Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt indes nach den massiven Streitereien mit Polen beim Brüsseler EU-Gipfel auf ein besseres Verhältnis zum östlichen Nachbarn.
Stiefmütterlich behandelt?
Polen scheint sich indes von Deutschland stiefmütterlich behandelt zu fühlen. So sieht es zumindest das rechtskonservative Wochenmagazin "Wprost", das die Situation deftig illustriert.
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©Bild: APA |
"Postkoloniale Reflexe"
In dem dazu gehörenden Bericht wurden Deutschland "postkoloniale Reflexe" vorgeworfen.
60 Jahre nach Kriegsende seien "die Deutschen immer noch nicht in der Lage, Polen partnerschaftlich zu behandeln". Deutsche Politiker und deutsche Medien hätten einen "Frontalangriff" gegen Polen geführt, lautete der Tenor. Deutschland sei "von unserem Anwalt zu unserem Ankläger" geworden.
Kritische Stimmen
"Wprost" - für seinen nicht ausgewogenen Blick auf den westlichen Nachbarn und viele provokante Aufmacher in der Vergangenheit bekannt - steht mit dieser Auffassung allerdings nicht allein.
"Man gewinnt den Eindruck, dass (die deutschen Politiker) die Fähigkeit verloren haben, das Interesse Deutschlands vom Interesse Europas zu unterscheiden", kommentierte die Zeitung "Rzeczpospolita" am Montag den Gipfelverlauf.
Empörte Stimmen in Deutschland
In Deutschland reagierten Politiker am Dienstag empört auf die Veröffentlichungen. Die Reaktionen brachte freilich die auch nicht zimperliche "Bild"-Zeitung. Sei zitiert den FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle mit den Worten, das Cover sei "eine Geschmacklosigkeit und kein Beitrag zur deutsch-polnischen Freundschaft".
"Fassungslos" äußerte sich der Vorsitzende der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe, Markus Meckel (SPD): "Polen hat in den letzten Wochen und Monaten viele Freunde verloren. Das Land sollte sich in Zukunft verstärkt Gedanken machen, wie es wieder Verbündete und Freunde gewinnt."
Deutschland "noch hilfsbereit"
"Die Polen sollten aufhören, sich mit Geschmacklosigkeiten zu überbieten", sagte CSU-Außenexperte Eduard Lintner dem Blatt. "Irgendwann schlägt das auf die Stimmung in Deutschland durch, die momentan noch sehr hilfsbereit ist. Satire findet ihre Grenze dort, wo sie die Würde anderer beschädigt!"
In der Vergangenheit gab es Streit zwischen Polen und Deutschland zur Veröffentlichung von Print-Produkten, da die linke "taz" die Kaczynski-Brüder in einem satirischen Beitrag als Kartoffeln bezeichnete. Merkel hatte damals eine von Polen geforderte Entschuldigung mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit abgelehnt.
"Passt Polen nach Europa?"
Nicht übersehen darf man nicht, dass es in Polen auch kritische Stimmen zur Strategie der eigenen Regierung gab. "Passt Polen nach Europa?" fragte "Newsweek Polska". Experten warnten hier vor einer Selbstisolierung des Landes.
In Berlin war man dagegen bemüht, den Streit mit Polen tiefer zu hängen. Man werde die "engen und freundschaftlichen Beziehungen" mit Polen verstärkt ausbauen, ließ Merkel wissen. Der "Geist der Zusammenarbeit" und die "Gemeinschaft aller" in der EU wurden nach dem Krisengipfel beschworen.
Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in der ARD, es habe "irritierende Argumentationen aus Polen" gegeben. Jetzt sei aber eine Lösung erreicht, und man werde wieder "an den Ausbau der deutsch-polnischen Beziehungen gehen können".
Merkel drohte mit Isolierung
Während der Brüsseler Verhandlungen Ende letzter Woche hatte die Kanzlerin zunächst die Reißleine gezogen und Polen öffentlich mit einer Isolierung im weiteren Reformprozess der EU gedroht.
Die Warschauer Führung hatte in Brüssel zunächst besonders hart verhandelt und zeitweise die polnischen Weltkriegstoten in ihre Argumentation eingebracht. Mit neuen Zugeständnissen wurde schließlich eine Einigung gefunden.
"Diktat der deutschen Politik"
Am Ende wurde es dann zwar nicht die Quadratwurzel, für die es sich nach Aussage der Kaczynski-Brüder zu sterben gelohnt hätte. Doch mit der Aussicht, das für Polen außerordentlich günstige Stimmengewicht nach dem Vertrag von Nizza bis 2017 beizubehalten, konnte Lech Kaczynski zufrieden in die Heimat zurückkehren.
Das Verhältnis zu Deutschland scheint aber nachhaltig getrübt. Ein "Diktat der deutschen Politik in Europa" sah der stellvertretende Regierungschef Roman Giertych die Verhandlungen.
"Zusammenarbeit mit Augenmaß"
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen seien vor dem Gipfel schwierig gewesen und sie würden auch nach dem Gipfel schwierig bleiben, analysieren Regierungsexperten laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) das derzeitige Klima. Deshalb sei "Zusammenarbeit mit Augenmaß" die richtige Antwort.
Aus dem Bundestag gab es die Forderung nach rascher Wiederbelebung des "Weimarer Dreiecks", in dem Frankreich, Polen und Deutschland ihre Zusammenarbeit in der EU koordinieren. Ein Dreiertreffen dieser Art hatte es zuletzt im Dezember an der Saar gegeben. "Große Gesten sind nicht geplant", hieß es dazu in der Bundesregierung.
Jugendaustausch und Städtepartnerschaften
Hier wird offensichtlich mehr auf die direkte Zusammenarbeit der Bürger gesetzt: Jugendaustausch, universitäre Kontakte und Städtepartnerschaften. Umfragen in Polen signalisieren regelmäßig eine überwiegend positive Einstellung der Polen zu Deutschland und der EU.
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