Pressestimmen

Kurier, Wien / 20.3.2007
"Schöne Neue Welt"

Von Reinhard Göweil

Ob der irrwitzige Kursanstieg der Böhler-Aktie mit der Absicht der Beteiligungsgesellschaft CVC, das Unternehmen zu erwerben, unmittelbar zu tun hat, ist nach wie vor unklar. Die Wertpapieraufsicht ist hier sicher noch gefragt.

Die Vorgänge um Böhler-Uddeholm haben aber bewiesen, dass Geld keine Rolle mehr spielt. In den Finanzgesellschaften, die gerne als Heuschrecken bezeichnet werden, wird sehr viel Kapital angehäuft, das nach Rendite schreit. Dazu kommt, dass mittlerweile auch Großkapital anonym daherkommt: Wessen Geld in Böhler-Pakete angelegt wird, bleibt im Dunklen.

Wenn Geld also keine Rolle mehr spielt, tut es dann die Verantwortung? Bleibt Böhler-Uddeholm der erfolgreiche Edelstahlkonzern, den Politiker nennen, wenn sie von gelungenen Privatisierungen erzählen? Das weiß niemand, nicht einmal CVC. Denn die Beteiligungsgesellschaft wäre eines sicher nicht: ein dauerhafter Kernaktionär. Die industrielle Unsicherheit bei Böhler-Uddeholm würde steigen.

Die Ereignisse der vergangenen Tage werden die Debatte über Sinn oder Unsinn der Privatisierungen daher neu entfachen. Mit Recht. Denn der Komplettausstieg der staatlichen ÖIAG aus den Industriebetrieben war zwar inhaltlich völlig richtig, ist aber zu früh und nach zu simplem Strickmuster erfolgt. Besser wäre gewesen, den privaten Kapitalaufbau in Österreich stärker in diese Überlegungen einzubeziehen (Stichwort: Austrofonds). Wenn Rudolf Fries verkauft, wäre es falsch, ihn als Buhmann hinzustellen. Denn er investiert eigenes Geld, ihm den Verkauf zu verbieten wäre Enteignung. Die Verantwortung der Politik wiegt schwerer.

Presse, Wien / 20.3.2007
"Böhler-Uddeholm, oder: Wir sind 'Heuschrecke'"
Von Franz Schellhorn

Was jenseits der Landesgrenzen durchaus normal ist, wächst sich hierzulande schon mal zum Skandal aus.

Wenn sich ein Investor anschickt, ein österreichisches Unternehmen zu "schlucken", ist zumindest für Schlagzeilen gesorgt. Hat der Kaufwillige auch noch den falschen Reisepass (keinen österreichischen), wird aus der potenziellen Übernahme kurzerhand der drohende Ausverkauf von heimischem "Volksvermögen". Auch wenn dieses längst nicht mehr dem Staat, sondern Privaten gehört.

Entpuppt sich der kaufwillige Übernehmer zu allem Überfluss auch noch als ausländischer Investmentfonds, mausert sich die bereits zum Skandal hochstilisierte "Verscherbelung heimischen Familiensilbers" zur mutwilligen Zerschlagung eines österreichischen Parade-Unternehmens durch eine "Heuschrecke". So werden jene Fonds gerne genannt, die zwar nicht so sehr das Geld von Insekten veranlagen als vielmehr jenes von Privatpersonen. Gemeint sind Kleinanleger, die im Zuge kollabierender staatlicher Pensionssysteme selbst für die Zeit nach dem Arbeitsleben vorsorgen und erspartes Geld auf die Seite legen.

Ein derartiger "Skandal" spielt sich dieser Tage vor unser aller Augen ab. Der internationale Investmentfonds CVC ist drauf und dran, den österreichischen Edelstahlkonzern Böhler-Uddeholm zu übernehmen. Bevor geübte Ausverkaufs-Alarmierer das ganze Land in die kollektive "Hilfe-wir-werden-übernommen-Depression" treiben, dürfen wir die angeblich so düstere Sache ein wenig aufhellen.

