Deswegen seien die Zeugnisse in der 4. Klasse Volksschule wenig aussagekräftig. "Wir brauchen daher Aufnahmekriterien und -verfahren für die AHS", erklärte ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon in der Tageszeitung "Kurier" (Montag-Ausgabe).
Hauptschule als "Integrationsprojekt"
Die Mehrheit der Menschen wolle keine Gesamtschule, glaubt Missethon und plädiert für eine Stärkung der Hauptschule, statt mit einer Gesamtschule nach unten zu nivellieren. In Wien sei die Hauptschule "in Wirklichkeit ein Integrationsprojekt geworden".
Wegen des hohen Anteils an Migrantenkindern brauche es mehr Konzentration auf Sprachausbildung und Berufsorientierung. In der Volksschule, wo Lese-, Schreib- und Rechenschwächen ja entstünden, müssten die Lehrpläne auf das Wesentliche reduziert werden, damit genug Zeit für die Vermittlung von Grundfertigkeiten bleibe.
Mehr "Disziplin und Ordnung"
Zudem wünscht sich Missethon mehr Disziplin in der Schule, dort müsse man "ein Stückerl Ordnung wiederherstellen". So sollte der Schulverweis als Sanktionsmöglichkeit verstärkt eingesetzt werden, Noten müssten erhalten bleiben.
Zwischen Eltern und Schule sei die Aufgabenteilung zu diskutieren. "Es kann nicht sein, dass sich um jede kleine Investition an einer Schule der Schulgemeinschaftsausschuss kümmert und sich Lehrer vor den Eltern fürchten, anstatt dass Schüler Respekt vor den Lehrern haben", so Missethon. Eltern sollten sich um den außerschulischen Bereich kümmern, etwa Nachhilfe.
Streitpunkt in der Koalition
Die Schulreform gilt nach wie vor als einer der größten Streitpunkte in der Koalition. Während die SPÖ und ihre Bildungsministerin Claudia Schmied vehement für die Gesamtschule für alle Zehn- bis 14-Jährigen eintreten, liegt vom Koalitionspartner ÖVP ein Vorstandsbeschluss gegen eine solche vor.
SPÖ: "Rohrstaberlfantasien"
Die Antwort der SPÖ fiel dementsprechend scharf aus. Missethon würde das Rad "um weitere 40 Jahre zurückzudrehen", so SPÖ-Generalsekretär Josef Kalina: Der "bildungspolitische Geisterfahrer" Missethon wolle "mit seinen Rohrstaberlfantasien eine weitere Zeitreise in die Vergangenheit vornehmen".
Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer erwartet sich Stimmen aus dem "aufgeklärten ÖVP-Lager", die das "wieder zurechtrücken". Mit Verweis auf die Kritik der OECD und des WIFO an Österreich sprach sich Kalina erneut gegen eine Trennung von" guten und weniger guten" Kindern aus.
Die SPÖ sollte das Thema Gewalt an den heimischen Schulen nicht negieren und die Augen vor der Realität nicht verschließen, so wiederum die Antwort von Missethon auf Kalina. Gewalt an Schulen sei ein ernstes Thema, das Leben an den Schulen brauche klare Regeln.
Niederwieser: "Unsinnig"
Als "unsinnig" bezeichnete SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser den Vorschlag: "Eine generelle Einführung solcher Tests wird es nicht geben." Er wertete Missethons Aussagen als "die alte Argumentation von Teilen der ÖVP", mit dem Ziel, den Weg zur Gesamtschule aller Zehn- bis 14-Jährigen zu verhindern.
Für Niederwieser ist es ebenso unsinnig, Zehnjährige nach den Noten eines Lehrers zu beurteilen, wie den weiteren Lebensweg durch eine Prüfung festzulegen. Der SPÖ-Bildungssprecher betonte, dass bei weitem nicht die ganze ÖVP hinter der ablehnenden Haltung gegenüber der Gesamtschule stehe. Missethon sollte einmal "über den Semmering schauen" und seine steirischen Kollegen nach ihrer Meinung fragen.
"Kein Kommentar" hieß es zu den Aussagen von Missethon seitens Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ).
Grüne: "Ideologische Scheuklappen"
Scharfe Kritik an Missethon kam auch von den Grünen: Die ÖVP treibe eine Teilung der Gesellschaft ganz gezielt voran, kritisierte Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburny. Ungeachtet der zahlreichen, auch internationalen Studien bestehe die ÖVP auf "ihren ideologischen Scheuklappen" und reagiere "mit der Forderung nach noch mehr und noch stärkerer Selektion".
Missethon stehe aber im krassen Widerspruch zu seiner eigenen politischen Klientel. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer würden seit langem grundlegende Reformen im Schulsystem fordern.
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