Und doch scheint es, als baue jeder für sich allein. Von Architektur und Raumplanung sind alle betroffen, doch das Bewusstsein dafür ist gering, lautet das Ergebnis des jetzt veröffentlichten ersten Österreichischen Baukulturreports.
"Baukultur schafft Lebensqualität", betonte Hartwig Chromy, gemeinsam mit Volker Dienst Geschäftsführer der ARGE Baukulturreport, bei der Präsentation am Montag. Aber auch in Österreichs Ministerien gibt es keine ressortübergreifende Instanz, die sich damit beschäftigt - dabei könnte sich der Staat Milliarden sparen, rechnet der Report vor.
Umfangreiche Bestandsaufnahme
Die Untersuchung ist umfangreich: Der Schuber umfasst sechs Einzelhefte, 24 Beiträge von über 40 Experten, 56 Statements von Entscheidungsträgern aus allen baukulturell relevanten Bereichen und insgesamt rund 500 Seiten.
"Nach wie vor gehört das 'Häuselbauen' oder das Bestellen eines eigenen kleinen Gartens zu den sehnlichsten Lebenswünschen in unserem Land", heißt es gleich in der Einleitung des Reports.
"Volkswirtschaftlicher Nutzen"
Umgesetzt wird der Traum vom Eigenheim architektonisch oft fragwürdig, doch darum geht es im Baukulturreport nicht.
Er beschäftigt sich "explizit nicht mit schönheitschirurgischen Einzeleingriffen durch Architektur, sondern mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen, der durch politisch klug regulierte Planungs- und Bauleistungen erzielt werden könnte".
Wie dieser Nutzen aussehen könnte, zeigen die Autoren in vielen Bereichen, vom Straßenbau über Barrierefreiheit bis zur Ökologie, und die Zahlen, mit denen sie ihre Empfehlungen untermauern, sind durchaus beeindruckend.
Problem Zersiedelung
Bauherren, die ihr Projekt schon barrierefrei planen und umsetzen, müssen nur mit 0,15 bis 1,8 Prozent Mehrkosten rechnen, zeigt etwa der Reportbeitrag von Bernhard Hruska. Die nachträgliche Sanierung von nicht barrierefreien Gebäuden und die Folgekosten, etwa bei Stürzen, würden hingegen 3,2 Milliarden Euro jährlich ausmachen.
Andere Daten zeigen, dass die starke Zersiedelung vor allem auf dem Land für enorm hohe Infrastrukturausgaben sorgt: 87 Prozent des Flächenverbrauchs für neue Straßen entstehen durch Einfamilienhäuser.
Klimawandel muss mitgeplant werden
Auch in Sachen Nachhaltigkeit rüttelt der Report auf. "Kaum ein Erzeugnis aktueller Produktion weist eine höhere Lebenserwartung auf als das Gebäude mit über 80 Jahren", heißt es darin.
Den zu erwartenden Klimawandel in diesem Zeitraum müsse man schon jetzt mitplanen, empfehlen die Autoren. Sie raten zu einem "dezentralen, regional optimierten Energiemix", in dem Wind-, Solar- und geothermische Energie ebenso Platz haben müssen wie Wasserkraft und neue Technologien. In zeitgemäß geplanten Bauten lasse sich der Heizwärmebedarf auf ein Fünftel oder gar auf ein Zehntel reduzieren.
Kulturministerin präsentierte Report
Der Report ist schon seit Herbst 2006 fertig, durch den Regierungswechsel fand sich aber kein Ressort, das ihn publizieren wollte. Nun präsentierte Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) das Papier - laut "Standard" vorerst in einer Druckauflage von 600 Stück.
Der Report sei "ein Ergebnis gemeinsamer Kraftanstrengung" von Bundesimmobiliengesellschaft, dem Wirtschafts- und dem Kulturministerium, sagte Schmied.
Die Initiative ging allerdings von den Planern aus, die vor drei Jahren eine parlamentarische Enquete zum Thema Baukultur durchsetzten und das Projekt damit in Gang brachten.
Neuer Preis für Baukultur
Ob die Kritik fruchten wird, wird sich zeigen. Schmied verwies darauf, dass man nun eine öffentliche Debatte einleiten und den Report im Herbst auch im Parlament behandeln werde.
Eine Empfehlung des Berichts werde man sicher umsetzen: 2008 wird es erstmals einen mit 5.500 Euro dotierten und jährlich vergebenen Baukulturpreis für realisierte Projekte (Neu- und Umbauten) geben, eine entsprechende Jury wird im Herbst erstmals zusammentreten.
Innerhalb ihres Ressorts will Schmied außerdem neue Initiativen zur Schularchitektur starten und via Lehrerausbildung zukünftige Pädagogen für das Thema sensibilisieren.
"Kompetenzvakuum"
Die Autoren des Reports wünschen sich aber größere Denkmaßstäbe. Sie fordern die Einrichtung einer Koordinationsstelle zwischen den Ministerien. Derzeit, heißt es im Text, gebe es ein "Vakuum an siedlungspolitischer Kompetenz" in der Politik.
Auf einer architekturpolitischen Landkarte, 2005 erstellt vom EFAP (Europäisches Forum für Architekturpolitik), ist Österreich absolutes Niemandsland - wie etwa auch Deutschland, die Schweiz und Spanien. Zu den Vorzeigeländern gehören hingegen die Niederlande, Finnland und die britischen Inseln.
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