ÖVP-Wirtschaftssprecher Reinhold Mitterlehner wurde parteiintern auch am Freitag wieder heftig geprügelt. Er hatte am Dienstag seine Partei für ein fremdenfeindliches Klima verantwortlich gemacht, in dem dringend benötigte ausländische Fachkräfte nicht nach Österreich kommen wollten.
Missethon vs. Mitterlehner
Mitterlehner war offenbar der Kragen geplatzt, als ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon vergangene Woche einen sofortigen Zuwanderungsstopp in Wien forderte und mit der Befürchtung begründete, dass "wir irgendwann türkisch sein werden".
Die Sympathien im ÖVP-Infight um die Ausländer liegen eindeutig bei Missethon. Nachdem Innenminister Günther Platter (ÖVP) Mitterlehner unverzüglich eine Abfuhr erteilt hatte - "Die Quote bleibt, wie sie ist" -, legen andere prominente Parteimitglieder nun nach.
"Entbehrliche Aussagen"
ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon bezeichnete die Kritik Mitterlehners als "entbehrlich". Im Ö1-Morgenjournal sagte der ÖAAB-Generalsekretär, es gebe kein EU-Land, das so viele Menschen aufgenommen habe wie Österreich: "Also woher da eine Fremdenfeindlichkeit herrühren soll, ist mir nicht erklärlich."
Was den beklagten Facharbeitermangel angeht, spielt Amon den Ball zurück an die Wirtschaft. Die Unternehmen müssten eben selbst verstärkt Fachkräfte ausbilden, meint er - mehr dazu in oe1.ORF.at.
"Probleme in der Aufnahmefähigkeit"
Der Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) schlägt in dieselbe Kerbe: "Wir können nicht bei jedem Konjunkturaufschwung große Mengen von Arbeitskräften aufnehmen, um anschließend festzustellen, dass gewisse Probleme in der Aufnahmefähigkeit bestehen."
Dass im Technikbereich nur schwer Facharbeiter zu finden seien, sei ein weltweites Problem. Einen Zusammenhang mit der Integrationspolitik der Regierung sieht Sausgruber nicht - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Strasser: "Er kennt sich nicht aus"
Und in der "Presse" (Freitag-Ausgabe) schimpft der für seine harte Linie in der Ausländerfrage bekannte Ex-Innenminister Ernst Strasser: "Mitterlehner kennt sich anscheinend nicht aus. Niemand in der Politik hat etwas dagegen, Hochqualifizierte ins Land zu holen. Das Problem sind die Minderqualifizierten und da vor allem der Familiennachzug."
Diese seien zu einem großen Teil einfach nicht integrationswillig. Höher Qualifizierte hätten heutzutage in Österreich überhaupt kein Problem, Arbeit zu finden. "Und nur die sollten wir auch in unser Haus lassen."
"Wiener Zeitung": "Fehlende Klugheit"
Andreas Unterberger beklagt in der "Wiener Zeitung" (Freitag-Ausgabe) Mitterlehners "fehlende Klugheit": "Wer eine angebliche Ausländerfeindlichkeit attackiert, weil es an qualifizierten Arbeitskräften fehlt, übersieht viel. (...) Dass es weltweit nur wenige wirklich qualifizierte Migranten gibt (und die gehen lieber in Länder mit der Weltsprache Nummer eins). Oder dass viele Defizite hausgemacht sind: bei der Lehrlingsausbildung oder bei der Förderung von Familien und Kindern."
Munition für Neuwahlen im Herbst?
Glaubt man Oe24.at, rüstet sich die ÖVP bereits für einen Wahlkampf im Herbst - in diesem Fall könnte ihr das Ausländerthema sogar gelegen kommen. Missethon wird mit der Aussage zitiert: "Wir fürchten uns nicht vor Neuwahlen."
Leite die SPÖ im Sommer den Ausstieg aus dem Kaufvertrag für die Eurofighter ein, strebe die Volkspartei Neuwahlen an, berichtet "Österreich", das sich auf einen anonymen Informanten beruft.
Die SPÖ warnt den Koalitionspartner in einer ersten Reaktion davor, Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Das würde "wirklich niemand verstehen", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina in einer Aussendung.
TV-Hinweis
In "Im Zentrum" debattieren am Sonntag um 21.55 Uhr in ORF2 zur Frage "Wie viele Ausländer braucht Österreich" Reinhold Mitterlehner, Hannes Missethon, WIFO-Chef Karl Aiginger, der Direktor der AK Wien, Werner Muhm, die SPÖ-Vizebürgermeisterin von Wien, Renate Brauner, und Hans Kaiser, Vizerektor der TU Wien.
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