Also: Wenn einem heimischen Unternehmen ein Übernahmeangebot von ausländischen Investoren gelegt wird, ist das schon einmal prinzipiell nichts Schlechtes. Im Gegenteil, es ist eine der höchsten Formen der Anerkennung, die es im Wirtschaftsleben zu vergeben gibt. Wer es vergessen hat: Die einstigen Böhler-Werke sind jahrelang als staatliches Milliardengrab in der Gegend herumgestanden. Anfang der 90er wurde Böhler unter der Führung von Claus Raidl saniert und ab 1994 sukzessive privatisiert. Es war das Geld privater Investoren, das der Schmiede einen beachtlichen Expansionskurs ermöglichte.

Sollte Böhler-Uddeholm bald kein österreichisches Unternehmen mehr sein, wäre das zweifelsohne bedauerlich. Aber noch lange keine Katastrophe. "Fressen und Gefressenwerden" heißt schließlich das ganz normale Motto an den Finanzmärkten. Und gerade in der Disziplin des "Fressens" hat sich Böhler-Uddeholm weltweit einen Namen gemacht.

Das heimische Unternehmen ist selbst ausschließlich mit dem Aufkaufen ausländischer Konzerne groß geworden, wie schon der Firmenname verrät. "Uddeholm" war ja kein oststeirischer Werkzeugtandler, sondern ein "schwedisches" Industrie-Juwel, das sich die Steirer 1991 einverleibten. 2004 wurde die brasilianische Villares übernommen, ein Jahr später der deutsche Konkurrent Buderus "geschluckt".

Bei den nicht ganz unberechtigten Sorgen, dass bei Böhler-Uddeholm in Kapfenberg schon bald die Lichter ausgehen könnten, sei angemerkt: Investoren sind keine Deppen. Das gilt vor allem für Finanzinvestoren, die privates Geld lukrativ zu veranlagen haben. Sie blättern nicht viel Geld auf den Tisch, um ein österreichisches Werk zuzusperren. Investiert wird, um Geld zu verdienen. Dabei kann es freilich sein, dass der Standort Kapfenberg künftig etwas strenger an der internationalen Konkurrenz gemessen wird als bisher. So wie ja die schwedischen Uddeholm-Standorte seit 1991 auch keinen Heimvorteil mehr genießen.

Böhler-Uddeholm ist längst nicht mehr so österreichisch, wie gerne getan wird. Der Konzern produziert im Ausland deutlich mehr als im Inland. Von den knapp 14.000 Mitarbeitern sind rund 4.000 in Österreich beschäftigt.
Es ist eine österreichische Spezialität, sich stolz auf die Brust zu klopfen, wenn "wir" reihenweise ausländische Unternehmen aufkaufen - wie in Osteuropa geschehen.

Läuft es einmal umgekehrt, bricht gleich der große Jammer aus. Weil in den Köpfen der Österreicher die Finanzmärkte als Einbahnstraße konzipiert sind. Zum Glück ist man andernorts schon weiter. Etwa in Bosnien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, der Slowakei oder in Serbien.

Österreich ist, was Übernahmen betrifft, längst kein "Opfer" mehr, sondern "Täter". Heimische Firmen kaufen seit Jahren mehr Unternehmen im Ausland als ausländische in Österreich. Was freilich heimische Provinzpolitiker nicht daran hindern wird, bei der erstbesten Gelegenheit wieder ihr ausländerfeindliches Übernahmespektakel abzuziehen und sich als große Beschützer von privatem Vermögen aufzuspielen.

WirtschaftsBlatt, Wien / 20.3.2007
"Böhler: Jetzt will's niemand gewesen sein"
Von Peter Muzik

Die Gesellschafter der BU Industrieholding GmbH müssten in diesen Tagen eigentlich einen wilden Freudentanz aufführen: Die von Anwalt Rudolf Fries gemanagte Gesellschaft hält nämlich 20,95 Prozent an der Böhler-Uddeholm AG, die derzeit im Mittelpunkt heftiger Avancen seitens der britischen CVC Capital Partners steht. Diese ist an einem Einstieg grundsätzlich interessiert und prüft, ob ein Übernahmeangebot gelegt werden soll.

Das wäre naturgemäß ein Glücksfall für jene, die beim Edelstahlkonzern noch die Nummer eins sind: Fries und seine Vertrauten -­ darunter der ehemalige Palmers-Chef Rudolf Humer, der einstige Werber Hans Schmid und der Industrielle Ernst Hable - würden mit Sicherheit das Geschäft ihres Lebens machen.

