Hans Hölzel, ein österreichisches Schicksal

Wer in Österreich "unsterblich" werden möchte, sollte nicht an die Zeit nach dem Tod denken.
Hand aufs Herz: Was wäre aus Falcos Single "Out Of The Dark" geworden, wäre Hans Hölzel am 6. Februar 1998 nicht ums Leben gekommen? Ein Nummer-eins-Hit? Zweifel sind angebracht.

Falco hatte seinen Zenit überschritten, und wenn man ihn feierte, dann bei Auftritten wie jenem 1993 beim Donauinselfest, wo der Musiker Hans Hölzel mit dem Bass oder der E-Gitarre in der Hand gegen die Wetterkapriolen ankämpfte und an seine frühere Klasse anknüpfte.

Dann war man auch gewillt, Nummern wie "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" zu verdrängen, für die Falco ja nicht einmal mehr seinen Künstlernamen hergeben wollte.

Wieder einmal "hoch wie nie"
Mittlerweile ist Nachlassverwaltung angesagt. Es gibt, rechtzeitig zum 50. Geburtstag am 19. Februar, das Doppelalbum "Hoch wie nie", das noch einmal einen Querschnitt seines Schaffens liefert (neben einigen Remixes) und in Deutschland und Österreich ein Verkaufsschlager ist.

Remembering Falco scheint allerorten, nicht zuletzt auch im TV, verordnet und der geneigte Zeitgenosse muss schon zu einigem Masochismus bereit sein, wenn etwa Jeanette Biedermann oder Til Schweiger die Bedeutung von Falco zu buchstabieren versuchen und der Rest der EAV vor der Werbepause den "Kommissar" zum Playback intoniert.

Der 50. Geburtstag ist also nur die logische Fortsetzung und Steigerung posthumer Musik-Veröffentlichungen, Musiktheater-Produktionen der Marke "Falco meets Amadeus" bzw. "Falco. A Cyber Show".

Die "Gfraster"
Man kann Hans Hölzel eines nicht vorwerfen: keine Vorahnung gehabt zu haben, wie man ein österreichisches Schicksal erleidet. "Wirst scho seh'n, wenn i tot bin, wearn's mi olle lieb hob'n, die Gfraster", ist ein mittlerweile viel zitierter und von unterschiedlichen Gesprächspartnern kolportierter Spruch.

1986, also in der Phase seiner größten Erfolge, sagte er gegenüber dem "Musikexpress" den bemerkenswerten Satz: "Vor allem die Österreicher haben darauf gewartet, mich sterben zu sehen, nach dem Motto: Mit wehenden Fahnen auf den Zentralfriedhof."

"Menschlich erst mit dem Tod"
Besonders haderte Falco mit den Journalisten, von denen er sich entweder nicht entsprechend gewürdigt oder missverstanden fand: "Menschlich wirst für diese Herrn erst mit dem Tod." In dieser Hinsicht hat sich Hans Hölzel nicht getäuscht.

Dass man ihm gerne eins auswischte, hatte er sich möglicherweise selbst zuzuschreiben. Schon mit 19, während des halben Jahres Bassstudiums am Wiener Konservatorium blieb Hölzel vor allem als gestylte Kunstfigur in Erinnerung - zu Hause nicht einmal Fließwasser, nach außen hin eine Art österreichischer Bowie, der es immer allen zeigen wollte.

"Einzelhaft" und die Folgen
Weltweite Bekanntheit (und Reichtum) brachten Falco-Hits wie "Der Kommissar", "Rock Me Amadeus" und "Vienna Calling". Seinen fixen Platz in der Geschichte der Popmusik eroberte Hölzel bereits mit seinem ersten Solo-Album "Einzelhaft" (1982) - für viele Kritiker und Falco-Fans das letztlich unüberbotene Album, auch wenn Falco auf diesem Album mehr Texter und Interpret von Nummern war, für die der spitzfindige Robert Ponger die richtigen, an US-Vorbildern angelehnten Schnittmuster anfertigte. Nur bei "Ganz Wien" stammt auch die Musik von Hans Hölzel selbst.

"Ganz Wien" - verbotene Worte
"Ganz Wien", ein Song, der als Zwischennummer bei Drahdiwaberl-Konzerten eingesetzt wurde (Stefan Weber zog sich um und der Popper am Bass durfte dann in die erste Reihe), gilt als die stilbildendes Stück für die Verbindung von New Wave und Wiener Szene: Der Minimalismus der Bass-Linie fand seine Ergänzung in einem lapidaren, schneidend sarkastischen Text.

Die traumwandlerische (Drogen-)Vision über das Schicksal (in) einer Stadt war für das damalige Radio zu gewagt.

