Gaudi soll selig gesprochen werden

Vom verkannten Genie zum Liebling des Vatikans.
Der katalanische Architekt Antoni Gaudi (1852-1926) könnte demnächst vom Vatikan selig gesprochen werden. Die vatikanische Heiligsprechungskongregation leitete den Seligsprechungsprozess vor vier Jahren ein, nachdem der ehemalige Erzbischof von Barcelona, Kardinal Ricardo Maria Carles, ein etwa 1.000-seitiges Dossier über Gaudi abgegeben hatte.

Baldiger Abschluss?
Der Verein für die Seligsprechung von Gaudi, der inzwischen rund 80.000 Mitglieder weltweit hat, rechnet damit, dass das Verfahren bald positiv abgeschlossen werden wird.

Carles betonte damals, die Kirche wolle mit dem Verfahren dem Wunsch zahlreicher Katholiken entsprechen, die in dem Katalanen nicht nur einen hervorragenden Architekten, sondern auch einen beispielhaften Christen sehen. Gaudi verstand seine an der Natur orientierte Arbeit auch immer als Weg, um Gott näher zu sein.

Neu entdeckt
Spätestens seit dem Gedenkjahr anlässlich Gaudis 150. Geburtstags 2002 wird der lange Zeit verkannte Architekt als ein Universalgenie und Volksheiliger verehrt. Zu seinen Werken strömen keineswegs nur ausländische Touristen, auch die Katalanen selbst scheinen den Architekten zu entdecken, von dem sie lange Zeit kaum etwas wissen wollten.

"Steinhaufen" in der Planstadt
Das Gebäude Casa Mila, heute eines der Schmuckstücke Barcelonas, löste zu Lebzeiten Gaudis einen Skandal aus. Mit seiner sanft geschwungenen Fassade schien es nicht richtig in den quadratisch angelegten neuen Stadtteil Eixample zu passen.

Die Bewohner verspotteten das Gebäude als "Zeppelin-Garage" und "Dinosaurier-Höhle" und verpassten ihm den Spitznamen "La Pedrera" (Steinhaufen). Andere Werke des Architekten wären beinahe von übereifrigen Beamten abgerissen worden, weil sie nicht ganz zu den Bauvorschriften passen wollten.

Fließende Formen
Gaudi war der wichtigste Vertreter des Modernisme. Diese Stilrichtung bildete in der Kunst und Architektur Kataloniens das Pendant zum deutschen Jugendstil und zur französischen Art Nouveau.

Die Bauwerke zeichnen sich durch eine unverwechselbare Linienführung aus. Sie weisen wenige Ecken und Kanten auf, dafür runde und fließende Formen. Die Linien scheinen der Welt schlingernder Pflanzen entnommen zu sein. Diese Anlehnung an die Natur brachte Gaudi den Ruf ein, der erste "Öko-Architekt" gewesen zu sein.

Gaudi, der Eigenbrötler
Mit seinem Hang zu Experimenten und grellen Farben war der 1852 in Reus bei Tarragona geborene Gaudi ein Anarchist der Baukunst. Als Mensch blieb er stets ein Rätsel. Je mehr Biografien über ihn herausgegeben werden, desto weniger scheint man aus dem Eigenbrötler schlau zu werden.

Der Architekt verabscheute Frauen und brüskierte die Mitmenschen mit seiner oft ruppigen Art. Je älter er wurde, desto mehr zog er sich in Einsamkeit und Askese zurück. Zuletzt lebte er nur noch für den Bau der Sagrada Familia und wohnte auch auf der Baustelle. Er verließ den Kirchenbau nur, um zum Gottesdienst zu gehen.

Tragischer Tod
Dabei wurde er eines Tages, am 7. Juni 1926, von einer Straßenbahn angefahren. Niemand machte Anstalten, dem Verletzten zu helfen. Die Passanten hielten ihn für einen Bettler, denn Gaudi trug zerschlissene Kleidung.

Der Straßenbahnfahrer setzte ungerührt seine Fahrt fort. Der Baumeister starb drei Tage später in einem Armenkrankenhaus. Sein Grab befindet sich in der Krypta der Sagrada Familia.

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