Die Story hat nur einen Haken - und das war gestern die eigentliche Sensation: Der englische Finanzinvestor zeigte sich erstaunt über die exorbitanten Kursbewegungen der letzten Tage. CVC habe weder direkt noch indirekt auch nur eine einzige Aktie der Böhler-Uddeholm AG erworben, wurde verlautet.

Im Klartext: Die Briten haben mit den Kursausschlägen der letzten Tage nichts zu tun. Ein Umstand, der die Finanzmarktaufsicht sogleich veranlasst hat, die Chose routinemäßig zu prüfen. Das Merkwürdige ist, dass die Aktien des Edelstahlproduzenten bereits am vergangenen Mittwoch bei hohem Volumen gegen den Trend um knapp zwei Prozent und am Donnerstag um fast sieben Prozent zulegten, ehe der Aktienkurs am vorigen Freitag um sagenhafte 30 Prozent nach oben schoss. Einschlägigen Experten fällt in solchen Fällen automatisch der Begriff Insidertrading ein.

Für die Wiener Börse sind derartige - auf den ersten Blick unerklärliche -­ Vorkommnisse naturgemäß der reine Horror, sodass der gestrige Montag durchaus das Attribut schwarz verdient. So erfreulich es auch ist, dass sich der englische Private-Equity-Investor mit dem derzeitigen Böhler-Hauptaktionär, der BU Industrieholding, bereits über die Zukunft verständigt habe, versteht sich eines von selbst: Ehe Böhler-Uddeholm, schon jetzt zu mehr als 65 Prozent in ausländischem Besitz, künftig weitgehendst unter fremder Flagge segelt, muss - aus hygienischen Gründen - eindeutig geklärt sein, wer für das mysteriöse Kursfeuerwerk verantwortlich gewesen ist.

Die Fries-Gruppe wird logischerweise nur dann verkaufen können, wenn feststeht, wer im Hintergrund Regie führte, als 2,31 Millionen Aktien im Wert von rund 160 Millionen Euro den Besitzer gewechselt haben. Für Spannung ist gesorgt.

Der Standard, Wien / 20.3.2007
"Keine Heiligen"

Von Luise Ungerboeck

Ernsthafte Sorgen hätte man sich machen müssen, wenn Böhler-Aktionäre den 30-prozentigen Kurssprung am Freitag nicht genützt hätten, um Kasse zu machen. Denn erstens wird so etwas bei einem wohl solide nachgefragten, im weltweiten Vergleich aber doch zu den so genannten Small Caps gehörenden kleinen Edelstahlkonzern so bald nicht wieder vorkommen, und zweitens war der Kurs mit mehr als 80 Euro fast so hoch wie zuletzt vor zwei Jahren.

Sinn ergibt der blockweise Aktienkauf zwar noch immer keinen - auf ein paar Tage verteilt, wäre die große Nachfrage weniger auffällig und der Kauf billiger gewesen -, aber den Gesetzen der Logik sind die Finanzmärkte ohnehin noch nie gefolgt.

Klar ist seit Montag, an dem der verspätet begonnene Handel mit Böhler-Aktien prompt mit einem Rumpler um rund zwölf Prozent begann, immerhin, dass es kein strategischer Investor, also ein Stahlkonzern ist, der sich den steirisch-schwedischen Traditionskonzern Böhler-Uddeholm einverleiben will.

Es ist ein Finanzinvestor, der sich von der mittlerweile auch in Brasilien prächtig verdienenden Perle der österreichischen Industrie eine saftige Rendite erwartet. Die Hoffnung dürfte nicht unbegründet sein, denn die Zukunft von Böhler sieht heute nicht schlechter aus als vor dreieinhalb Jahren, als die Verstaatlichtenholding ihre Sperrminorität (originellerweise unter dem damaligen Börsenkurs) verschleudert hat. Und dazwischen, bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2005, notierte die Böhler-Aktie bereits jenseits der 100-Euro-Marke.

Der britische Fonds CVC, dessen Interesse als Mitverursacher der ungewöhnlich turbulenten Kursrallye am Freitagabend gilt, kauft im Übrigen nicht die Katze im Sack. Im Gegenteil, der Fonds, der 2001 vergeblich versuchte, den Faserhersteller Lenzing zu erwerben (und am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter scheiterte), verfolgt Böhler-Uddeholm seit Jahren mit Argusaugen auf Schritt und Tritt; er wollte die Edelstahlschmiede den Kernaktionären rund um den Badener Wirtschaftanwalt Rudolf Fries bereits 2004 abkaufen.

