Charlotte im Schoko-Himmel

Süße Kino-Versuchung: Michael Hofmanns neuer Film "Eden".
Angesichts der Flut der Kochsendungen im deutschsprachigen TV war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis das stets wachsende Gourmet-Publikum auch im Kino bedient werden würde.

Der deutsche Regisseur Michael Hofmann legt mit seinem Film "Eden" jetzt eine Mischung aus romantischer Komödie, Lifestyle-Kochen a la Kerner und Kulinarik-Kino von "Das große Fressen" bis "Tampopo" vor.

An einigen Stellen allerdings ist die Mascarponecreme auf nackter Haut ziemlich dick aufgetragen. Das kulinarische Sinnspiel ist ab 4. Mai in den Kinos zu sehen.

Der Traum vom großen Bauch
Für Meisterkoch Gregor ist Kochen "die älteste Kunstgattung, älter als die Höhlenmalerei". Er betreibt in einem unhip gewordenen Kurort im Schwarzwald ein Spitzenrestaurant, eine Wallfahrtsstätte der Feinschmeckerei, bei der man Monate auf eine Reservierung warten muss.

Und er hat sich einen weiteren Lebenstraum erfüllt: "Ich habe nie gevöllt. Genuss entsteht nur aus Mangel, aber ich wollte schon immer einen Bauch haben. Meine Mutter hatte einen wunderschönen Bauch, als sie meine Schwester austrug, und ich schwor mir: Wenn ich einmal groß bin, möchte ich einen solchen großen, warmen, weichen und festen Bauch haben."

Die Erfüllung seines Wunsches ist gleichzeitig der Fluch seines Lebens, denn seine Leibesfülle scheint ihn zur sexuellen Abstinenz zu verdammen. Mit seiner "Cucina erotica" treibt Gregor seine Gäste auf den Genussgipfel, aber ihm bleiben die Freuden körperlicher Liebe versagt.

Die Macht der Praline
Auch die Kellnerin Eden verfällt ausschließlich seinen kulinarischen Künsten. Der orale Sinnenrausch reißt sie aus ihrem sexuell verödeten Eheleben.

"Du kannst dir nicht vorstellen, was diese Praline mit mir gemacht hat. Sie hat mich einfach überwältigt", berichtet sie ihrem gelangweilten Ehemann Xaver über eine von Gregors Kreationen. "Dieser dicke Koch ist ein Genie. Ich hab' schon davon geträumt, mir eine Praline im Mund zergehen zu lassen und gleichzeitig mit dir zu schlafen. Das wäre wie ein doppelter Orgasmus."

Mutter und Tochter verzaubert
Xaver sieht die kulinarischen Geheimtreffen zwischen Eden und Gregor, die nicht lang geheim bleiben, mit Argusaugen. Er befürchtet, seine ganze Familie an den dickleibigen Genussmenschen zu verlieren, denn auch die behinderte Tochter Leonie befindet sich nach dem Genuss der selbst gebackenen Geburtstagstorte im Schokoladehimmel.

Für Gregor wird Eden zur persönlichen Muse. Gern schaut man dem Maitre dabei zu, wie er kunstvoll den Fisch filetiert, Sauce passiert, blickt ihm über die Schulter in brodelnde Töpfe. Eden genießt - sogar so ungewöhnliche Gerichte wie Stierhoden -, und die Kamera klebt an ihren fettglänzenden Lippen.

Deja-vu
Wie immer in diesen Geschichten, in denen die Plots aus der Küche kommen, ist der Herd ein romantisch verklärter Ort. Das Essen ist ästhetisch überhöht, und das Ganze gipfelt - wie meistens, wenn es um die sexuell anregende Wirkung von Speisen geht - in einem Akt, in dem er ihr etwas vom nackten Körper schlabbern darf.

Spätestens an der Stelle, an der Ehemann Xaver, leidenschaftlich neu entflammt, das Mascarponecreme-Dessert von Edens Körper schleckt, fühlt sich der Zuschauer an den 80er-Jahre-Aufreger "9 1/2 Wochen" erinnert und sehnt sich nach neuen Ideen.

Roches Kinodebüt
Zum Glück bricht der ehemalige Werbefilmer Hofmann am Ende mit dem eher gemächlichen Tempo des Films und holt zu einem flotten Schluss aus. Auch die Schauspieler machen "Eden" sehenswert. Der Bühnenschauspieler Josef Ostendorf - er arbeitet oft mit dem Schweizer Starregisseur Christoph Marthaler zusammen - mimt den exzentrischen Meisterkoch überzeugend.

Für Charlotte Roche ist es der erste Auftritt auf der Kinoleinwand. Die TV-Moderatorin wirkt bisweilen etwas bemüht. Es gelingt ihr allerdings, deutlich zu machen, wie die platonische Liaison der beiden Helden wohl einen für alle befriedigenden Ausgang finden könnte.

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