Traumwelten in Dresden

"Die nächtliche Existenz ist zum Tagesgespräch geworden."
Wie lange ein Mensch wach bleiben kann, hat der Amerikaner Randy Gardner Ende 1963 bewiesen. 264 Stunden oder elf Tage wandelte der junge Mann in San Diego mit mehr oder weniger offenen Augen durch Tag und Nacht. Zwei Freunde dienten als Muntermacher.

Nach Berichten von Augenzeugen reagierte er irgendwann missgelaunt auf seine Umgebung. Als er sich endlich schlafen legte, wollten Reporter das Geheimnis seines Durchhaltevermögens ergründen - nach Ansicht von Gardner alles nur eine Frage des Willens.

300 Exponate
Der "Wachbleiberekord" gehört zu einem von rund 300 Exponaten, die das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden jetzt in seiner Ausstellung "Schlaf & Traum" zeigt.

Die Objekte - Kunstwerke, Videos, Dokumentationen wissenschaftlicher Experimente - stammen aus aller Welt. Albtraumhafte Geister-Bilder aus Bali sind ebenso darunter wie Bilder von "Schlafkonzerten" in Japan.

Ein Drittel des Lebens
Dass das Thema erdumspannend interessiert, liegt in der Natur der Sache. Zwar gibt es auch beim Schlafen und Träumen kulturelle Unterschiede. Eine Tatsache bleibt aber für alle: Ein Drittel seines Lebens verschläft der Mensch.

"Die nächtliche Existenz ist zum Tagesgespräch geworden", sagt Museumsdirektor Klaus Vogel. "Der Schlaf ist vom Verdacht der Zeitverschwendung befreit." Spätestens mit den Schlafstörungen seien viele Menschen bei diesem Thema wach geworden.

Je nach Umfrage gäben bis zu 50 Prozent der Befragten an, unter solchen Störungen zu leiden. "Wir können mit der Ausstellung mehr Aufmerksamkeit auf das Schlafen lenken. Damit wäre schon viel erreicht. Schlaf gehört zum Leben, wir sollten ihm Liebe und Aufmerksamkeit widmen."

Erstes Schlaf-EEG
Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt erwartungsgemäß im Dunkeln. So wie der Schlaf sich in verschiedene Phasen unterteilt, werden fünf Themenkomplexe behandelt.

"Todmüde" geht unter anderem den Ursachen des Schlafes nach, in "Schlafspuren" ist zum Beispiel das erste Schlaf-EEG zum Registrieren der Gehirnströme aus dem Jahr 1929 zu sehen. Kurator Michael Dorrmann nennt es die "Gutenberg-Bibel der Schlafforschung".

Goyas Geister
In der Abteilung "Traumwelten" finden sich künstlerische Darstellungen von Träumen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, etwa die albtraumhaften Gestalten in Francisco de Goyas "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer".

Auch die zeitgenössische Kunst hat sich mit Schlaf beschäftigt. In Dresden zu sehen sind etwa ein Film des kanadischen Künstlers Rodney Graham - er filmte sich selbst bei Taxifahrten unter dem Einfluss von Schlafmitteln - und eine Wachsskulptur von Ron Mueck, die ein in Tüchern gewickeltes schlafendes Baby zeigt.

Im Traum inspiriert
Die Schau erinnert auch an traumhafte Legenden. Dass Paul McCartney die Melodie von "Yesterday" nach dem Aufwachen im Pilzkopf hatte, mag nicht nur Beatles-Fans bekannt sein. Der Chemiker August Kekule von Stradonitz sah die ringförmige Benzolstruktur im Traum, sein russischer Kollege Dimitri Mendelejew Teile des Periodensystems der Elemente.

Als "Schlafdiebe" werden Lärm, Stechmücke, Floh und Bettwanze entlarvt. "Wachhaltepräparate" wie diverse Energy-Drinks avancieren gleichfalls zum Exponat.

Geräte wie Kunstwerke
Die Qualität der Schau liege darin, dass sie mit den Exponaten nicht nur den Schlaf selbst, sondern auch "die historische Gemachtheit" der Erkenntnisse über ihn fassbar mache, schreibt die "Frankfurter Rundschau".

"Die mechanischen Geräte zur Ermittlung von Schlaftiefe, die frühen Apparate zur Aufzeichnung von Hirnfrequenzen Schlafender wirken dabei selbst fast wie Kunstwerke."

Sinnlose Überstunden
Am Ende kann sich der ermüdete Besucher auf eine riesige Couch betten und per Kopfhörer Wiegenlieder aus aller Welt und Gute-Nacht- Geschichten hören.

Außerdem hat das Museum im letzten Raum einen Ratschlag für Arbeitgeber formuliert. Ein Diagramm zeigt die Leistungsfähigkeit des Menschen während eines Arbeitstages mit stark abfallender Kurve in den späten Nachmittagsstunden. Fazit: Überstunden bringen nichts.

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