Der Film, über den Brasilien spricht

"Tropa de Elite" wurde beim Filmfestival von Rio gezeigt.
Noch nie hat ein Film in Brasilien für so viel Aufsehen gesorgt: Seit Wochen diskutieren die Brasilianer über "Tropa de Elite", einen brutalen Thriller über die zweifelhaften Machenschaften einer Eliteeinheit der Polizei im Kampf gegen Rios Drogenbanden.

Schon die Dreharbeiten wurden von Razzien und Überfällen gestört; die Polizei versuchte, die Premiere des Films am Donnerstag beim Filmfestival von Rio zu verhindern; und Politiker kommen wegen des brisanten Inhalts in Erklärungsnotstand.

Eliteeinheit mit brutalen Methoden
"Tropa de Elite" ("Elitetruppe") von Regisseur Jose Padilha ist nach dem international zum Kulthit gewordenen "City of God" die nächste Produktion, die sich im Gewand des Genrefilms mit den sozialen Missständen in den Slums von Rio auseinandersetzt.

In dem Film scheiden zwei ehrliche Cops aus der schlecht bezahlten und vor allem korrupten allgemeinen Polizeitruppe aus und schließen sich der Spezialeinheit BOPE an.

©Bild: Reuters/Belemcom
©Bild: Reuters/Belemcom

Deren Beamte sind knallhart und bestens ausgebildet, und sie haben kein Problem damit, Verdächtige - auch Kinder - zu foltern oder gar zu töten. Die Handlung ist nach Angaben der Drehbuchautoren frei erfunden - doch dass zwei dieser Autoren ehemalige BOPE-Hauptmänner sind, bietet Spekulationen natürlich viel Raum.

Noch immer aktuell
Der Film spielt 1997, kurz vor dem Besuch des Papstes in Rio - die BOPE sollte damals in einer Favela in der Nähe der Unterkunft des Papstes für mehr Sicherheit sorgen -, ist aber brandaktuell.

Das beweisen aktuelle Ereignisse in Rio, wo erst vor wenigen Tagen wieder Beamte wegen Zusammenarbeit mit der Drogenmafia festgenommen wurden - mehr dazu in "Über 50 Polizisten verhaftet".

Straßenkrieger
Die paramilitärische BOPE - ihr martialisches Logo ist ein Totenkopf, den zwei Pistolen und ein Schwert durchkreuzen - gilt als eine der effektivsten Polizeieinheiten der Welt.

Die Mitglieder absolvieren ein hartes Training und haben durch ständige Razzien gegen schwerbewaffnete Drogenbanden in den Favelas mehr Erfahrung im Straßenkrieg als die meisten aktiven Soldaten.

"Polizei existiert nicht in einem Vakuum"
Das Polizeisystem funktioniere nicht, kritisiert Padilha: Schlecht bezahlte Beamte "müssen sich entscheiden, ob sie korrupt werden, gleichgültig oder ob sie in den Krieg ziehen", sagt der Regisseur. Sein Film gebe niemandem die Schuld, sondern untersuche Ursache und Wirkung: "Die Polizei existiert nicht in einem Vakuum."

Ein Spiel ohne Gewinner
Padilha attackiert in seinem Film auch die wenig effektive Arbeit von Hilfsorganisationen in den Slums, die Oberschicht, die mit ihrem Drogenkonsum die organisierte Kriminalität finanziere, und ganz allgemein die wachsende Schlucht zwischen Arm und Reich in Brasilien: "Der Film zeigt, dass es in diesem Spiel keine Gewinner geben kann, solange nach den derzeitigen Regeln gespielt wird."

Padilha, der als Dokumentarfilmer begann ("Bus 174"), betont, sein erster Spielfilm sei zwar fiktiv, aber authentisch. Neben der Beteiligung von Ex-Polizisten gab es auch "Gespräche mit den Ortsansässigen. Manchmal kamen Drogenboten zu uns und gaben uns Ratschläge wie 'Nein, so verbrennt man Leichen nicht'."

Razzien und Überfälle
Die Polizei habe mehrmals versucht, Dreharbeiten in bestimmten Gebieten zu verhindern, sei aber von der brasilianischen Regierung zurückgepfiffen worden, so der Regisseur.

Probleme hatten die Produzenten auch mit Bandenterror. "Teile unserer Crew wurden gekidnappt, Waffen wurden gestohlen, es gab Polizeirazzien. Das hätte das Filmprojekt beinahe gestoppt, weil unsere Kosten massiv zunahmen."

Raubkopie ist Verkaufshit
Jetzt versuchte eine Gruppe von Polizeibeamten, die Premiere von "Tropa de Elite" zu verhindern. Eine Richterin gestattete schließlich die Aufführung beim Filmfestival von Rio, da der Film "die tagtäglichen Realitäten für einen Großteil der Menschen darstellt, die in dieser Stadt leben". Regulär läuft der Thriller Mitte Oktober an.

Dabei ist "Tropa de Elite" ohnehin schon seit Wochen in ganz Brasilien das Gesprächsthema - und ein Blockbuster. Eine fast fertige Version wurde während der Postproduktion gestohlen und findet seither rasanten Absatz als Raubkopie auf DVD.

Gouverneur distanziert sich
Rios Gouverneur Sergio Cabral hat der Film gleich mehrfach in Verlegenheit gebracht: Als er zu im Streifen geäußerten Vorwürfen Stellung nehmen sollte, die Polizisten müssten sogar Autos stehlen, weil die offiziellen Fahrzeuge so schlecht seien, hatte er nur eine Raubkopie des Films zur Verfügung.

Als ihm die Produzenten eine offizielle Vorstellung organisierten, lobte er "Tropa de Elite" als "Realitätsschock" - was ihm sogleich als Kritik an seinen Beamten ausgelegt wurde. Cabral musste sich schließlich von dem Film distanzieren.

Links: