"Hinterhältige Scharlatane"

Tat war offenbar gut geplant.
Das schlimmste Schulmassaker in der Geschichte der USA ist von einem Studenten aus Südkorea verübt worden, der offenbar von Hass getrieben war. Einen Tag nach den tödlichen Schüssen auf 32 Menschen an der Technischen Hochschule von Virginia berichtete die US-Presse, der Täter habe in einem Abschiedsschreiben seine Kommilitonen wüst beschimpft.

Die Polizei beschrieb den 23-jährigen Literaturstudenten Cho Seung-hui am Dienstag als Eigenbrötler und ging davon aus, dass er an beiden Tatorten mit derselben Waffe schoss, bevor er sich selbst richtete.

Familie wohnt in der Nähe
Angaben der Einwanderungsbehörde zufolge lebte der Täter seit 14 Jahren mit einer Green Card in den USA. Seine Familie wohnt demnach unweit des Tatorts in Centreville in Virginia. Der Status erlaubt einen unbefristeten Aufenthalt, berechtigt aber nicht zum Erwerb der US-Staatsbürgerschaft.

"Lasterhaftes Leben" der "reichen Kinder"
Wie die "Chicago Tribune" berichtete, hinterließ der Täter vor dem Massaker in seinem Zimmer im Wohnheim eine Abschiedsbotschaft, die einer Schimpftirade gegen seine Kommilitonen gleichkam.

Darin zieht der Todesschütze gegen "reiche Kinder", "hinterhältige Scharlatane" und ihr "lasterhaftes Leben" sowie "Ausschweifungen auf dem Campus" her, um schließlich seine Bluttat zu rechtfertigen: "Ihr habt mich dazu getrieben."

Laut Vertretern der Universität hinterließ der Täter auch in einem Online-Forum des Campus eine Warnung: "Ich werde heute an der Vtech Menschen umbringen", habe er gepostet, schreibt die "Chicago Tribune".

Medienrennen um Hintergründe
US-Medien überbieten einander derzeit in der Suche nach Details, Hintergründen und vor allem Auffälligkeiten im Leben des Todesschützen. In letzter Zeit sei der junge Mann durch seltsames Verhalten aufgefallen. Cho sei "aggressiv und verwirrt" aufgetreten, habe Frauen nachgestellt und in einem Wohnheim Feuer gelegt, schrieb die "Chicago Tribune".

Ein Nachbar Chos berichtete, der Südkoreaner habe in seiner Freizeit zumeist Basketball gespielt. Anderen Menschen gegenüber habe er oft unbeteiligt gewirkt. Wenn ihn jemand gegrüßt habe, habe er nicht reagiert. Von "satanischer Musik" und gewaltverherrlichenden Computerspielen, bei ähnlichen Taten ist das meist der erste Reflex von Medien und Politik, war immerhin bisher nichts zu erfahren.

Waffen erst kürzlich besorgt
Ersten Erkenntnissen zufolge handelte es sich keineswegs um eine Kurzschlusstat. Am vergangenen Freitag habe sich Cho die Neunmillimeterpistole gekauft, die er bei dem Amoklauf einsetzte, berichtete ABC. Wenig später habe er sich eine 22-Millimeter-Waffe zugelegt. Bei den Waffen soll es sich nach Medienberichten um eine Walther- und eine Glock-Pistole handeln.

Nach Informationen des TV-Senders ABC wurde in seinem Rucksack eine Quittung über den Kauf einer Schusswaffe gefunden.

Nach erster Tat neu bewaffnet
Offensichtlich habe Cho Montagfrüh zunächst in seinem Wohnheim zwei Menschen erschossen und sei dann in sein Zimmer zurückgekehrt, wo er sich neu bewaffnete und das Schreiben zurückließ. Danach sei er in ein Unterrichtsgebäude auf dem Campus gegangen und habe dort 30 Menschen und schließlich sich selbst erschossen.

Kritik an Polizei wird lauter
Die Kritik am Einsatz der Polizei wurde unterdessen lauter. Im Mittelpunkt stand die Frage, warum die Polizei den Campus nicht sperrte, als am Montagmorgen im Studentenwohnheim die ersten Schüsse fielen und zwei Menschen getötet wurden.

Die Polizei ging danach nach eigenen Angaben davon aus, dass der Täter geflohen sei. Man habe so gehandelt, wie es die vorliegenden Erkenntnisse erfordert hätten, so die Behörden.

Empörte Angehörige
Überlebende und Angehörige zeigten sich jedoch empört über das Vorgehen der Polizei. "Wenn jemand zwei Menschen in einem Wohnheim umbringt, müssen doch alle sofort gewarnt werden", sagte Lorraine Watkins, deren Tochter Lauren unter den 26.000 Studenten der Universität ist.

Verzweifelt warteten am Dienstag im Konferenzzentrum der Universität immer noch zahlreiche Menschen auf Informationen über das Schicksal von Angehörigen und Freunden. "Wir wissen nicht, ob sie tot ist oder verletzt", sagte Mary Peterson, die seit Montag nichts mehr von ihrer Schwester gehört hat.

Österreicher als Zeugen
Schockiert zeigten sich auch zwei Österreicher, die sich der derzeit an der Universität aufhalten: Der Steirer Georg Reichard, Assistenzprofessor für Hochbau an der Virginia Tech, verwahrte sich aber gegen Kritik an der Leitung der Universität. "Wenn bei uns irgendwo eine Schießerei ist, wird auch nicht gleich ein ganzes Viertel gesperrt", sagte er - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Ein Wiener Student, der die Universität besucht, äußerte hingegen sehr wohl Kritik an der mangelnden Information nach der ersten Schießerei - mehr dazu in wien.ORF.at.

Debatte über Waffengesetz
Wie nach dem Massaker an der Columbine High School am 20. April 1999 setzte auch nach dem Massaker vom Montag wieder eine Diskussion über die lockeren Waffengesetze in den USA ein.

US-Präsident George W. Bush zeigte sich entsetzt über die Ereignisse in Virginia, verteidigte aber die bestehende Rechtslage. "Der Präsident ist der Ansicht, dass Menschen ein Recht haben, Waffen zu tragen, aber dass alle Gesetze befolgt werden müssen", sagte seine Sprecherin Dana Perino.

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