Damit können Europas Bauern ab diesem Herbst für vorerst ein Jahr wieder alle Äcker bestellen. Derzeit liegen rund zehn Prozent der EU-Ackerfläche brach. Die Maßnahme gilt als erster Schritt der EU-Agrarreform, kostet den Bauern aber noch keine Prämien. Das könnte sich aber bald ändern.
Mindestens zehn Millionen Tonnen mehr
EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel begrüßte den Beschluss des Ministerrats als Schritt gegen die "historisch hohen Preise". Die dänische Kommissarin rechnet im kommenden Jahr mit einer um zehn bis 17 Millionen Tonnen höheren Getreideernte.
Die Erzeugerpreise für Weizen, Roggen, Brau- und Futtergerste hatten sich zuvor im Vergleich zu 2006 verdoppelt. Grund sind die steigende Nachfrage aus Stellenländern wie China und die schlechte EU-Ernte nach der Trockenheit im April. Neben Brot und Bier zeichnet sich auch bei Fleisch eine Teuerung ab, da Masttiere oft mit Getreide gefüttert werden.
Importzölle aussetzen
Fischer Boel schlug zudem vor, die Importzölle für Getreide bis zum 30. Juni des kommenden Jahres auszusetzen. Der weltweite Getreidekonsum liege im laufenden Marktjahr zum dritten Mal in Folge über der Produktion, sagte sie den Ministern laut einer internen Sprechnote. Mit zusätzlichem Getreide aus den USA, Kanada und Südamerika könnten die Preise in der EU theoretisch sinken. Doch dagegen formiert sich in einigen EU-Ländern - allen voran Frankreich - bereits Widerstand.
90.000 Hektar in Österreich
Der sogenannte Flächenstilllegungssatz war 1988/89 auf freiwilliger Basis eingeführt worden. Von 1992 an galt er verpflichtend. Derzeit fallen etwa 3,8 Millionen Hektar in der EU unter diese Regelung. Die Maßnahme zielte damals darauf, die Überschussproduktion in der EU zu drosseln.
Durch die Aussetzung könnten in Österreich rund 90.000 Hektar wieder bebaut werden. Im Landwirtschaftsministerium wird erwartet, dass etwa ein Drittel davon tatsächlich genützt wird. Rund 19.000 Hektar werden schon für Energiepflanzen genutzt.
Prämien für Bauern bleiben
Auf das EU-Budget wirkt sich die Nutzung der Brachflächen allerdings nicht aus, weil die Landwirte in der EU seit der Agrarreform ihre Betriebsprämien - darunter rund 300 Euro pro brachliegendes Hektar - unabhängig davon erhalten, was sie anbauen.
Für die Bauern werden positive Auswirkungen erwartet, weil sie einerseits die Prämien bekommen und andererseits die angebauten Produkte verkaufen können. Allerdings sollten die Preise wieder fallen, wenn mehr Getreide auf den Markt kommt.
Große Reform soll folgen
Allzu lange werden die EU-Bauern allerdings nicht ungeschoren davonkommen. Fischer Boel arbeitet an einem Bericht, der im November die Macken der 1993 beschlossenen Agrarreform und deren Korrekturen aufzeigen soll.
Doch die Pläne der EU-Kommission gehen viel weiter und könnten Großbetriebe Millionen Euro an Beihilfen kosten - Betriebe, die wohl groß genug sind, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Spekulationen treiben Preise in die Höhe
Und in diese Debatte passt, dass derzeit an den Weltmärkten für Getreide Preise gezahlt werden wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der drastische Preisanstieg ist - da sind sich europäische Experten weitgehend einig - auch Ergebnis der Spekulation an den Warenterminbörsen.
Funadamentaldebatte über EU-Budget
Der sich jetzt anbahnende Streit um mehr oder weniger Geld für die ländliche Entwicklung wird spätestens 2008 von einer weit heftigeren Fundamentaldebatte abgelöst werden, ob sich die EU-Subventionen von jährlich deutlich mehr als 40 Milliarden Euro für ihre Bauern noch leisten kann oder will.
Verteilungskampf programmiert
Im kommenden Jahr wird Kommissionspräsident Jose Manuel Durrao Barroso den Mitgliedsstaaten Konzepte vorstellen, wie sich Einnahmen und Ausgaben nach 2013 gestalten sollen. Alle sind sich einig, dass das derzeitige System - vor allem für die Bürger - undurchsichtig und wenig verständlich ist.
Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy wird für seine Bauern, die größten Profiteure der EU-Agrarpolitik, keinen Millimeter kampflos preisgeben. Zwar rief Sarkozy jüngst nach Reformen der europäischen Agrarpolitik, aber was er genau will, verriet er nicht. Sicher ist nur: Die Neuausrichtung der EU-Haushaltspolitik wird ein beispielloser Verteilungskampf.
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