Rumis bildkräftige Sprache

"Und soll sich Lust und Freude dir verbinden, so halte dich an Küsse und an Wein."
Madonna vertont seine Texte, Demi Moore und Martin Sheen rezitieren seine Gedichte begeistert: Dschalaluddin Rumi ist nicht nur einer der wichtigsten Mystiker des islamischen Kulturkreises, dank eines Revivals seiner Werke in den letzten Jahren ist er weltweit einer der am weitesten verbreiteten Dichter.

Der vor 800 Jahren geborene Gelehrte war zweifelsohne ein "poetisch-mystischer Gigant", wie die "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") jüngst feststellte: Sein von Liebe und Toleranz bestimmtes Gedankengut ist im ganzen islamischen Raum bekannt.

Er bzw. seine Anhänger gründeten den Mevlevi-Derwischorden, der bis heute durch die tanzenden oder drehenden Derwische weltbekannt ist, für die der Tanz eine Form des Gebets ist.

Auf Reisen
Rumi wurde im Jahr 1207 in Balch im heutigen Afghanistan geboren. Als die Mongolen im zentralasiatischen Raum einfielen, begab sich seine Familie auf Wanderschaft - nach Bagdad, Mekka, Damaskus und schließlich nach Anatolien.

In Karaman und später in Konya - beide Städte liegen in der heutigen Türkei - wurde Rumi sesshaft. Er heiratete und bekam einen Lehrstuhl an der Universität von Konya.

Folgenreiche Begegnung
Mit 37 Jahren veränderte sich sein Leben komplett: Er begegnete dem Wanderderwisch Schams-e Tabrisi, mit dem er mehrere Jahre zusammenlebte und dessen unkonventionelles Religionsverständnis ihn zum Dichter und Sucher nach Gott machte.

Die "spirituelle Bindung" zwischen den beiden sei so stark gewesen, dass Rumi "zeitweilig die Welt Welt sein ließ, um sich ganz den Geheimnissen des Freundes zu verschreiben", heißt es dazu in der Wikipedia.

Die von manchen als homoerotisch ausgelegte Beziehung des Sufi wurde in Konya nicht gern gesehen. Mehrmals flüchtete Schams aus der Stadt. Schließlich verschwand er für immer: Er dürfte ermordet worden sein, die Tat wurde aber nie aufgeklärt.

Mehrdeutige Liebesgedichte
Gesichert ist, dass erst die Sehnsucht nach seinem Freund Rumi zu seinen bis heute berühmten, mehrdeutigen Liebesgedichten inspirierte.

Eines der Hauptwerke ist sogar nach ihm benannt: Die über 30.000 Verse voller "mystischer Trunkenheit" im "Diwan von Schams-e Tabrisi" entstanden in einem Zeitraum von 30 Jahren, vom Verschwinden Schams' bis zu Rumis Tod 1273.

Liebe als Hauptkraft des Universums
Rumis Lehre basiert darauf, dass die Liebe die Hauptkraft des Universums ist. Der Mensch kann die Harmonie mit sich selbst und dem Universum nur dann erreichen, wenn er lernt, Gott zu lieben. Kein Wunder also, dass der esoterisch wie erotisch interessierte Popstar Madonna vor zwei Jahren Rumi-Verse zu einem Song verarbeitete.

In extrem bildkräftiger Sprache - "die persischen Originale sind reine Musik", heißt es in der "NZZ" - schreibt Rumi über die Liebe. Gott ist darin der Geliebte, die menschliche Seele, die Gott sucht, der Liebende. Rumi liefert damit ein ganz anderes Islambild als heute der radikale Islamismus oft vermittelt.

Paradoxon als Stilmittel
Bei ihm trifft der strenge Monotheismus des Islam laut "NZZ" auf eine "pantheistische Verherrlichung der Elemente": "Diesem Weltverständnis ist das Paradoxon das angemessene Stilmittel."

"Entsag' der Welt, wenn du Bestand willst finden, sie kann vergänglich nur und treulos sein", heißt es in einem Gedicht über den Frühling, doch gleich im nächsten Vers: "Und soll sich Lust und Freude dir verbinden, so halte dich an Küsse und an Wein."

Bessere Übersetzungen gefragt
Im Deutschen sieht es mit Übersetzungen eher trist aus. Friedrich Rückert übersetzte zwar schon im 19. Jahrhundert die "Ghaselen des Mewlana Dschelaleddin Rumi", doch viele aktuellere Sammlungen sind Weiterübersetzungen aus dem Englischen.

Die "NZZ" hofft nun, "dass die literaturfreundlichen Stiftungen und akademischen Vereine zur Abwechslung einmal nicht die dritte, vierte oder fünfte historisch-kritische Kafka-, Hölderlin- oder Thomas-Mann-Edition finanzieren, sondern eine schöne, vollständige deutsche Rumi-Übersetzung".

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