Generalbundesanwältin Monika Harms gab am Mittwoch in Karlsruhe bekannt, dass ihre Behörde gegen das frühere RAF-Mitglied Stefan Wisniewski ein Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts eingeleitet habe.
Gegen ihn bestehe ein Anfangsverdacht, jedoch kein dringender Tatverdacht, sagte der Abteilungsleiter Terrorismus in der Bundesanwaltschaft, Rainer Griesbaum.
Neue Aussagen aus RAF-Kreis
Ausgangspunkt sind Aussagen des früheren RAF-Mitglieds Peter-Jürgen Boock, nach dem Wisniewski die tödlichen Schüsse auf Buback und dessen Begleiter im April 1977 abgegeben habe.
Auch das frühere RAF-Mitglied Verena Becker soll dem Verfassungsschutz in den 80er Jahren erklärt haben, ihr Ex-Kampfgenosse Wisniewski sei der Todesschütze beim Buback-Attentat gewesen.
Wisniewski war wegen anderer Taten der RAF langjährig im Gefängnis gesessen, wurde aber nicht wegen des Buback-Attentats verurteilt.
Keine Folgen für Klar
Harms betonte, durch die neuen Erkenntnisse ergebe sich keine Auswirkung auf die Urteile gegen die früheren RAF-Mitglieder Christian Klar und Knut Folkerts, die wegen Beteiligung an den Morden zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.
Die Mittäterschaft und damit die gerechtfertigte Verurteilung der beiden sei nach gegenwärtigen Erkenntnissen nicht in Frage gestellt, selbst wenn sie nicht die Todesschützen gewesen seien, sagte Harms.
Wie der Stein ins Rollen kam
Ausgelöst hatte die jüngste RAF-Debatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" das über die beiden Zeugenaussagen von Becker und Boock berichtete, wonach der bisher im Fall Buback unbescholtene Wisniewski 1977 die Schüsse abgegeben habe.
Wer geschossen hatte, war nie restlos aufgeklärt worden. Zu der Tat hatte sich ein gesichtsloses "Kommando Ulrike Meinhof" bekannt.
Das erste Opfer im "Terrorjahr"
Dem Kommando wurden auch Brigitte Mohnhaupt, Klar und Folkerts zugerechnet, die unter anderem wegen gemeinschaftlichen Mordes in diesem Fall zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Die Richter gingen damals auch von einer Mittäterschaft von Günter Sonnenberg aus. Buback war das erste RAF-Opfer im "Terrorjahr" 1977.
Behielten Behörden Wissen für sich?
Nach Informationen des "Spiegels" verriet Becker dem Verfassungsschutz bereits Anfang der 80er Jahre dem Verfassungsschutz, dass Wisniewski vom Soziussitz eines Motorrads die tödlichen Schüsse auf Buback abgegeben haben soll.
Zweiter Zeuge bestätigt Aussagen
Boock bestätigte nun gegenüber dem "Spiegel" in der Debatte über die Begnadigung Klars die jahrealte Darstellung Beckers im Wesentlichen. Nach seinen Kenntnissen habe Wisniewski geschossen, Sonnenberg habe das Motorrad gelenkt. Über die Tatbeteiligung Klars sei er nicht informiert.
Laut dem "Spiegel"-Bericht gaben Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt (BKA) die neuen Informationen jedoch nicht an die Justiz weiter. Der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Richard Meier, widersprach der Darstellung am Montag energisch, die Kölner Behörde habe Anfang der 80er Jahre Informationen verschwiegen.
War Regierung doch informiert?
Am Mittwoch berichtete die Online-Ausgabe des "Spiegels", die Regierung sei bereits 1982 vom Verfassungsschutz über die Aussage Beckers zum Ablauf des Buback-Mordes informiert worden. Auch Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt hätten bereits zu diesem Zeitpunkt Bescheid gewusst.
Einer der Härtesten
Wisniewski, der als einer der härtesten RAF-Terroristen galt, wurde 1981 unter anderem wegen der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer zu zwei Mal lebenslang verurteilt und kam 1999 frei.
"Informationen waren nicht bekannt"
Mit den jüngsten Enthüllungen werden bisherige Annahmen, auf denen Urteile gegen Wisniewski, Klar und Folkerts beruhten, in Frage gestellt.
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