Edvard Grieg, der mit wildem weißen Haar und Schnauzbart auf alten Fotos aussieht wie ein Urvater von Albert Einstein, starb am 4. September 1907 in seiner Geburtsstadt Bergen. Zehntausende Landsleute ehrten ihn beim Begräbnis auch als musikalischen Geburtshelfer der zwei Jahre zuvor erkämpften Unabhängigkeit von Schweden.
Lange umstritten
Obwohl Grieg als Freund oder zumindest anerkannter Kollege von Zeitgenossen wie Tschaikowski, Dvorak, Liszt und Bruckner galt, war er in Norwegen sehr lange umstritten.
Griegs Suiten zu Henrik Ibsens Drama "Peer Gynt" gehören inzwischen zu immer wieder gespielten Orchesterklassikern. Das eingängige Thema der "Morgenstimmung", dem ersten Satz der Suite, ist eine der bekanntesten klassischen Melodien. In Filmen, Werbung, Handy-Klingeltönen und Popmusik-Samplern wurde sie fast zu Tode gespielt.
"Klingt nach Kuhfladen"
Der Trend begann schon 1931: Fritz Lang ließ Peter Lorre in seinem frühen Tonfilm "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" die Melodie von "In der Halle des Bergkönigs" pfeifen.
Dem Komponisten selbst missfiel die eigene Ibsen-Vertonung derart, dass er 1876 weder zu den Proben noch zur Uraufführung erschien und die Noten nicht drucken lassen wollte. "Es klingt nach Kuhfladen und Selbstbeweihräucherung", urteilte er.
In der Spätromantik verankert
Kein Wunder, das manche Grieg bis heute Beliebigkeit unterstellen. Als Höhepunkt seines Schaffens gelten dementsprechend auch nicht die Orchesterwerke, sondern die Klavier- und Kammermusik.
Musikalisch blieb Grieg stets in der Spätromantik verankert. An Strauss' Salome setzte er etwa einst aus, das Werk sei "als Musik unmöglich". In manchen Klavierstücken mit gewagter Harmonik deutet sich aber doch musikalisches Neuland an.
Patriot und Kosmopolit
Umstritten ist auch Griegs patriotischer Vorsatz, "norwegische Natur, norwegisches Volksleben, norwegische Geschichte und norwegische Volkspoesie in Tönen zu malen". Der Komponist wehrte sich aber gegen den Ruf, ein Nationalist zu sein. Er sei Kosmopolit, und Kunst kenne ohnehin keine Grenzen.
Als wichtigste musikalische Leistung des Komponisten gilt seine Integration traditioneller norwegischer Volksmusik in klassische Kompositionen. "Ich liebe Norwegen, gerade weil es so arm ist", sagte Grieg über seine Heimat - inzwischen dank Öl und Gas in der Nordsee eines der reichsten Länder der Welt.
"Schrieb für meine Zeit"
Grieg selbst blieb bescheiden. Keinesfalls wolle er sich mit Bach, Mozart und Beethoven messen, sagte er: "Ihre Werke sind ewig, während ich für meine Zeit und meine Generation schrieb."
Als Dirigent und Pianist tourte Grieg durch ganz Europa. Die ständigen Konzertreisen hatten den positiven Nebeneffekt, sein vergleichsweise schmales Schaffen und seine zahlreichen Schaffenskrisen zu übertünchen.
Auf dem "Trollhügel" bei Bergen ließ er sich als gefeierter Star der internationalen Musikszene 1885 eine Prachtvilla mit Fjordaussicht bauen. Grieg starb im Krankenhaus von Bergen mit 64 Jahren, gezeichnet auch von den Folgen eines harten Tourneelebens.
Links:
- Grieg-Jahr in Norwegen
- Biografie (Wikipedia)