Knapp acht Jahre an der Staatsspitze

In den letzten Jahren seiner Amtszeit mehrte sich die Kritik an Jelzin.
Der ehemalige russische Präsident Boris Jelzin ist tot. Er starb an Herzversagen, wie der Leiter des medizinischen Dienstes des Kreml der Nachrichtenagentur Interfax mitteilte. Der 76-jährige Jelzin hatte in den 90er Jahren mehrere Bypässe erhalten.

Jelzin, dessen Karriere als KPdSU-Funktionär in der Sowjetunion begann, war nach deren Zerfall 1991 erster Präsident der unabhängigen Russischen Föderation. Ende 1999 trat er nach mehreren Herzanfällen und hartnäckigen Gerüchten über eine Alkoholkrankheit sein Amt an seinen gewählten Nachfolger Wladimir Putin ab.

Rückzug aus der Öffentlichkeit
Jelzin wird am Mittwoch in Moskau beigesetzt. Der Trauergottesdienst werde in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau stattfinden, teilte der Kreml mit. Anschließend solle Jelzin auf dem Neujungfrauen-Friedhof im Süden der Hauptstadt seine letzte Ruhe finden.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Jelzin in seiner Residenz in einem noblen Moskauer Wohnviertel, in der Öffentlichkeit zeigte er sich nur noch selten - so an seinem 75. Geburtstag im vergangenen Jahr: An der Gala im Kreml zu seinen Ehren hatten auch der deutsche Altbundeskanzler Helmut Kohl und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton teilgenommen.

"Zar Boris" als "Stehaufmännchen"
An Beinamen hat es Jelzin nie gemangelt: Dank seines entschlossenen Vorgehens gegen die Altkommunisten nannte man ihn Anfang der 90er Jahre bewundernd den "Löwen". Als sich sein Führungsstil langsam, aber sicher von jenem eines mutigen Reformers in den eines dogmatischen, kaum Widerspruch duldenden Staatsoberhauptes änderte, war immer öfter von "Zar Boris" die Rede.

Das Magazin "Itogi" beschrieb ihn einmal gar als "Autokraten in bester russischer Tradition". Als stets passend galt für den zuletzt gesundheitlich schwer angeschlagenen Jelzin die Bezeichnung "Stehaufmännchen". Doch auch dieses Prädikat hatte angesichts seines Rücktritts zum Millennium ausgedient.

©Bild: APA
©Bild: APA
Von Gorbatschow nach Moskau geholt
Seine politische Laufbahn begann der am 1. Februar 1931 in einem Dorf bei Swerdlowsk geborene Boris Nikolajewitsch Jelzin 1961 mit seinem Eintritt in die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU).

1968 war der studierte Bauingenieur bereits Erster Parteisekretär in Swerdlowsk (heute Jekaterinburg), 1985 rief ihn Michail Gorbatschow nach Moskau. Nachdem er sich auf die Seite der radikalen Reformer geschlagen hatte, wurde Jelzin im Februar 1988 aus dem Politbüro ausgeschlossen.

©Bild: Reuters
©Bild: Reuters
Putschversuch vereitelt
Im Juni 1991 wurde Jelzin zum russischen Präsidenten gewählt. Im August desselben Jahres vereitelte er einen Putschversuch der Altkommunisten gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Gorbatschow - Jelzins Rede von einem Panzer der Roten Armee in den Straßen Moskaus ist legendär -, um anschließend den Zusammenbruch der Sowjetunion voranzutreiben.

Mit der Auflösung der Sowjetunion und der Demontage Gorbatschows befand sich Jelzin auf der Höhe seiner Macht.

Krise statt Reformen
Statt gelungener Reformen und wirtschaftlichen Aufschwungs folgte jedoch eine Krise nach der anderen.

1993 löste Jelzin das oppositionelle Parlament gewaltsam auf und setzte eine Verfassung durch, die dem Präsidenten enorme Machtfülle gewährt. 1996 wurde der Präsident dank eines von den Wirtschaftsbossen des Landes durchorganisierten und gesponserten Wahlkampfes wieder gewählt.

Von Korruptionsskandalen belastet
Längst war der Präsident aber nicht mehr unumstritten, und längst dachte man laut darüber nach, wer eigentlich die Entscheidungen im Kreml trifft. Zudem mehrten sich die Stimmen, die zur Aufklärung jener Korruptionsskandale aufriefen, in die der Kreml und die "Familie" um Jelzin verwickelt sein sollten.

Eine besondere Rolle spielte auf jeden Fall Jelzins Tochter Tatjana Djatschenko, die seit Juni 1997 offiziell als "Beraterin des Präsidenten" fungierte. Zudem war Jelzin schon während seiner Amtszeit immer wieder ein Hang zum häufigen Alkoholkonsum nachgesagt worden.

Ministerpräsidenten am laufenden Band
In den letzten Jahren als Präsident verblüffte der gesundheitlich angeschlagene Jelzin - er musste sich unter anderem einer Bypass-Operation unterziehen - vor allem mit unkonventioneller Personalpolitik: Binnen weniger Monate ernannte er mehrere Ministerpräsidenten, um sie nach kurzer Zeit wieder zu ersetzen.

©Bild: APA
©Bild: APA
Putin als Nachfolger erkoren
1999 scheiterte die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Jelzin in der Duma kläglich. Am 9. August 1999 setzte Jelzin den nächsten und offenbar entscheidenden Schritt: Unmittelbar nach der Gründung des Bündnisses "Vaterland-Ganz Russland" feuerte er auch Ministerpräsident Sergej Stepaschin.

Zum Nachfolger ernannte er den Chef des Inlandsgeheimdienstes (FSB), Putin, den die Duma mit großer Mehrheit bestätigte. Am 31. Dezember 1999 trat Jelzin knapp ein halbes Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit zurück. Seine Ära war abgelaufen, eine neue begann: Putin übernahm als amtierender Präsident seine Geschäfte.

Links: