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In einer seiner charismatischen Predigten im Stephansdom brachte er es in einer rhetorischen Frage auf den Punkt: "Was ist das für ein Mensch, der keine Probleme der Wahrheitsfindung hat; was ist das für ein Mensch, der nicht darüber nachdenkt, ob Gott lebt oder tot ist, der nicht nach dem Sinn der Existenz fragt?" Kunst war für Mauer einer der Wege, der Wahrheit näher zu kommen.
Innere Verwandtschaft mit der Kunst
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Josef Mikl (Künstler), Otto Mauer / ©Bild: ORF |
Widerrede gegen die Nazis
Mauer erhielt bereits 1938 durch die SS Unterrichtsverbot, wurde später öfters verhaftet und zudem mit einem Predigtverbot von den Nazis belegt.
Mauer zog sich in die Pfarre St. Josef in der Leopoldstadt zurück, wo ihm Kardinal Theodor Innitzer ein Zimmer verschaffte. Mauers Bibelabende in der Pfarre wurden zu einem Zentrum des Widerstandes gegen das NS-Regime. 1942 wurde Mauer von der Gestapo in der Sakristei des Grazer Doms verhaftet - der Gestapo-Akt beschreibt ihn als "einen der intrigantesten Feinde des Regimes". Aus der Haft kam Mauer erneut durch Vermittlung Innitzers nach Hinterlegung einer Kaution.
Fortan stand Mauer unter Gestapo-Überwachung - dennoch gelang es ihm, knapp 200 Vorträge zu theologischen Themen zu halten, bei denen er Tausende Menschen erreichte.
"Wort und Wahrheit"
Nach dem Krieg wurde Mauer Mitbegründer der Zeitschrift "Wort und Wahrheit", deren langjähriger Schriftleiter er war. 1947 übernahm er die Funktion des geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion. Ab 1954 war er Domprediger in St. Stephan in Wien.
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Mauers große Begabung als Redner setzte er fortan nicht nur im kirchlichen Bereich ein, wo er sich mit seinen unkonventionellen Zugängen nicht nur Freunde machte - er war auch ein von den Künstlern höchst geschätzter Mentor und Laudator bei Ausstellungen und Kunstveranstaltungen.
"Wehrhaft und rastlos"
"Unbestechlich und auf Belohnung nicht aus sind Sie, starrköpfig und ohne das bei uns oft angeborene Talent zu kleinen Vergleichen", sagte Josef Mikl 1967 in einer Würdigungsrede auf Mauer und fügte an: Mauer sei "wehrhaft gegen Argumente von Untieren und Miesmachern".
Mauer sei "rastlos gewesen in der Verfolgung seiner Kunstziele, bei deren Erreichung er den dort schon wartenden österreichischen Undank" vorgefunden habe.
Mauer stand mit seinem Engagement für zeitgenössische Kunst oft im Kreuzfeuer der Kritik. Als Mann mit Rückgrat stellte sich Mauer hinter die Künstler und verteidigte so manches Projekt auch gegen den herrschenden Zeitgeist. Legendär ist auch Mauers Einsatz für moderne Kirchenprojekte; ebenso eine Rede über Joseph Beuys, die Mauer im Städtischen Museum Mönchengladbach hielt.
Das "Christliche" in der Kunst
Mauer provozierte mit seinen Überlegungen, etwa als er 1972 bei einer Rede vor der Katholischen Akademie in Bayern über das "Christliche" in der Kunst philosophierte.
"Christliche Kunst", so Mauer, "könnte natürlich aufgefasst werden als eine Kunst mit christlichen Themen, wo man Kreuzigungen, Weihnachtsereignisse sieht, wo man die Heiligen Drei Könige hingekniet sieht vor der Mutter mit dem Kind. Natürlich, das kann man christliche Kunst nennen, wenn eine christliche Atmosphäre, christliche Pietät da ist. Aber was soll sonst christliche Kunst sein, worin besteht die Christlichkeit in einem Porträt?"
"(...) Vielleicht ist das eben ein Zeichen von Christlichkeit, von Restchristlichkeit in Goya, wenn er Porträts von Königen und Königinnen geschaffen hat, die geradezu ein Jüngstes Gericht und eine Demaskierung darstellen. Vielleicht sind die Propheten in diese Künstler abgewandert, in die Goya, Daumier, George Grosz, weil die Kirche keine Propheten mehr geduldet hat, weil hier die Hierarchie kein Interesse hatte, ihr aeternales unerschütterliches Gebäude durch Propheten, die sich nicht nur nach außen an die böse Welt wenden, vielleicht beunruhigen oder gar erschüttern zu lassen."
Mauer kritisierte in der Rede die Haltung eines Christentums, das sich "einen spießbürgerlichen Sekuritätswahn zugelegt" habe wie die ganze
Gesellschaft. Man wehre sich reflexartig "gegen das Auftauchen von Fragen, die man kaum überdacht hat oder die man augenblicklich nicht beantworten kann oder niemals wird beantworten können". Darum, so Mauers Conclusio, "hat die Kirche auch nicht den rasanten Wandel in der zeitgenössischen Kunst zur Kenntnis genommen".
Würdigung zum Geburtstag
Mauers Kunstsammlung umfasst 3.000 Werke - sie wurde bei großen Schauen im In- und Ausland gezeigt, enthält sie doch prägende Gestalten der österreichischen Nachkriegskunst, darunter Herbert Böckl, Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Josef Mikl, Markus Prachensky und viele andere.
Mauers Sammlung ist mittlerweile Teil des Dommuseums, das Mauer ab Mittwoch eine große Geburtstagsschau widmet. Unter dem Titel "Happy Birthday, Monsignore" werden 100 Werke von 55 Künstlern der "Sammlung Mauer" gezeigt. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn würdigte den Kunstfreund Mauer, erinnerte aber auch daran, dass man den Theologen Mauer nicht vergessen sollte.
"Offenbarung der Wahrheit"
"Weil Mauer leidenschaftlich als Priester und Theologe um Wahrheit gerungen hat, vermochte er auch in der Gegenwartskunst seiner Zeit eine Form der 'Offenbarung der Wahrheit' zu entdecken", so Schönborn.
Der Wiener Altkardinal Franz König, den Mauer, etwa in der Stiftung Pro Oriente, über Jahrzehnte hinweg begleitete, charakterisierte den Menschen Otto Mauer so: "Er war selbst immer unterwegs, ein Suchender. Er war (...) ein Freund der Künstler und Brückenbauer zu den Menschen 'draußen vor der Tür'; eingeschränkt freilich auf den intellektuellen Sektor und gehemmt durch seine Wesensart, eine Maske der scheinbaren Arroganz, die wieder nicht wenige abgestoßen hatte. (...) Otto Mauer war, so stand es in seinem Nachruf, 'der Mann, der in Rede und Gegenrede, in Spruch und Widerspruch, im Partner das eigene Denken provozierte'."
Gerald Heidegger, ORF.at
Die Ausstellung
"Happy Birthday, Monsignore!", ab 14. Februar im Wiener Dom- und Diözesanmuseum Wien.
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