Das Rossija war das größte Hotel Europas. Wie eine endlose Wand aus Marmor und Glas erstreckte es sich mit 3.170 Zimmern an der Moskwa entlang in Richtung des Roten Platzes.
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©Bild: Nigel, Young, Foster and Partners |
Nun ist fix, was an seine Stelle kommt: Der britische Stararchitekt Norman Foster errichtet einen multifunktionalen Gebäudekomplex, der nicht nur aus vier neuen Hotels, sondern auch aus einer Veranstaltungshalle mit 2.500 Sitzplätzen und fast 45.000 Quadratmeter Geschäftsfläche bestehen wird.
Es ist das größte Bauprojekt im Herzen Moskaus seit dem Fall der Sowjetunion und der Höhepunkt des massiven Baubooms, der die russische Hauptstadt in den letzten Jahren erfasst hat.
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©Bild: Nigel, Young, Foster and Partners |
Die Flure des Rossija erstreckten sich ohne Unterbrechung über eine Gesamtlänge von acht Kilometern. Fosters Londoner Büro will nun die riesige Fläche, die das Hotel beanspruchte, wieder in überschaubare Blöcke aufteilen und das ursprüngliche Straßennetz des Viertels wiederherstellen. Ein dreieckiger Platz ist das Herz des Komplexes.
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©Bild: Nigel, Young, Foster and Partners |
Die stadtplanerischen Aspekte sind die Stärke des Projekts, doch die neuen Gebäude selbst stoßen auf Kritik. "Die sonderbare Mischung aus klassischen und modernen Elementen kommt einer Parodie gefährlich nah", schreibt Nicolai Ouroussoff, der Architekturkritiker der "New York Times" ("NYT").
"Das ist jene Art von generischem Softcore-Historismus, den man bei Großprojekten in aufstrebenden Städten, die den globalen Markt erobern wollen, oft beobachten kann."
Moskau als imperialer Themenpark
Moskau droht so - wieder einmal -, eine Stadt ohne architektonisches Gedächtnis zu werden: Etliche Gebäude aus der Sowjet-Ära wurden in den letzten Jahren abgerissen und durch pseudo-historische Kitschbauten ersetzt - "eine themenparkartige Version eines Russlands vor der Revolution, die Moskaus wahre Geschichte vertuscht", wie die "NYT" feststellt.
Der Foster-Plan ist in diesem Klima immerhin ein kleiner Fortschritt. Als Ende 2005 die Nachricht vom bevorstehenden Abriss offiziell gemacht wurde, war noch die Rede davon, dass das Hotel durch einen Neubau im Stil eines Palastes des historischen Moskauer Viertels Kitai-Gorod ersetzt werden solle.
"Wir beginnen wieder einmal von null"
Die Episode zeigt, wie geschichtslos in Moskau derzeit gebaut wird. Experten warnen vor vorschnellen Entscheidungen: "Die sowjetische Epoche wird jetzt gelöscht, und wir beginnen wieder einmal von null", beklagte sich Architekturhistoriker Alexander Moschajew jüngst in der 3sat-"Kulturzeit".
Während sich die russische Führung mit dem imperialen Stil identifiziere, werde der Konstruktivismus aus den 20ern und 30ern überhaupt nicht geschützt, so Moschajew. "Und der Chruschtschowsche Funktionalismus löst bei den heutigen Machthabern überhaupt nur noch Aggressionen aus."
"Erfrischend"
In diese Epoche fällt auch das 1967 errichtete Rossija. Es galt zwar vielen als monumentale Scheußlichkeit, steht aber auch als Symbol für das politische Tauwetter unter Chruschtschow und die Eiszeit unter Breschnjew.
Aus heutiger Perspektive habe es sogar eine "erfrischende, schmucklose Geradlinigkeit" gehabt, schreibt "NYT"-Kritiker Ouroussoff. "Viele Bauten sind auch nach internationalen Maßstäben solide Werke des Funktionalismus. Die Spezialisten schätzen sie. Unsere Führung aber versteht das nicht", klagt auch Moschajew.
Metropole der Spekulanten
Nicht nur der Politik, auch den Immobilienspekulanten dürfte Architekturgeschichte herzlich egal sein: Ihnen geht es darum, möglichst schnell möglichst viel neue Nutzfläche zu schaffen.
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©Bild: Richard Davies |
Quadratmeterpreise schießen hoch
Laut einem Bericht der "Welt" hat sich in Moskau der Preis pro Quadratmeter Wohnraum seit 2000 mehr als versechsfacht, allein 2006 wurden Wohnungen durchschnittlich um 80 Prozent teurer.
Um die Preisspirale einzubremsen, hat Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow laut "Welt" Bauherren dazu verpflichtet, 40 Prozent ihrer Wohnungen kostenlos der Stadt zur Verfügung zu stellen, die dann Sozialwohnungen daraus macht. Das hat aber nur dazu geführt, dass die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt noch stärker angezogen sind.
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