Der junge Dichter als Schürzenjäger

"Diese Gedichte werden viele überraschen. Sie sind lüstern und erotisch."
Fast ein Jahrhundert waren sie nur Eingeweihten bekannt, jetzt sorgen erotische Gedichte des Literatur-Nobelpreisträgers Juan Ramon Jimenez (1881 - 1958) in Spanien für Aufregung.

Jimenez war berühmt für seine Gedichte über Liebe und Sehnsucht, galt aber auch als Vorbild in Sachen Eheglück und Treue - er war 40 Jahre lang mit derselben Frau verheiratet.

"Bücher der Liebe"
Jetzt steht Jimenez' Ruf auf dem Spiel: Ein spanischer Verlag hat unter dem Titel "Libros de amor" ("Bücher der Liebe") Gedichte veröffentlicht, in denen Jimenez ungeschminkt seine amourösen Abenteuer mit drei jungen Nonnen in einem Madrider Ordenskrankenhaus, den Frauen seiner Ärzte und eine Reihe weiterer Affären schildert.

Orden beschwert sich
Während bei Jimenez-Fans die Entdeckung auf viel Interesse stößt, sind laut der Tageszeitung "El Pais" vor allem die Santo-Rosario-Schwestern entsetzt. Der Orden hat sich beim Verlag wegen der Veröffentlichung beschwert.

"Schwester! Inbrünstig haben wir unsere Körper entkleidet, in Überfluss, ohne Ende und ohne Sinn", heißt es in einem der Gedichte.

Zwei glückliche Jahre im Sanatorium
Die Texte verleihen alten Gerüchten neues Gewicht. Zwei Jahre, zwischen 1901 und 1903, wurde der junge Dichter im Sanatorio del Rosario behandelt, dem Krankenhaus des römisch-katholischen Ordens in Madrid. Jimenez war 20, als er in das Sanatorium kam, und er sprach später von der "glücklichsten Zeit meines Lebens".

Das Glück endete allerdings ziemlich abrupt: 1903 wurde Jimenez von der Oberin aus dem Sanatorium geworfen, und mindestens eine Schwester, Amalia Murillo, schickte sie in ein Kloster nach Barcelona.

Fantasie oder Wirklichkeit?
"Sie waren so jung wie er", zitiert der "Guardian" den Herausgeber Jose Antonio Exposito. Wie hoch der Fantasieanteil in den erotischen Gedichten ist und was tatsächlich passierte, lasse sich heute nicht mehr eindeutig sagen. "Wir können nicht genau feststellen, wie ihre Beziehung war."

"Wie sind deine Brüste?"
Fix ist, dass es in den Gedichten neben Amalia Murillo um zwei weitere junge Nonnen geht, Schwester Filomena und Schwester Pilar Ruberte. Sie wird sogar namentlich angesprochen: "Schwester Pilar, sind deine Augen noch so schwarz? Und dein Mund so frisch und rot? Und deine Brüste? Wie sind deine Brüste?"

"Diese Gedichte werden viele überraschen. Sie sind lüstern und erotisch. Das ist nicht der gewohnte Juan Ramon", sagte Exposito.

Techtelmechtel in französischer Klinik
Jimenez war seit 1900 in psychiatrischer Behandlung. Der plötzliche Tod seines Vaters hatte ihn in eine tiefe Depression gestürzt. Wegen seiner neurotischen Angst, selbst plötzlich zu sterben, sollte er sich stets in der Nähe eines Arztes aufhalten.

Das tat er ursprünglich in einer psychiatrischen Klinik in Frankreich, doch diese musste er nach einem Techtelmechtel mit der Frau des Chefarztes verlassen. Auch diese Affäre hat Jimenez in den nun veröffentlichten Gedichten verarbeitet.

Zu explizit für Ehefrau
"Libros de amor" enthält 25 bisher nicht bekannte Gedichte. Jimenez wehrte sich zu Lebzeiten gegen eine Veröffentlichung. Eigentlich wollte der Lyriker die Arbeiten schon 1913 in Druck geben, doch dann beschwerte sich seine zukünftige Ehefrau über einen früheren - und im Vergleich viel harmloseren - Gedichtband.

"Sie meinte, es wäre ein schlechtes Beispiel für die Jugend. Außerdem musste er Rücksicht auf ihre sehr konservative Mutter nehmen", erklärte Herausgeber Exposito im "Guardian".

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