Stickereien und Starallüren

Die britische Künstlerin Tracey Emin zählt zu den größten Stars bei der Biennale in Venedig.
Im Juni beginnt der Showdown der wohl wichtigsten Kunst-Events der Welt: Erstmals seit einem Jahrzehnt finden die documenta in Kassel und die Kunstbiennale in Venedig im selben Jahr statt.

Während sich der Wiener documenta-Kurator Roger M. Buergel in Agentenmanier darum bemüht, die Namen der teilnehmenden Künstler bis zuletzt unter Verschluss zu halten, setzt Venedig auf große Namen und Rekordmeldungen.

77 Länder
Auf der 52. Kunstbiennale sind so viele Länder vertreten wie nie zuvor. 77 Länder präsentieren sich in Giardini-Pavillons und in angemieteten Lokalitäten, die über die ganze Stadt verstreut sind. Unter anderem sind erstmals der Libanon und die Türkei mit dabei.

Prominenz wie der deutsche Fotograf Juergen Teller und die einst als "Schockkünstlerin" bekannte Britin Tracey Emin sollen am Canal Grande nicht nur für Qualität, sondern für ein gehöriges Maß Glamour sorgen.

Scheitern oder triumphieren
Besonders Emins Ausstellung im britischen Pavillon wird mit Spannung erwartet, gilt die 43-Jährige doch als Hauptvertreterin der umstrittenen Brit Art. Sie sorgte in der Vergangenheit mit Installationen wie "My Bed" und "Everyone I Have Ever Slept With 1963-1995" für Aufsehen.

"Die Leute, die meine Arbeit hassen, hoffen, dass ich richtig auf die Nase falle, und die Leute, die meine Arbeit lieben, wünschen sich einen echten Triumph", beschreibt die Künstlerin im Magazin "art" den Erwartungsdruck. "Damit muss ich fertig werden."

"Zu gefährlich"
Noch vor kurzem habe Emin als "zu gefährlich" fürs Kunst-Establishment gegolten, schreibt der britische "Observer", "zu laut, zu betrunken, zu selbstdarstellerisch".

Erst vor kurzem musste die für ihre Yellow-Press-tauglichen Exzesse bekannte Emin mit Vorwürfen fertig werden, am Rande einer Galeristenparty eine Frau tätlich angegriffen zu haben, die die Toilette blockierte.

Auch deshalb habe es hinter den Kulissen ein großes Tauziehen darum gegeben, ob Großbritannien Emin tatsächlich nach Venedig schicken solle, schreibt der "Observer".

"Sehr erwachsen"
Andrea Rose, die Kuratorin des britischen Pavillons, hält Emins aktuelle Arbeiten aber für "sehr erwachsen" und formal anspruchsvoll. Die Künstlerin soll mit vielen Wasserfarben arbeiten, einige kleinere Skulpturen sind ebenso zu sehen wie bestickte Decken, doch mehr Details über den Inhalt der Emin-Schau sind bis zum Start der Biennale nicht bekannt.

Das Hotel ist wichtig
Bleibt also noch ein wenig Zeit, um sich mit Emins Starallüren zu befassen. Bei ihrem ersten Venedig-Besuch habe sie mehr Zeit damit verbracht, eine geeignete Fünfsternsuite - inklusive Privatboot - auszusuchen, als mit der Begutachtung des britischen Pavillons, berichtet der "Observer".

Das traditionelle Hotel, in dem alle britischen Künstler während der Biennale untergebracht sind, lehnte Emin ab: "Die wollen dich in so ein liebliches Hotel mit Kaminecken stecken und dir erzählen, dass du die Besitzerin lieben wirst, weil sie ein Original sei. Aber ich bin hier, um zu arbeiten."

Brandl im Österreich-Pavillon
Seriöser geht es im Österreich-Pavillon zu: Herbert Brandl hat ihn als Tempel der Malerei angelegt, als farbenprächtigen Ort der Ruhe und Kontemplation am Rande eines hektischen Besucherstroms.

Deutschland setzt auf die 58-jährige Berlinerin Isa Genzken, die im Vorjahr eine große Ausstellung in der Wiener Secession bestritt. Die USA erinnern in ihrem Pavillon an den 1996 verstorbenen kubanischen Künstler Felix Gonzalez-Torres, Frankreich schickt die 1953 geborene Sophie Calle, die über 100 Frauen bat, sich mit dem Trennungsbrief eines Mannes zu befassen.

Ungarn-Videos von Fogarasi
Die Ukraine hat sieben Künstler, darunter den deutschen Fotografen Juergen Teller und die britische Medienkünstlerin Sam Taylor-Wood, eingeladen, sich mit dem Land zu befassen.

Auch Ungarn setzt auf Auslandshilfe: Der Wiener Andreas Fogarasi präsentiert eine Erweiterung seiner vor kurzem bereits in der Box der Wiener Galerie Kargl gezeigten Installation mit einer Serie von Videoarbeiten zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen in Budapest.

Erster US-Kurator
Neu ist auch der Kurator: Mit Robert Storr hat zum ersten Mal in der über hundertjährigen Geschichte des Kunst-Events ein Amerikaner die künstlerische Leitung übernommen. Er hat die 52. Kunstbiennale unter das Motto "Mit den Sinnen denken, mit dem Geist fühlen - die Kunst in der Gegenwart" gestellt.

Storr hat sich viel vorgenommen: "Jedes Werk wird für sich allein sprechen. Und gemeinsam wird die Wechselwirkung zwischen den Werken - ob diese nun harmonisch oder dissonant ist - die Aufmerksamkeit des Publikums erregen", erklärte er sein Konzept. Der renommierte Kunstexperte ist unter anderem der Direktor der Yale School of Art und beratender Kurator am Philadelphia Museum of Art.

Manager im Clinch mit Storr
Hinter den Kulissen gärt es allerdings: Biennale-Manager Renato Quaglia hat laut einer Meldung des britischen "Independent" aus Ärger über Storr das Handtuch geworfen. Er wirft ihm vor, eine Million Euro mehr als veranschlagt ausgegeben zu haben.

Dagegen verwehrt sich Storr. "Ich habe das Budget nicht überschritten. Das ist meine Welt, ich weiß, wie sie funktioniert. Herr Quaglia kennt sich im Theater gut aus, aber im Kunstbereich hat er nach meiner Erfahrung wenig Ahnung", zitiert "The Art Newspaper" den Kurator.

Kooperation mit documenta und Co.
Die Kunstbiennale strebt neuerdings auch eine verstärkte Kooperation mit Kunstschauen der europäischen Nachbarn an, darunter mit der Art Basel, mit der Ausstellung Skulptur Projekte Münster und auch mit der documenta, die am 16. Juni beginnt. Die Kunstbiennale bleibt bis zum 21. November geöffnet.

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