"Ich bereue nichts"

Sie hassten und sie liebten sich: Alain Delon und Romy Schneider.
58 Filme hat Romy Schneider bei ihrem Tod vor genau 25 Jahren hinterlassen. Die wildesten und traurigsten Geschichten aber schrieb ihr Leben.

Der Höhenflug, die Verzweiflung, all die Widersprüche in der Persönlichkeit der reizvollen Mimin lassen sich anhand ihrer wechselhaften Beziehung zum "Lebensmenschen" Alain Delon nachzeichnen.

Die Entmystifizierung eines Mythos
Anlass dazu gibt der soeben erschienene umfassende Bildband "Romy Schneider. Ihre Filme. Ihr Leben. Ihre Seele." von Johannes Thiele (Christian Brandstätter Verlag). Eingefleischten Romy-Schneider-Fans werden neue Fakten und bisher unveröffentlichte Bilder fehlen.

Für alle anderen jedoch erklärt sich der Mythos Romy in zahlreichen Zitaten und Fotografien, ohne die Faszination der unglücklichen Diva zu zerstören. Die Informationen, Zitate und Bilder im Folgenden sind zum überwiegenden Teil dem 320-seitigen, großformatigen Monumentalwerk entnommen.

Auf der Flucht vor "Sissi"
Die damals zwanzigjährige Romy Schneider lernte Alain Delon 1958 in Paris bei den Dreharbeiten zum Film "Christine" kennen. Sie befand sich zu dieser Zeit bereits auf der Flucht vor dem ungeliebten "Sissi"-Image.

Frankreich verhieß ihr Befreiung. An der Gangway holte sie der (nicht nur für sie) völlig unbekannte Filmpartner mit Blumen ab. Die beiden waren sich vom ersten Moment an - unsympathisch.

"Nichts weiter, kein Liebesblitz"
Schneider sollte später erzählen: "Unten vor der Rolltreppe stand ein zu schöner, zu wohlfrisierter, zu junger Bursche, ganz als Gentleman verkleidet, mit Schlips und Kragen und einem übertrieben modischen Anzug: Alain Delon. Der Strauß roter Rosen in seiner Hand war auch zu rot. Ich fand das Ganze geschmacklos und den Knaben uninteressant."

Auch Delon fand Schneider "zum Kotzen". Er fügte in einem aufgezeichneten Gespräch mit Schneider hinzu: "Du hast zu deiner Mutter gesagt: 'Wer ist dieser Junge?' Sie antwortete: 'Das muss Alain Delon sein, dein Partner ...' Nichts weiter, kein Liebesblitz aus heiterem Himmel, nein."

©Bild: IMAGNO/Roger-Viollet
©Bild: IMAGNO/Roger-Viollet
"Eine große Liebe"
Gegen Ende der Dreharbeiten blitzte es doch: "Ich war neunzehn Jahre alt, ich setzte zum ersten Mal meinen Fuß auf Pariser Pflaster und ich wollte eine große Liebe zu jemandem erleben, den ich anbetete. Für mich war Paris zuerst Alain Delon."

Die beiden bezogen Delons Haus in der Avenue Messine. An eine Ehe war nicht gedacht: "Er war mein Mann, ich war seine Frau, wir brauchten keine Papiere." Dennoch folgte medienwirksam die Verlobung am Luganer See.

"Diesmal war es Leidenschaft"
Schneider brach alle Brücken zu ihrer Vergangenheit ab, sie befreite sich vom alles bestimmenden Einfluss ihrer Mutter Magda Schneider: "Diesmal war es wirklich Leidenschaft, und ich bereue nichts. Ich tat es, um bei dem Mann zu sein, den ich liebte und vergötterte."

©Bild: IMAGNO/Ullstein
©Bild: IMAGNO/Ullstein
Jetzt war sie ganz in Frankreich angekommen: "Ich fühle französisch, so wie ich lebe, wie ich liebe, wie ich mich kleide, wie ich schlafe, wie ich zu der Frau wurde, die ich jetzt bin."

"Ich war eifersüchtig"
Aber noch stand sie zwischen zwei Welten - der bürgerlichen, deutschen ihrer Familie und dem intellektuellen Glamour in Frankreich. Schneider musste noch einige ungeliebte, aber bereits zugesagte Filmrollen in Deutschland spielen.

Und dann - kam lange nichts. Während Delon von Film zu Film weitergereicht wurde und immer mehr zum Liebling des französischen Kinos avancierte, wartete Schneider auf gute Angebote.

Und wartete: "Ich war deprimiert. Gereizt reagierte ich auf jede neue Erfolgsnachricht, auf jede Mitteilung über einen schönen Vertrag, den Alain erhielt. Ich war eine Schauspielerin und wollte arbeiten. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich eifersüchtig auf den Erfolg."

