Bernhards Glenn-Gould-Roman

Thomas Bernhards Variationen über Glenn Gould.
Ein Jahr nach dem Tod von Glenn Gould hat Thomas Bernhard seinen mittlerweile legendären Roman "Der Untergeher" vorgelegt. Einmal mehr überlagert Bernhard Realität und Fiktion in einem an musikalische Motivführung erinnernden Prosastück.

Die zentralen Personen des Romans sind drei Pianisten: Glenn Gould, die Titelfigur Wertheimer und der Ich-Erzähler. Alle drei lernen einander in diesem Roman 1953 in Salzburg kennen, wo man im nahe gelegenen Leopoldskron bei (Wladimir) Horowitz Klavierunterricht nimmt und Tag und Nacht Klavier spielt: "Wir aßen beinahe nichts und hatten auch die ganze Zeit keine Rückenschmerzen, die uns sonst immer gequält hatten, während wir bei unseren alten Professoren studierten."

"Sein Klavierradikalismus"
Wertheimer und der Ich-Erzähler erkennen das Genie Glenn Gould und seinen absoluten Kunstwillen ("seinen Klavierradikalismus") und geben das Klavierspiel fortan auf. Wertheim treibt es in die Geisteswissenschaften - und in der Folge in den Suizid.

Der Ich-Erzähler wiederum verschenkt seinen Steinway-Flügel an eine Lehrerstochter aus Altenmünster, die das Instrument in Kürze konsequent zugrunde richtet: "... ich verschenkte meinen Steinway eines Tages an eine neunjährige Lehrerstochter aus Neukirchen bei Altmünster, um nicht mehr von ihm gequält zu werden. Das Lehrerkind hat meinen Steinway in der kürzesten Zeit ruiniert, mich schmerzte diese Tatsache nicht, im Gegenteil, ich beobachtete diese stumpfsinnige Zerstörung mit perverser Lust."

Der Ich-Erzähler verdichtet zunehmend Sätze und Motive zu einem musikalischen Prosawerk, das zwar keine Fuge genannt werden kann, aber von den Auseinandersetzungen Goulds und der Kunst der Bach'schen Fuge inspiriert ist.

Gould und Horowitz
Eine der Pointen des Romans ist zweifelsohne der Klavierunterricht bei Horowitz - Horowitz war Zentrum des Spotts von Glenn Gould.

Bernhard transferiert in seinem Roman Goulds legendäre Einspielung der Goldberg-Variationen im Jahr 1955 samt anschließendem Konzert von New York nach Salzburg: "Zwei Jahre, nachdem wir mit ihm bei Horowitz studiert hatten, spielte Glenn bei den Salzburger Festspielen die Goldbergvariationen, die er zwei Jahre davor mit uns am Mozarteum Tag und Nacht geübt und immer einstudiert hatte. Die Zeitungen schrieben nach seinem Salzburger Konzert das, was wir schon zwei Jahre vorher behauptet und gewusst hatten."

Buchhinweis
Thomas Bernhard: Der Untergeher. Suhrkamp Verlag, 256 Seiten, 9,30 Euro.

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