Der späte Biss

Viele spät Berufene greifen gleich zu recht starken Bikes.
Schon die Zulassungsstatistik spricht eine klare Sprache: Während die Zulassungen von Pkws in Österreich rückläufig sind, boomen Motorräder. In der ersten Hälfte 2007 wurden 13,8 Prozent mehr Motorfahrräder zugelassen als im selben Zeitraum des Vorjahres. Beim klassischen Motorrad schlägt immerhin noch ein plus von 2,3 Prozent im Vergleich zur ersten Hälfte 2006 zu Buche.

Schon 61 Tote in diesem Jahr
Stark stieg auch in diesem Jahr die Zahl tödlicher Unfälle von Motorradfahrern. Heuer verunglückten bereits 61 Menschen beim Motorradfahren tödlich. Auffällig dabei ist, dass es sich bei den Opfern nicht mehr nur um die "jungen Wilden" handle, es seien meist die älteren Biker, die bei der Ausfahrt ums Leben kommen, gab der ÖAMTC am Dienstag bekannt.

"Dabei muss aber genau unterschieden werden. Es handelt sich zwar um ältere Fahrer, aber keineswegs um erfahrene Biker", sagt Klaus Jurkowitsch, Motorradinstruktor des ÖAMTC.

Wochenendtour allein ist kein Training
Immer mehr Menschen ab 40 entdecken das Motorrad nach Jahren der Abstinenz als Freizeitsportgerät wieder oder fangen überhaupt erst mit dem Motorradfahren an. Die Kilometerleistung ist aber in den meisten Fällen sehr gering - und damit natürlich auch die Erfahrung. "Einen ausgeprägten Verkehrssinn bekommt man erst nach mindestens fünf Jahren, und dazu sind mehr als Wochenend-Spritztouren nötig", so der ÖAMTC-Experte.

Die meisten Motorradunfälle passieren am Wochenende zwischen 14.00 und 18.00 Uhr. Nicht angepasste Geschwindigkeit und zu schnelle Kurvenfahrten sind laut ÖAMTC häufige Unfallauslöser. Aber auch die mangelnde Routine äußert sich durch Fahrfehler und falsches Reagieren in kritischen Situationen.

Zwei herausragende Typen
In der Unfallstatistik 2006 gibt es laut der ÖAMTC-Verkehrspsychologin Dora Donosa zwei herausragende Typen: die 20- bis 24-Jährigen und die 40- bis 45-Jährigen. Beide Gruppen bilden mit einem Drittel der 95 tödlichen Motorradunfälle im Vorjahr eine Spitzengruppe, in der fehlende Fahrpraxis und falsche Selbsteinschätzung oft ins Verderben führen.

Die spät Berufenen
Dennoch sieht man auf den "klassischen" Motorradstrecken zunehmend Fahrer mit 50 Jahren und mehr. Die meist männlichen spät Berufenen erfüllen sich im Alter ihren Jugendtraum, holen nicht selten den A-Führerschein nach und nehmen beim Motorradkauf gleich ordentlich Geld in die Hand. So sieht man nicht selten auf den stärksten Maschinen, die im Handel verfügbar sind, die "grauen Wölfe".

Das Magazin "quer" des Bayerischen Rundfunks machte zuletzt die Probe aufs Exempel. In klassischen Bikertreffs bilden die älteren Semester mittlerweile die Hauptgästegruppe, wie eine Wirtin erzählt. Von Jahr zu Jahr würden die Besucher älter, sagt sie.

Der Maschine nicht gewachsen
Ob die älteren Herren auf der Maschine immer die fittesten Fahrer sind, bezweifeln auch die Experten des ADAC in Deutschland. Sie sehen das Manko, dass eigene Fitness und Können mit der Bissigkeit der gekauften Prestigemaschine oft nicht in Einklang stehen.

Man kann die Unfallproblematik aber auch über die Generationen hinweg betrachten. Laut einer ADAC-Untersuchung vom Juni sind bei Motorradunfällen zwei Aspekte auffällig. Meist sind es die Motorradfahrer selbst, die die Unfälle auslösen.

Und deutlich häufiger sind Besitzer von neuen Motorrädern in Unfälle verwickelt - sie haben laut ADAC ein vier Mal so hohes Unfallrisiko wie erfahrene Fahrer, weil sie sich nur ungenügend mit dem Fahrgerät vertraut machen.

Kein anderes Fahrzeug in Unfall verwickelt
In mehr als die Hälfte aller Unfälle mit Verletzungen oder Todesfolge ist jedenfalls kein weiteres Fahrzeug verwickelt. Bei Autos betrage der Anteil der Alleinunfälle im Schnitt 20 Prozent. In den meisten Fällen seien die Biker zu schnell gefahren.

Dass es, gerade beim Wiedereinsteigen ins Biken, auch um den Adrenalin-Kick geht, zeigt ein Blick auf Videoplattformen wie YouTube. Sie wimmeln von Eigenvideos von Motorradfahrern, die ihr Fabrikat im Solo-Temposog oder bei der Wettfahrt mit einem anderen Biker auf einer Konkurrenzmarke zeigen.

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