Bot das Leopold Museum zuletzt mit Exponaten aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza eine Art "Best of" deutscher expressionistischer Malerei, so ließ erst am 22. Mai die Albertina mit einem Dauerleihgaben-Coup aufhorchen.
Dauerleihgaben für Albertina
Die Sammlungen Batliner und Forberg werden dem Haus mit einer Serie an wichtigen Werken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, gerade auch Expressionisten, dauerhaft zu Verfügung stehen; eine wichtige Lücke in den Kunstbeständen heimischer Museen würde endlich geschlossen, lautete die Frohbotschaft.
Jetzt legt die Albertina selbst nach, indem sie eine der größten Privatsammlungen zur "Brücke"-Kunst, also der frühsten expressionistischen Bewegung in Deutschland um Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, vorstellt.
Gezeigt wird die Sammlung des Würzburger Industriellen Hermann Gerlinger, die nach der Kollektion des jüngst verstorbenen Autors Lothar Günter Buchheim die wohl größte geschlossene private Sammlung von "Brücke"-Künstlern darstellt.
Eine fast geheime Sammlung
Gerlinger ist, was die Publikmachung seiner Sammlung anlangt, ein spät Berufener. Über viele Jahre hinweg hatte er für Ausstellungen immer einzelne Exponate verliehen. Erst in den vergangenen Jahren wurde der Gang an die Öffentlichkeit mit der gesamten Sammlung gewagt.
Halle statt Würzburg
Die Zeit, die Sammlung Gerlinger in der Welt herumzuschicken, ist freilich knapp bemessen, hat sie der Sammler doch dem Mekka des deutschen Expressionismus, dem Museum auf Moritzburg in Halle an der Saale, als Dauerleihgabe versprochen.
Mit seiner Heimatstadt Würzburg ist Gerlinger auf keinen grünen Zweig gekommen - dort steht zwar jetzt ein großes neues Museum in einem ehemaligen Hafenspeicher - ein Publikumsmagnet, den Gerlingers Sammlung dargestellt hätte, fehlt aber.
Große Aufmerksamkeit fehlte
So tingelte die Sammlung eine Zeit lang mit Gastspielen durch die deutsche Provinz, wenngleich man ihr, wie im schmucken Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, den Hof machte. Dem Publikumsansturm einer Großstadt war die ausgesuchte Sammlung bisher nicht ausgesetzt.
Das sollte sich mit der Schau in der Albertina nun ändern. Gezeigt werden über 200 Exponate aus den Beständen Gerlingers, angereichert durch Leihgaben aus dem Museum Moritzburg, aber auch durch Bestände der Sammlung Ludwig des MUMOK.
Mit großer Beharrlichkeit gesammelt
Gerlingers Sammlung zeichnet sich durch eine große Geschlossenheit aus. Der Hauptfokus sind die Arbeiten von Kirchner, Bleyl, Heckel und vor allem Schmidt-Rottluff. Auch die eher lose zum "Brücke"-Verbund gehörenden Max Pechstein und Otto Müller sind in der Sammlung, die aus einer privaten Kunstleidenschaft über die Jahrzehnte zur systematischen Kollektion wurde, prominent vertreten.
Der Erwerb der Werke, vor allem jene aus Schmidt-Rottluffs Privatbesitz, war, wie Gerlinger selbst einmal erzählte, eine Frage von großer Beharrlichkeit und Fingerspitzengefühl.
Blick auf die Druckgrafik
Dass die Leidenschaft von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, grafische Sammlung hin oder her, der Malerei gilt, ist ein offenes Geheimnis. Insofern kann man mit der Sammlung Gerlinger gerade im Gemäldebereich Publikumswirksames vorweisen. Dennoch zeichnet sich die Sammlung durch ihren Bestand an Zeichnungen und Druckgrafiken aus.
Die Holzschnitte, etwa jene durch die Reduktion auf das Wesentliche teils schon ins Abstrakte übergehenden Arbeiten Schmidt-Rottluffs, sind die stillen Höhepunkte der Sammlung Gerlinger. Ihnen sollte ebenso große Aufmerksamkeit gelten wie den koloristisch forcierten Gemälden.
Blick auch auf die Zeit nach der Brücke
Gerlinger hat, anders als andere Sammler zum Expressionismus, die gesamte Schaffensperiode von Künstlern wie Heckel und Schmidt-Rottluff im Auge - also auch die Periode nach den 1920er Jahren.
Insofern lässt ein Rundgang durch seine Werkschau einen Blick auf künstlerische Entwicklungen zu, die an anderen Orten nicht so leicht möglich sind. Schröder und Gerlinger haben die Schau streng chronologisch gehängt - die Entwicklungen einer künstlerischen Gruppe (bzw. deren Auseinanderdriften) kann sichtbar werden. Im Mittelpunkt steht das Werk und weniger die Person des Künstlers.
Gerald Heidegger, ORF.at
Ausstellungshinweis
"Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger", 1. Juni bis 2. September, Albertina, Wien
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