Falco und Wien - das war ein mehr als symbiotisches Verhältnis: Man deckte sarkastisch-ironisch auf, was man ist, und sang noch viel lieber davon, was man gerne wäre.

"Ganz Wien
Ist heut auf Heroin
Ganz Wien
Träumt mit Mozambin (...)
Einmal wird der Tag kommen,
Die Donau außer Rand und Band,
Im U4 geigen die Goldfisch',
Der Bruno längst im sich'ren Land,
Der Hannes A, dann lernen wir
Schwimmen, treib'n tan ma eh.
Alle Teuferl weiße Gwandl,
weiß wie Schnee ..."

Mit dem "Kommissar" in die Charts
Den internationalen Durchbruch brachte die Single "Der Kommissar", die als erste deutschsprachige Nummer in den US-Charts bis auf Platz zwei kletterte (und relativ rasch auf Englisch gecovert wurde).

Falco (der Namen soll vom DDR-Skispringer Falco Weißpflog angeregt worden sein) war fortan eine der Ikonen der Neuen Deutschen Welle.

Die Nachfolgeplatte "Junge Römer" setzte dort an, wo "Einzelhaft" aufhörte, konnte aber an den Erfolg des Erstlings nicht anknüpfen.

"Falco 3" und die Folgen
Das änderte sich mit "Falco 3" (1985), jenem Album, für das Falco eine folgenschwere Produktionsgemeinschaft mit den niederländischen Brüdern Bolland & Bolland einging.

"Rock Me Amadeus", die erste Single aus dem Album, schaffte es in den US-Charts für drei Wochen sogar auf den ersten Platz.

Falco war auf dem Olymp der Popwelt angekommen, und auch in Österreich war seine Popularität auf dem Zenit. Im Anschluss an die Festwocheneröffnung 1985 spielte Falco vor über 50.000 begeisterten Fans live auf dem Wiener Rathausplatz.

Wien ruft
Als er ebendort im Herbst desselben Jahres "Vienna Calling" wieder vor Zehntausenden Fans vorstellte, war das Ego Hans Hölzel schon in sehr luftigen Höhen. "Wollt ihr den totalen Falken", brüllte er seinem Publikum entgegen, um sich prompt einen Ordnungsruf via "Kurier" von seinen späteren Doku-Remixern Dolezal und Rossacher einzuhandeln.

Die dritte Single-Auskoppelung des Albums, "Jeannie", brachte den nächsten "Skandal". Die Anspielung auf ein Sexualverbrechen brachte Falco wieder einmal Spielverbot in Radio und TV - und astronomische Verkaufszahlen.

Lieber Raini ... es wird schon gut gehen!"
Falco tourte um die Welt. Seine Kollegen daheim ließ er sarkastisch an seinem Ruhm mitnaschen. Überliefert ist eine Postkarte aus Japan an Reinhard Fendrich: "Lieber Raini, ich wünsch dir viel Glück für dein Konzert in Gramatneusiedl. Es wird schon alles gut gehen! Liebe Grüße von Falco, derzeit in Tokio."

Zugleich wusste Falco aber um sein Problem: Wie kann man Nummer eins in den USA zu sein toppen? "Emotional", das vierte Album, sollte den schleichenden Weg bergab markieren. Der zweite Teil von "Jeannie" ("Coming Home") präsentierte Falco nur noch als lauen, auf Charts programmierten Aufguss.

Falco schrieb Schlagzeilen vor allem mit seinem Privatleben. "Falco wirkte auf mich wie ein Heimatloser", erinnert sich sein ehemaliger Produzent Ferdi Bolland gegenüber dem "Rolling Stone"-Magazin: "Er war gerne bei uns in Amsterdam, und es kam mir oft so vor, als wolle er gar nicht mehr zurück nach Wien, weil da nichts war, zu dem er hätte zurückkommen können."

Into the Light?
1996 zog der Musiker in die Dominikanische Republik, wo er sich eine luxuriöse Villa und ein Tonstudio einrichtete. Er feilte an seinem Comeback. Die Aufnahmen für das geplante Album "Out Of The Dark" waren zum Teil fertig gestellt, als er am 6. Februar 1998 bei einem Autounfall ums Leben kam.

Posthum wurde die Single "Out Of The Dark" zu einem großen Erfolg. Die Zeilen "... muss ich denn sterben, um zu leben?" waren plötzlich ein Vermächtnis. Der Hang des Österreichers, dem Banalsten eine tiefere Bedeutung zu geben, dieser Hang wurde an Falco fortan ungebremst ausgelebt. Posthum kamen für Hans Hölzel noch einige Freunde dazu, die er zu Lebzeiten wohl gar nicht gekannt hatte.

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