: Stefan Quandt und Susanne Klatten. Letztere bekam die Mehrheit am Chemie- und Pharmakonzern Altana.

Pharmakonzern abgestoßen
Von Altana ist seit 2006 nur noch die Chemiesparte übrig. Die Pharmaabteilung hatte keine erfolgversprechenden Medikamente mehr hervorgebracht. Susanne Klatten verkaufte an eine dänische Firma - und strich über zwei Milliarden Euro Erlösanteil ein.

Gigantisches Vermögen
Die heutigen Vertreter der Familie Quandt werden gemeinsam auf ein Vermögen von etwa 24 Milliarden Euro geschätzt. Sie stehen mit ihren Milliardenbeteiligungen weit oben in der "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt.

Gerüchte, sie wollten mit drei Prozent beim Erzrivalen Daimler einsteigen, dementierten sie zuletzt.

"Ihr dürft nie etwas sagen"
Der Einfluss der Quandts ist groß. Die Familie überwies politischen Parteien in Deutschland seit 2002 über drei Millionen Euro und ist damit einer ihrer größten Financiers, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ") in ihrer Dienstag-Ausgabe.

Dennoch scheut die Familie das Rampenlicht. Schon Günther Quandt soll seinen beiden Söhnen Herbert und Harald eingetrichtert haben, was für die Quandts noch heute charakteristisch ist: Verschwiegenheit.

"Ihr dürft nie etwas sagen", schärfte er seinen Söhnen laut "SZ" schon im Kindesalter ein. "Ihr müsst Aufsehen vermeiden und nie jemanden in die Karten schauen lassen."

Firmen arbeiten Nazi-Vergangenheit auf
Die Historikerin Constanze Werner beschrieb in vierjähriger Arbeit die dunkle Vergangenheit des BMW-Unternehmens. Dabei blieb die Vergangenheit der Familie Quandt vor ihrem Einstieg bei BMW aber unberücksichtigt.

Auch andere große Konzerne wie Volkswagen, Allianz, Daimler und Continental ließen zuletzt ihre wenig ruhmreiche Nazi-Vergangenheit von Historikern aufschreiben.

Furcht um Absatz in USA
Vor allem die Sorge vor aufgeregten Reaktionen in den USA dürfte Triebmotor für die historische Aufarbeitung sein. "Viele Firmen fürchteten um den Absatz auf dem amerikanischen Markt", sagt Werner gegenüber der "SZ".

Dass die Familie Quandt über die eigene NS-Vergangenheit schweigt, hält die Historikerin für einen Fehler. "Es ist klüger, die Dinge auf den Tisch zu legen und die Inhalte mitzubestimmen", sagt Werner. "Dann gibt es nachher keine Angriffsflächen."

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