Moskau: Reagieren auf Aufrüstung

Putin versucht erneut, Keil zwischen NATO-Partner zu treiben.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Drohung Ernst gemacht, der geplante US-Raketenschild in Osteuropa werde ein neues Wettrüsten auslösen. Nur wenige Tage vor dem G-8-Gipfel im deutschen Heiligendamm absolvierte Moskau einen offenbar erfolgreichen Test mit einer neuen Interkontinentalrakete.

Die Rakete vom Typ RS-24 kann laut russischen Angaben mehrere Atomsprengköpfe freisetzen und sei vom Gegner nur äußerst schwer abzufangen.
Am Dienstag sei die erste RS-24 vom nordrussischen Übungsgelände Plessezk abgefeuert worden und zielgenau 6.500 Kilometer östlich auf der Halbinsel Kamtschatka niedergegangen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

"Kann jede Abwehr überwinden"
Damit könne Russland im Ernstfall jede gegnerische Abwehr überwinden, wurde der für Militärfragen zuständige Vizeregierungschef Sergej Iwanow zitiert.

Putin warnt vor "Pulverfass"
Putin warnte zudem die USA davor, Europa durch die Errichtung des geplanten Raketenschildes zu einem "Pulverfass" zu machen. "Wir glauben, es ist schädlich und gefährlich, Europa in ein Pulverfass zu verwandeln und es mit neuen Waffenarten zu bestücken", sagte Putin am Dienstag in Moskau.

Der Schild schaffe ein "neues und unnützes Risiko für das System der internationalen und europäischen Beziehungen", versuchte Putin erneut, Befürworter und Gegner in Europa gegeneinander auszuspielen.

Reaktion auf US-Pläne in Osteuropa
Schon im Jänner hatte Russland gedroht, auf das US-Vorhaben in seiner Nachbarschaft mit einer Modernisierung der eigenen Atomraketen zu antworten. "Wir können eine Entwertung unseres Abschreckungspotenzials nicht hinnehmen", sagte damals der Kommandant der russischen Nuklearraketentruppe, Generaloberst Nikolai Solowzow.

Nachfolger der SS-27
Die RS-24 nutzt die Technologie des Typus Topol-M, die von der NATO SS-27 genannt wird, wie ein Sprecher der strategischen Streitkräfte der Nachrichtenagentur AFP erläuterte. Sie solle die RS-18, die im Westen unter dem alten Namen SS-19 "Stilleto" bekannt ist, und die RS-20 (SS-18 "Satan") ersetzen.

Auch Tests mit anderen Raketentypen
Ebenfalls am Dienstag begann Russland weitere Tests mit einer neuen Variante der Kurzstreckenrakete vom Typ Iskander-M. Iwanow begründete die "Anschaffung neuester Präzisionswaffen" mit dem Argument, einige Länder rüsteten gefährlich auf.

"Unsere Nachbarn im Süden und Osten statten sich mit Raketen von kurzer und mittlerer Reichweite aus. Das ist für uns eine reale Bedrohung", sagte der frühere Verteidigungsminister nach Angaben der Agentur Interfax. Iwanow ließ offen, ob er den Iran, Nordkorea oder auch China meinte.

"Verträge nicht mehr wirksam"
Die Aufrüstung vor den Grenzen Russlands zeige einmal mehr, dass der sowjetisch-amerikanische Vertrag über das Verbot der Kurz- und Mittelstreckenraketen nicht mehr wirksam sei. US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow hatten 1987 in Washington die Vernichtung aller Raketen von 500 bis 5.500 Kilometer Reichweite vereinbart.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres nannte Iwanow den Vertrag ein "Überbleibsel aus dem Kalten Krieg", das nicht ewig Bestand haben werde.

Weiter Streit über KSE-Vertrag
Zugleich bekräftigte der Vizeregierungschef die russische Haltung im Konflikt über den Abrüstungsvertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE). Die NATO-Staaten müssten endlich den Vertrag ratifizieren. Am Vortag hatte Moskau die NATO-Staaten zu einem Krisentreffen zur Rettung des KSE-Vertrags Mitte Juni in Wien aufgefordert.

Putin hatte im April damit gedroht, sich nicht mehr an den Vertrag zu halten, der Obergrenzen für schwere Waffen wie Panzer, Geschütze und Flugzeuge vorsieht.

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