Verschachtelte Prismen

Daniel Libeskind hat für einen Museumsanbau in Kanada 3.500 Tonnen Stahl verbaut.
Eine spektakuläre Museumserweiterung des Stararchitekten Daniel Libeskind wird im kanadischen Toronto eröffnet. Fünf riesige, einander asymmetrisch überlagernde Formen aus Glas, Aluminium und Stahl überragen das bisherige Gebäude des Royal Ontario Museum (ROM) im klassisch-viktorianischen Stil.

Mineraliensammlung als Inspiration
Für dessen Sammlungen von Weltkulturen und Naturgeschichte wurden insgesamt 5.000 Quadratmeter mehr Fläche auf vier Stockwerken geschaffen.

Inspiration für die ungewöhnliche Form des Anbaus, die an einen Kristall erinnert, sei die Mineraliensammlung des Museums gewesen, sagte Libeskind in einem Interview mit der kanadischen Zeitung "Globe and Mail".

Technische Herausforderung
Einen ersten Preis hat der Michael Lee-Chin Crystal genannte Museumsanbau schon vor der offiziellen Eröffnung in der Tasche: Das Kanadische Institut für Stahlkonstruktionen zeichnete ihn für sein innovatives Design aus.

Tatsächlich gilt der Crystal als eines der technisch ambitioniertesten Bauprojekte in Nordamerika. In dem neuen Anbau gibt es so gut wie keine gerade Wand.

Die fünf ineinander verschachtelten Alu- und Glasprismen tragen sich selbst, und obwohl sie so wirken, als wären sie direkt an und über den alten ROM-Trakt gebaut, gibt es bis auf einige Besuchergänge keine direkte Verbindung zwischen den Gebäuden.

Fremdkörper?
Allerdings gibt es auch Kritik: Manche Architekturexperten bemängeln, der Libeskind-Entwurf wirke in Torontos Stadtlandschaft wie ein Fremdkörper, andere meinen, er nehme dem denkmalgeschützten Originalmuseum seine Qualität.

Selbst Torontos Bürgermeister scheint zu den Kritikern zu gehören: Er halte den Riesenkristall für "interessant", sagte David Miller mehrdeutig in einem Interview; er werde die Bürger wohl entzweien.

Nach Sponsor benannt
Benannt wurde der Flügel nach dem kanadischen Geschäftsmann Michael Lee-Chin, der rund 30 Millionen kanadische Dollar für den Bau gespendet hat. Insgesamt kosteten der moderne Flügel und weitere Renovierungen für das ROM rund 270 Mio. kanadische Dollar (187,2 Mio. Euro).

Das ROM in Toronto wurde 1914 gegründet und im vergangenen Jahrhundert immer wieder erweitert. Es ist Kanadas größtes Naturkundemuseum mit einer Sammlung von sechs Millionen Ausstellungsstücken aus Kunst, Archäologie und Naturwissenschaft.

Bewerbung auf Servietten
Die Libeskind-Idee hatte sich bei der internationalen Ausschreibung gegen 51 konkurrierende Entwürfe durchgesetzt. Seine Bewerbung hatte der Architekt auf elf Papierservietten von Berlin aus per Expresspost nach Kanada geschickt.

Er überzeugte mit seinen Plänen die Jury und den Museumsdirektor William Thorsell, der Libeskinds Pläne "wundervoll, amüsant, kreativ, temperamentvoll und frech" fand.

Bis zum 10. Juni können Besucher den neuen Flügel ohne Ausstellungsstücke besichtigen, ähnlich wie bei der Eröffnung von Libeskinds Jüdischem Museum in Berlin 2001.

Zahlreiche Neubauten geplant
Libeskind gehört zu den gefragtesten Architekten der Welt. Im Februar 2003 gewann er den Wettbewerb um den Wiederaufbau des World Trade Center in New York.

Geplant sind derzeit auch ein Einkaufszentrum in Bern, ein Kunstzentrum in Boston, ein Theater in Dublin, ein Universitätskomplex in London und weitere Bauten in Las Vegas, Singapur und Warschau.

"Nicht zu sehr wachsen"
"Die größte Herausforderung ist es, nicht zu sehr zu wachsen. Wir könnten morgen expandieren und doppelt so groß werden. Aber in diesem Rahmen kann ich auf jedem Level von jedem Projekt involviert bleiben. Sonst würde es auch keinen Spaß machen", so Libeskind in einem Interview. Rund 180 Angestellte arbeiten für sein Architekturbüro.

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