Die Wiederaufnahme bietet nicht nur perfekte Familienunterhaltung, sondern ermöglicht auch einen eindrucksvollen Blick in eine frühe Blütezeit des japanischen Zeichentrickfilms.
Zwei Anime-Legenden vereint
Dass "Heidi" - trotz des deutschen Titelschlagers von Gitti und Erika - eine der ersten Anime-Produktionen war, die in Europa Erfolg hatten, ist inzwischen bekannt.
Doch "Arupusu no shojo Haiji", wie die Serie im Original heißt, legte noch einen anderen Grundstein. Bei dem Projekt arbeiteten zwei der größten lebenden Zeichentrickkünstler zusammen: Isao Takahata und Hayao Miyazaki.
Meisterwerke am laufenden Band
Sie gründeten 1985 das wohl legendärste aller Anime-Produktionshäuser, Studio Ghibli, und schaffen dort seither ein Meisterwerk nach dem anderen.
Filme wie "Prinzessin Mononoke", "Chihiros Reise ins Zauberland" und "Das wandelnde Schloss" wurden weltweit zu Erfolgen und sie räumten mit dem Image vom japanischen Animationsfilm als dümmliche und gewalttätige Kinderunterhaltung auf.
Ein Klassiker pro Jahr
In Japan ist der "Heidi"-Mythos ein regelrechter Kult. 1920 wurde die Vorlage von Johanna Spyri ins Japanische übersetzt. Die 52 Folgen der TV-Zeichentrickserie wurden 1974 zu einem so großen Erfolg, dass das Produktionsstudio Zuiyo in der Folge jährlich Jugendbücher und Literaturklassiker als in sich geschlossene Anime-Serien verfilmte.
Unter dem Titel "World Masterpiece Theater" ("WMT") wurden etwa "Niklaas, ein Junge aus Flandern", "Perrine" und "Anne mit den roten Haaren" produziert.
Realismus und Fantasie
Wer "Heidi" heute mit dem Wissen über das spätere Werk der beiden Anime-Künstler sieht, kann Erstaunliches erkennen. Takahata, dessen Filme mehr "Bodenhaftung" haben als Miyazakis, orientierte sich als "Heidi"-Regisseur stark am Realismus der Vorlage.
Fantasy-Experte Miyazaki hingegen schuf den surrealen Vorspann, in dem Heidi durch Wolken und Berge schaukelt.
Düstere Themen
Takahata und Miyazaki hatten bei etlichen der "WMT"-Serien ihre Finger im Spiel, etwa bei "Perrine" und "Niklaas". Ihnen gemeinsam sind eine gewisse Grundmelancholie und das Ansprechen von Themen, die auch heute noch ungewöhnlich fürs Kinderfernsehen sind: Tod, Armut, Verlust.
Während Miyazaki spätestens seit dem Oscar für "Chihiros Reise ins Zauberland" 2003 und dem Ehrenlöwen von Venedig 2005 für sein Lebenswerk als Weltstar gelten muss, spielt Takahata in der öffentlichen Wahrnehmung die zweite Geige.
Tragisches Schicksal
Dabei ist schon sein erster Studio-Ghibli-Film noch kompromissloser als die frühen Werke seines Partners. In "Die letzten Glühwürmchen" (1988) greift er ein Thema der "WMT"-Reihe auf - armer Teenager muss allein für seine Familie sorgen - und versetzt es nach Japan kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Hauptfigur Seita verliert nach Napalm-Angriffen seine Mutter, sein Vater ist als Soldat an der Front, und er allein muss sich um seine kleine Schwester Setsuko kümmern.
Die Revolution der Marderhunde
Erstmals auf DVD erschienen ist gerade "Pom Poko" aus dem Jahr 1994. Takahata erzählt darin die Geschichte eines Aufstandes gefährdeter Naturwesen gegen den Angriff der Menschen auf ihren Lebensraum. In einem Wald vor den Toren Tokios leben die Tanuki, Marderhunde, die sich auch in andere Lebewesen und Gegenstände verwandeln können.
Dann rücken Menschen mit Baggern an, reißen die Häuser ein, ebnen die Hügel und roden die Wälder. Eine Neubausiedlung soll dort entstehen. Die Tanuki werden in ihrer Existenz bedroht. Ihr natürlicher Lebensraum wird immer stärker eingeengt. Schließlich schlagen sie zurück: Sie verwandeln sich in Menschen und beginnen, die Arbeiten zu sabotieren.
Gegenseitig beeinflusst
Dass sich "Pom Poko" drei Jahre vor Miyazakis "Prinzessin Mononoke" (1997) mit Umweltzerstörung auseinandersetzt, zeigt, wie stark einander die beiden Trickfilmer im Studio Ghibli beeinflussten.
Neben dem Miyazaki-Klassiker "Mein Nachbar Totoro" sollen demnächst noch weitere bisher nicht auf Deutsch erhältliche Ghibli-Klassiker wie "Whisper of the Heart" und "My Neighbors the Yamadas" auf DVD erscheinen.
Links:
- Heidi (Wikipedia)
- Studio Ghibli
- Nausicaa.net (Fansite)
- Online Ghibli (Fansite)