Gusenbauer: Gesprächsverbot "absurd"

Der Bundeskanzler weist den Vorwurf der Einmischung zurück.
Wer wird 2010 neuer Staatsoperndirektor? Seit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) am Montag verkündet hat, bei der dringend anstehenden Nachbesetzung des Noch-Chefs Ioan Holender selbst ein Wörtchen mitreden zu wollen, schlägt das Thema politisch hohe Wellen.

Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) kündigte am Mittwoch an, sie wolle sich bei der Besetzung des Postens nicht hineinreden lassen. Die alleinige Verantwortung für die Entscheidung liege bei ihr. Dass Gusenbauer ebenfalls Gespräche mit potenziellen Anwärtern führen will, stört Schmied eigenen Angaben zufolge dennoch nicht.

Gusenbauer: Entscheidung bei Schmied
Gusenbauer wies Kritik zurück, er mische sich in Schmieds Agenden ein. Die Entscheidungshoheit liege bei der Ministerin.

Ein Gesprächsverbot für den Bundeskanzler mit Kulturschaffenden halte er aber für eine "absurde Idee". Es störe auch den Finanzminister nicht, wenn er mit Finanzexperten rede, und auch den Wirtschaftsminister nicht, wenn er mit Arbeitsmarktexperten konferiere.

Kommt ein Musikdirektor?
Schmied sagte, sie führe derzeit viele "sehr diskrete" Gespräche. Im Laufe des Juni werde es dann zu einer Entscheidung kommen, so die Kulturministerin.

Wie viele Chefs die Oper letztlich haben wird, ließ Schmied offen. Derzeit werde gemäß dem Bundestheaterorganisationsgesetz nach einem künstlerischen Leiter gesucht. Dazu werde dann noch ein kaufmännischer Leiter kommen. Dass dann auch noch ein Musikdirektor etabliert wird, schloss die Ministerin nicht aus.

Zu einem kolportierten Führungstrio mit Gusenbauer-Intimus Neil Shicoff, Dirigent Franz Welser-Möst und der scheidenden ÖBB-Managerin Wilhelmine Goldmann meinte Schmied: "Kein Kommentar".

Die Gesprächspartner des Bundeskanzlers
Gusenbauer hatte im ORF-"Treffpunkt Kultur" am Montag gesagt, er führe Gespräche mit Shicoff, Welser-Möst und dem Dirigenten Christian Thielemann sowie mit den Wiener Philharmonikern, den Opernfreunden, Holender und anderen. "Das Wichtigste ist, dass es eine künstlerische Führungsfigur gibt", so der Bundeskanzler.

Kritik von Grünen und BZÖ
Die Opposition reagierte mit Kritik: Gusenbauer spiele sich als "Pate der Oper auf, der angeblich die entscheidenden Gespräche mit den potenziellen Kandidaten führt", sagte der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl. Er habe Schmied dadurch "desavouiert und brüskiert".

Der Kultursprecher des Parlamentsklubs des BZÖ, Veit Schalle, findet es "unglaublich, dass der SPÖ-Bundeskanzler mit seiner Präferenz für seinen Freund vorgeprescht ist, anstatt die interne Ausschreibung abzuwarten, bei der der beste Kandidat im Interesse der Sache zum Zug kommen muss".

Unter Schüssel aufgeschoben
Dass die Neubesetzung der Leitung von Österreichs wohl prestigeträchtigstem Kulturbetrieb für Wirbel sorgen würde, lag auf der Hand. Bedanken darf sich Gusenbauer auch bei seinem Vorgänger: Bereits unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) war klar, dass die Holender-Nachfolge bald zu lösen sein wird.

Der Noch-Direktor selbst machte mehrmals in den Medien auf die Dringlichkeit der Sache aufmerksam. Im Februar kündigte Holender schließlich an, seinen Vertrag kein weiteres Mal verlängern zu wollen, um so einen weiteren Aufschub zu verhindern. Er sehe sich "außer Stande, in der verbleibenden Zeitspanne eine der Qualität des Hauses entsprechende Planung zu ermöglichen".

Künstler nicht ideal?
"In einem Operettenstaat ist die Bestellung des Staatsoperndirektors die wichtigste aller Aufgaben", ätzte der "Standard" am Mittwoch: Gusenbauer solle "die Ministerin, die er bestellte, ihre Arbeit machen lassen".

Die Zeitung erinnerte noch einmal ans Anforderungsprofil: "Eberhard Waechter, Staatsoperndirektor ab 1991, war nur deshalb in der Lage, das Flaggschiff österreichischer Kultur mit Bravour zu leiten, weil er Ioan Holender zur Seite hatte, der ihm das Tagesgeschäft besorgte. Denn Holender, zuvor Chef einer Künstleragentur, kannte alle Tücken."

"Behandelt Oper wie Spielzeug"
Der von vielen als Favorit gehandelte Shicoff hat diese Erfahrung nicht. Die "Presse" wunderte sich am Mittwoch darüber, dass die Ausschreibung für die Staatsopern-Intendanz dennoch wie maßgeschneidert auf den US-Opernsänger passe. Insgesamt behandle Gusenbauer "einen der bedeutendsten Image-Faktoren Österreichs wie ein Spielzeug".

Shicoff selbst kann zu dem Thema derzeit "nicht wirklich etwas sagen". Die Gespräche über die künftige Leitung seien derzeit "inmitten eines sehr seriösen, ernsthaften Prozesses. Wir werden sehen, wo er uns hinführen wird", sagte er am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal.

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