Drei Jahre später scheint CVC endlich am Ziel und die mutmaßlich bei einem Kurs von zwölf Euro je Aktie eingestiegenen Böhler-Kernaktionäre können ihre Gewinne mitnehmen, wie es im Börsenjargon so schön heißt, und im Idealfall jenseits der 80-Euro-Marke verkaufen. Aber nix Genaues weiß man nicht, jetzt wird verhandelt.

Sehr große Hoffnungen auf ein öffentliches Übernahmeangebot seitens CVC sollten sich Spekulanten jedoch nicht machen, eine Totalübernahme samt Abschied vom Kurszettel der Wiener Börse scheint derzeit eher unwahrscheinlich.

Ehe Politiker zum (vorderhand noch erstaunlich leisen) Heulen und Zähneknirschen über den bevorstehenden Ausverkauf ans böse Ausland ansetzen: Klar ist nun, dass die insbesondere von ÖVP-Politikern gern beschworenen privaten Kernaktionäre genauso flüchtig sind wie die großen Heuschrecken. Sie sind weg, wenn der Gewinn stimmt. Weil sie eben keine Heiligen sind, wie Rudolf Fries einmal offenherzig einbekannte.

Kleine Zeitung Graz / 23.3.2007
"Bei Böhler-Uddeholm ist eines klar: Die Zukunft liegt im Dunkeln"

Von Hellfried Semler

Eines der bedeutendsten Unternehmen Österreichs, der Edelstahl-Konzern Böhler-Uddeholm, steht vor spannenden Wochen. Kurz gesagt geht es um die weitere Entwicklung des Unternehmens oder: Wie schaut die Zukunft aus?

Die Frage ist berechtigt. Ein Aufsehen erregender Transfer von Böhler-Aktien hat die Alarmglocken schrillen lassen.

Diese Transaktion gewinnt ungeheure Bedeutung. Jetzt hat sich nämlich ein Interessent geoutet, die britische CVC Capital Partners, ein international agierender Fonds, ein Finanzinvestor, der sich an Böhler-Uddeholm beteiligen will. CVC schwört Stein und Bein, weder direkt noch indirekt am Böhler-Aktienhandel vom Wochenende beteiligt gewesen zu sein.

Der Knackpunkt ist die Eigentümerstruktur im Edelstahlkonzern. Knapp 21 Prozent hält die Fries-Gruppe und ist der weitaus größte Aktionär. CVC will Fries diese Anteile abkaufen. Der Preis ist Verhandlungssache. Jetzt kommen wieder die besagten Aktienverkäufe ins Spiel. Wird dieses Paket der CVC angedient und kaufen die Briten auch, sind sie in einer komfortablen Lage.

Sie können über die Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie in Unternehmensentscheidungen eingreifen, ohne dafür ungleich viel mehr Geld einsetzen zu müssen. Das Übernahmegesetz schreibt nämlich vor, dass ab 30 Prozent Beteiligung allen anderen Aktionären ein Kaufangebot unterbreitet werden muss. Bei Böhler-Uddeholm sind das über die halbe Welt verstreut lebende Kleinaktionäre.

Die Briten hätten das Geld auch für die Übernahme der Mehrheit. Woher das Geld kommt? In Fonds tummeln sich Investoren unterschiedlichster Art. In Großbritannien wird ausgesprochen viel Kapital selbst aus Russland gebunkert, sagen die Banker.

Wo die Interessen von CVC liegen, zeigen die Daten ab der Gründung 1981. Seit damals wurden 220 Unternehmen übernommen, aktuell sind 50 im Stand. Das heißt, es werden immer wieder Firmen abgestoßen. Meist liegt die Frist bei fünf Jahren. Das wird auch für den Edelstahlkonzern gelten.

Investmentfonds sehen ihr Ziel darin, mit dem veranlagten Kapital möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften. Böhler-Uddeholm ist Weltmarktführer bei Edel- und Werkzeugstahl. Das Stahlgeschäft läuft gut wie nie zuvor, Böhler-Uddeholm wirft satte Gewinne ab. Noch kann Böhler-Uddeholm eigenständig über seine Geschäfte entscheiden. Nach einem Verkauf wird der neue Eigentümer seine Vorstellungen umsetzen. Beide kennt derzeit niemand.