"Sie brachte mich aus der Fassung"
Der Liebe tat das zunächst keinen Abbruch. Schneider sagte später über Delon: "Er war ausschlaggebend für mein ganzes Leben. Er gab meinem Leben eine neue Richtung."

Delon: "Sie hat mich mit ihrer Reinheit erobert. Romy ist unschuldig auch angesichts der schlechtesten Dinge, das ist eine ganz außergewöhnliche - so verfängliche wie überwältigende - Eigenschaft, die mich nach und nach aus der Fassung gebracht hat."

Doch die Beziehung bekam erste Risse. Delon, hieß es, sei "nicht ein Mann für nur eine Frau". Es gab oft Streit. Romy blieb dennoch, sie sagte sich: "Lieber eine unglückliche Leidenschaft erleben als im Glück schnarchen."

"Die Königin von Paris"
Dann kam die große Wende für Romy Schneider in Franreich. Bei einem Dreh von Delon lernte sie den Regisseur Luchino Visconti kennen. Zunächst verhielt er sich reserviert ihr gegenüber - weil auch er ein Auge auf Delon geworfen hatte.

Doch schließlich kam man sich näher. Visconti besetzte sie 1961 im Theaterstück "Schade, dass sie eine Dirne ist" für die Hauptrolle an der Seite von Delon. Bei der Premiere saßen Ingrid Bergman, Jean Cocteau und Shirley MacLaine im Publikum.

Entsprechend nervös war Schneider, doch dann fuhr sie überwältigenden Applaus ein. Delon umarmte in der Garderobe - ganz unüblich - ihre Mutter: "Heute ist sie die Königin von Paris - meine Königin!"

©Bild: IMAGNO/Ullstein
©Bild: IMAGNO/Ullstein
"Nicht nackt" ohne Gewand
Ihr erster Film mit Visconti, "Boccaccio 70", war ebenfalls erfolgreich - nicht zuletzt auf Grund der ersten Nacktszene Romy Schneiders. "Ich habe mich nicht nackt gefühlt. Ich hatte nie vorher so etwas getan. Aber manchmal muss man es tun, wenn die Szene es verlangt und wenn man mit einem so guten Regisseur wie Visconti zusammenarbeitet", sagte sie hinterher.

Der Anfang vom Absturz
Durch ihre Zusammenarbeit mit Visconti entwickelte sich Schneider weiter und konnte "Sissi" endlich hinter sich lassen. "Ich habe das Gefühl, dass von Film zu Film immer mehr von meinem eigentlichen Ich zum Vorschein kommt."

Erotisch, tiefgründig, mitunter aber auch komisch - Schneider spielte alles. Mehr und mehr begannen die Franzosen, Romy zu lieben. Noch viele Jahre nach ihrem Tod wurde sie 1999 von der "Grande Nation" zur größten Schaupielerin des 20. Jahrhunderts gewählt.

©Bild: IMAGNO/Interfoto
©Bild: IMAGNO/Interfoto
Von Paris bis Hollywood
Auch ihre internationale Karriere setzte ein: Mit Filmen wie Orson Welles' "Der Prozess" (1962, nach Kafka) setzte Romy sich weltweit als seriöse Schauspielerin durch. Im Eiltempo drehte sie Streifen zwischen Paris, London, New York und Hollywood.

Doch ihr Leben wurde zusehends unüberschaubar. Schneider war rastlos, sie trank zu diesem Zeitpunkt viel und häufig und führte, wie es im Bildband heißt, "ein ausschweifendes Boheme-Leben".

©Bild: IMAGNO/Interfoto
©Bild: IMAGNO/Interfoto
"Ich verzieh ihm immer wieder"
Die Beziehung mit Delon litt darunter und immer öfter wurde über Seitensprünge von Frankreichs Beau Nummer eins berichtet. Schneider zog dennoch keinen Schlussstrich:

"Manchmal spürte ich voller Verzweiflung, dass unsere Beziehung in Quälerei ausartete, und dann wollte ich Schluss machen. Ich konnte es nicht. Wenn Alain von einer Reise zurückkam, stand ich doch wieder am Flughafen und erwartete ihn. Gut, ich war schwach, ich liebte ihn, und ich verzieh ihm immer wieder."

Eine Trennung wie per SMS
Dann folgte der Herbst 1963: Zeitungen veröffentlichten Fotos von Delon mit der Schauspielerin Nathalie Barthelemy.

Als Romy von Dreharbeiten aus den USA zurückkehrte, war ihr Verlobter mit der Geliebten nach Mexiko abgereist und hatte ihr nur eine kurze Notiz hinterlassen - mehr dazu in "Je t'aime, mein Püppchen".

Buchhinweis
Johannes Thiele: Romy. Ihre Filme. Ihr Leben. Ihre Seele, Christian Brandstätter Verlag, 320 Seiten, 49,90 Euro.

Link: