Die meisten halten sich an den Schweigekodex der längst aufgelösten Terrorgruppe. Doch nun hat die Diskussion über die Begnadigung des Ex-Terroristen Christian Klar eine Information an die Öffentlichkeit gespült, nach der - falls sie zutrifft - die Geschichte des Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback neu geschrieben werden muss.
Klars Beteiligung unklar
Danach soll Stefan Wisniewski der Mann sein, der Buback in der Früh des 7. April 1977 vom Beifahrersitz eines Motorrads aus erschoss. Das berichtet der "Spiegel" und stützt sich dabei vor allem auf die Aussage von Peter-Jürgen Boock.
Der Ex-Terrorist hat, wie er nun einräumt, vor kurzem Michael Buback darüber informiert, wer an der Ermordung seines Vaters beteiligt gewesen sein soll: "Dass nach meinem Wissen zwei Leute zum Kommando gehörten, nämlich Günter Sonnenberg und Stefan Wisniewski" - wobei Boock Klars Beteiligung nicht in Abrede stellt.
Kleine Sensation
Für die Aufarbeitung der RAF-Historie wäre das eine kleine Sensation. Zwar war bisher offen, wer letztlich die tödlichen Schüsse auf Buback und seine beiden Begleiter abfeuerte.
Doch nach den Urteilen des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart kamen nur drei Namen in Betracht: Knut Folkerts, Christian Klar und Günter Sonnenberg, die drei Freunde aus Karlsruher WG-Zeiten.
Rollenverteilung juristisch irrelevant
Zwar hielt die Bundesanwaltschaft Sonnenberg schon damals für den Motorradlenker, Klar für den Fahrer des Fluchtwagens und Folkerts für den Schützen.
Doch weil die genaue Rollenverteilung juristisch irrelevant ist - Folkerts und Klar wurden 1980 und 1985 wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilt -, bleibt sie im Urteil offen: "Vom Angeklagten Klar steht fest, dass er entweder Lenker oder Soziusfahrer des Motorrads war oder mit dem Alfa Romeo wartete", resümierte das OLG lapidar.
Zentrale Figur der RAF
Für Boocks Version könnte sprechen, dass der 1999 freigelassene Wisniewski damals eine zentrale Figur in der zweiten Generation der RAF war.
Bei der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 fungierte er als operativer Leiter. Wisniewski stoppte damals in Köln mit einem Auto Schleyers Wagenkolonne, hielt den entführten Arbeitgeberpräsidenten anschließend im Kofferraum mit einer Pistole in Schach.
Neues Licht auch auf Schleyer-Mord?
Und als Schleyer im Oktober mit drei Schüssen in den Kopf "hingerichtet" wurde, soll Wisniewski dabei gewesen sein. Auch hier will Boock übrigens den Todesschützen kennen, einen Namen hat er aber bisher nicht genannt.
Vor allem konnte Wisniewski mit Waffen wie der beim Buback-Mord benutzten Heckler & Koch HK 43 umgehen - er hatte in einem Palästinenserlager im Jemen den Guerillakrieg trainiert.
Glaubhafte Zeugin
Und dass die Ex-Terroristin Verena Becker ihn laut "Spiegel" als Buback-Mörder identifiziert haben soll, klingt ebenfalls plausibel: Sie wurde vier Wochen nach der Tat zusammen mit Sonnenberg festgenommen, mit der Tatwaffe im Gepäck - sie müsste also die Namen der Täter kennen.
Wäre es so, dann hätte das wohl auch juristische Folgen: Gegen Wisniewski könnte ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, auch wenn es nicht zwingend zum neuen Prozess kommen müsste - der 54- Jährige hat bereits 20 Jahre Haft abgesessen.
Folkerts schwieg hartnäckig
Und im Fall Folkerts, der in seinem Prozess damals hartnäckig geschwiegen hatte, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens denkbar. Unschuldig war der 1995 entlassene Ex-Terrorist aber ohnehin nicht im Gefängnis: Er war auch wegen des Überfalls auf einen Waffenhändler zu lebenslang verurteilt worden.
Bisher nicht verbüßt hat er zudem eine 20-jährige Haftstrafe der niederländischen Justiz wegen Mordes an einem Polizisten.
Opfer einer Verwechslung?
Dennoch stellt sich die Frage: Wurde Folkerts wirklich Opfer einer Verwechslung? Ein einstiger Ermittler hält das heute für nicht völlig ausgeschlossen, weil einander Wisniewski und Folkerts vom Typ her ähnlich seien.
Allerdings hatten damals zahlreiche Zeugen Folkerts eindeutig identifiziert, als er mit Klar und Sonnenberg in dem späteren Fluchtfahrzeug, einem auffälligen silbergrauen Alfa Romeo, in den drei Tagen vor dem Mord im Raum Karlsruhe unterwegs war.
Unter den Zeugen waren ein Ex-Polizist sowie ein Autofahrer, der Folkerts minutenlang aus nur drei Metern Entfernung beobachten konnte.
Behelmte Männer auf Motorrad
Bei der Tat selbst wurden nur zwei behelmte Männer auf einem Motorrad beobachtet - doch eine gute Stunde später sah ein Zeuge wieder den silbergrauen Alfa an einer Ampel stehen. "Fahrer war zweifelsfrei für diesen Zeugen Knut Folkerts", stellte das Gericht fest.
Wolfgang Janisch, dpa
Links:
- RAF (Wikipedia)
- Siegfried Buback (Wikipedia)
- Spiegel