Ist das Geheimnis gelüftet?

Tage vor der offiziellen Veröffentlichung ist der neue "Harry Potter"-Roman angeblich im Netz aufgetaucht.
Es ist eines der am strengsten gehüteten Geheimnisse der Verlagsbranche: Wie endet die "Harry Potter"-Reihe? Was passiert auf der letzten Seite des letzten, siebenten Bands der Jungzauberer-Saga? Wird Harry Potter sterben, wie viele vermuten, oder trifft es andere liebgewonnene Figuren aus der Fantasy-Welt?

Geht es nach Autorin Joanne K. Rowling und ihren Verlagen Bloomsbury und Scholastic, wird man die Antworten frühestens am Samstag um Punkt 0.01 Uhr britischer Zeit (1.01 Uhr MESZ) wissen. Dann darf "Harry Potter and the Deathly Hallows", die englischsprachige Originalausgabe des siebenten Romans, offiziell verkauft werden.

Doch nun ist offenbar das Worst-Case-Szenario für die Verlage eingetreten: Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen ist das Buch Tage vor der Veröffentlichung im Internet aufgetaucht.

759 Seiten abfotografiert
In einschlägigen Tauschbörsen kursiert seit kurzem eine Sammlung von JPG-Fotos des Bandes. Die Bilder zeigen die Hand eines Mannes, der eine US-Ausgabe hält und jede Doppelseite abfotografiert hat. Insgesamt sind 759 Seiten des Buches abgebildet - nicht in bester Qualität, aber auf jeden Fall lesbar.

Potter-Fans grübeln nun, ob die Fotos echt sind oder ob sich tatsächlich jemand die Mühe gemacht hat, fast 800 Seiten falschen Romantext zu verfassen, im "Potter"-Buchdesign zu setzen und abzufotografieren.

Verlag hält sich bedeckt
Rowlings britischer Verlag Bloomsbury will die Echtheit jedenfalls "weder bestätigen noch dementieren".

"Viele Menschen versuchen wirklich schlaue Sachen. Sie schreiben das Buch nach oder wollen eine Kopie ins Internet stellen, um zu sagen, sie wüssten den Inhalt. Aber die Einzige, die das weiß, ist die Autorin Joanne K. Rowling", sagte Verlagssprecherin Lucy Holden am Mittwoch, und: "Unsere Anwälte kümmern sich darum."

Viele Fälschungen im Netz
Erst vor wenigen Wochen hatte ein Hacker behauptet, er sei ins Netzwerk des Verlags eingedrungen und habe Zugriff auf den Text erhalten - eine Behauptung, der nur wenig Glauben geschenkt wurde.

Angesichts des nötigen Aufwands glauben diesmal wenige an einen Scherz, auch wenn in den Tauschbörsen mehrere Versionen des abfotografierten US-Buchs und viele offensichtliche Fälschungen kursieren.

Aus einer öffentlichen Bibliothek?
Außerdem wird über die Quelle gerätselt:
"Ich kenne jemanden aus einer öffentlichen Bibliothek, der behauptet, er habe das Buch schon erhalten, aber er musste eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben", spekuliert ein User des beliebten Community-Weblogs MetaFilter.

Einige der Fotos zeigen, dass der Schutzumschlag mit Klebestreifen am Einband befestigt wurde - eine in Bibliotheken übliche Praxis. Und natürlich kursieren auch diverse Verschwörungstheorien: Es handle sich um eine gezielt von den Verlagen platzierte Desinformation, um den "Potter"-Hype noch mehr anzukurbeln.

Fansite-Betreiber überzeugt
Emerson Spartz und Doris Herrmann, die Betreiber der beiden großen "Potter"-Fansites MuggleNet und Leaky Cauldron, halten das abfotografierte Buch auf jeden Fall für authentisch. "Ich habe genug davon gelesen, um überzeugt zu sein", sagte Spartz der AP.

Der Vorfall wäre damit die größte Sicherheitspanne, die den Verlagen in Sachen "Potter" unterlaufen ist.

Geheimdienstmethoden
Scholastic und Bloomsbury betreiben einen riesigen Aufwand, um Band sieben bis zuletzt unter Verschluss zu halten. Alle Beteiligten - vom Verlagsmanager bis zum Druckereiarbeiter - müssen Geheimhaltungsvereinbarungen unterzeichnen. Druck und Auslieferung werden rund um die Uhr von Sicherheitsdiensten überwacht.

In Großbritannien hat Bloomsbury laut einem "Telegraph"-Bericht alle Lastwagen, die "Harry Potter and the Deathly Hallows" in die Geschäfte liefern, mit Satellitenverfolgungssystemen ausgestattet - allein diese Aktion soll nach Angaben der Zeitung umgerechnet fast 15 Millionen Euro gekostet haben.

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