Das deutsche Ruhrgebiet ist nach Ansicht des früheren Mafioso und Kronzeugen Giorgio Basile eine Hochburg der kalabrischen Mafia. Zudem sei Deutschland ein Lieblingsversteck der 'Ndrangheta.
"Die Deutschen müssen einfach verstehen: Wo es Pizza gibt, ist auch die Mafia zuhause. Weil viele Restaurants mit deren Geld finanziert sind", sagte er dem Kölner "Express" (Donnerstag-Ausgabe) in einem Interview, das er laut Zeitung an einem geheimen Ort gegeben hat.
Kronzeuge versteckt sich vor Mafia
Der frühere Auftragskiller der 'Ndrangheta ist Kronzeuge der italienischen Polizei und soll zur Festnahme von rund 50 Mafiosi beigetragen haben.
Er kontrollierte den Drogenhandel der Organisation. 1998 wurde er im Allgäu festgenommen und soll den Ermittlern 30 Morde gestanden haben. Als Kronzeuge der Polizei wurde er nur zu einer geringen Strafe verurteilt. Er hält sich nun selbst vor der Mafia versteckt.
"Da muss was schiefgelaufen sein"
Dass die 'Ndrangheta in Duisburg sechs Menschen getötet haben soll, sei für diese Organisation "nicht normal", sagte Basile. "Da muss irgendetwas schiefgelaufen sein."
"In 20 Minuten in Holland"
Deutschland sei ein favorisiertes Versteck der kalabrischen Mafia. "Die haben hier alle Freunde, Verwandte. Und die schulden denen allen Gefallen."
Seiner Meinung nach hat die Polizei kaum Chancen, die Täter der Duisburger Morde zu fassen. "Die sind bestimmt 20 Minuten später in Holland gewesen. Da kann man noch ohne Pässe in Hotels einchecken und erst mal abtauchen."
Lösegelder in Deutschland investiert
Nach Angaben des deutschen Mafia-Experten und Publizisten Jürgen Roth hat es Anfang der 90er Jahre in Kalabrien mehrere Ermittlungsverfahren gegen Clan-Angehörige wegen internationalen Drogenhandels gegeben. Offiziell seien in Deutschland 160 Angehörige der Clans aus der Mafia-Hochburg San Luca gemeldet.
Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes seien Lösegelder aus Entführungen in Deutschland investiert worden. Im Raum Duisburg hätten Clan-Angehörige Pizzerien und Diskotheken eröffnet.
Kriminalbeamte: Mafia auf dem Vormarsch
"Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Mafia hierzulande auf dem Vormarsch ist", sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Nordrhein-Westfalen, Wilfried Albishausen, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in Düsseldorf.
"Diese Leute sind hier"
So sei in den vergangenen Jahren die Zahl der Rechtshilfeersuchen deutlich gestiegen, mit denen italienische Behörden in Deutschland um die Überprüfung oder Festnahme von Mafia-Verdächtigen nachsuchten. "Daran kann man sehen, dass diese Leute hier sind", so Albishausen.
Die Bundesrepublik sei "zu einem gewissen Rückzugsraum, aber auch zum Handlungsraum für Mafia-Killer und mafiöse Strukturen geworden", erläuterte Albishausen.
Drogenhandel und Geldfälschung
Als kriminelle Hauptbetätigungsfelder italienischer Mafia-Banden in Deutschland nannte Albishausen unter anderem den Drogenhandel und Geldfälschungsdelikte.
Zudem gebe es verstärkte Versuche der Mafia, in die Baubranche einzudringen und bei der illegalen Beschäftigung von Arbeitern abzukassieren. Bei ihren kriminellen Geschäften agierten die italienischen Mafiosi durchaus nicht isoliert: "Sie arbeiten auch mit osteuropäischen Verbrecherorganisationen und den chinesischen Triaden zusammen."
"In vielen Bereichen Fuß in der Tür"
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte davor, die Bedrohung Deutschlands durch die Mafia zu unterschätzen. "Die Mafia und andere organisierte Kriminelle sind in Deutschland auf dem Vormarsch", sagte GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe).
Bandenkriminelle hätten "in vielen Bereichen der Wirtschaft inzwischen einen Fuß in der Tür".
Spektakuläre Morde wie die von Duisburg dürften aber "wohl Ausnahmen bleiben", sagte Freiberg. Schließlich sei die Mafia "sehr darauf bedacht, ohne großes Aufsehen zu agieren".
"Hunderte Millionen investiert"
Die Dimension des Mafia-Problems werde sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den Lagebildern der Polizei unterschätzt, sagte Freiberg der Zeitung weiter. Über Mittelsmänner würden "jedes Jahr Hunderte Millionen Euro in deutsche Unternehmen investiert, die aus schmutzigen Quellen stammen".
Warnung auch aus Italien
Italiens führender Mafia-Jäger Piero Grasso hatte erst vor wenigen Wochen gewarnt, Deutschland sei durch das Einsickern der italienischen Mafia massiv bedroht.
Polizei veröffentlicht Phantombild
Die Polizei hat in dem Fall unterdessen Donnerstagabend ein erstes Phantombild veröffentlicht. Bei dem dunkelhaarigen Mann handele es sich um den Fahrer eines Wagens, der sich kurz nach der Tat Mittwoch früh mit hoher Geschwindigkeit fluchtartig aus der Umgebung des Tatortes entfernt habe, hieß es.
Nach Angaben der Polizei hatten Zeugen in unmittelbarer Tatortnähe zwei Männer gesehen, die in eine auf dem Mittelstreifen der Straße geparkte größere, dunkle Limousine stiegen.
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