Mit Stift und Papier

Warum verschwieg Claude Monet seine Zeichnungen, Skizzen und Pastelle?
Claude Monet war der impressionistische Maler schlechthin - das ist zumindest das Image, das der französische Künstler zeitlebens aufbaute: Er blicke aus dem Fenster oder begebe sich in die Natur und male aus dem Stand das nächste Meisterwerk - so beschrieb er seine Arbeitstechnik Journalisten.

Dass Monet neben seinen berühmten Gemälden auch unzählige Zeichnungen, Drucke, Pastelle und Vorstudien anfertigte, sparte er gern aus.

Ausstellungsmacher in den USA und Großbritannien haben sich in der Schau "The Unknown Monet: Pastels and Drawings" nun auf die Spuren dieser fast völlig unbekannten Seite des Impressionisten begeben.

Als "großer Maler" stilisiert
Ein Porträt von John Singer Sargent aus dem Jahr 1885 bringt Monets Image auf den Punkt: Der Künstler sitzt darin im Gras am Waldrand, vor sich eine Staffelei, ins Malen vertieft.

"Monet wollte sich selbst als den großen Maler seiner Zeit darstellen", sagte der Ausstellungskurator Richard Kendall der "New York Times" ("NYT"). "Das war eine Art PR-Maßnahme, eine Möglichkeit, sich selbst zu definieren. Die große, quälende Frage ist immer gewesen: Warum wollte er nicht, dass die Leute wussten, dass er zeichnete?"

100 Exponate
Diese Frage kann auch die Ausstellung, die ab März in der Royal Academy of Arts in London und ab Juni im Clark Art Institute in Williamstown (US-Bundesstaat Massachusetts) zu sehen ist, nicht endgültig beantworten.

©Bild: Royal Academy of Art
©Bild: Royal Academy of Art
Die rund 100 ausgestellten Werke zeigen aber erstmals in diesem Umfang auf, dass Monet Zeichnungen sowohl zur Vorbereitung auf seine Gemälde als auch als eigenständige Ausdrucksform anfertigte.

Ein Fünftel seines rund 2.500 Arbeiten umfassenden Werkskatalogs sind Skizzenbücher, Zeichnungen und Pastelle, aber Kunsthistoriker haben sich bisher kaum damit beschäftigt.

"Detailliert, präzise und feinfühlig"
Eine besondere Entdeckung sind die unveröffentlichten Tagebücher des französischen Adeligen Theophile Beguin Billecocq, eines Freundes der Familie Monet, der ab 1854 über einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten immer wieder Notizen über den Künstler machte.

Der junge, noch unbekannte Monet wird darin als begeisterter Zeichner beschrieben. Mit 17 sei er bereits durch seine extrem schnell angefertigten, "impressionistischen" Skizzen aufgefallen, zitiert die "NYT" aus den Tagebüchern, "detailliert, präzise wie die Realität und feinfühlig".

Hunderte Karikaturen verschollen
Auch ganz skurrile, parodistische Zeichnungen des jungen Monet sind in der Schau zu sehen: Menschen mit übergroßen Köpfen, Flügeln und gestauchten Füßen etwa. Das US-Institut kaufte eine dieser Karikaturen vor einigen Jahren; sie wurde noch nie öffentlich ausgestellt.

©Bild: Clark Art Institute/The Art Institute of Chicago
©Bild: Clark Art Institute/The Art Institute of Chicago
Hunderte solcher Zeichnungen soll Monet angefertigt haben, bevor er berühmt wurde, doch nur die Existenz von 14 Blättern ist heute gesichert.

Rätsel der Monet-Forschung
In der ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 in Paris war Monet laut Recherchen von Kendall und seinem Kuratorenkollegen James A. Ganz mit sieben Pastellarbeiten vertreten. Im Katalog tauchten sie jedoch nicht auf, und auch in den Zeitungskritiken wurden sie damals nicht erwähnt.

©Bild: Clark Art Institute/Triton Foundation
©Bild: Clark Art Institute/Triton Foundation
"Das ist eines der Rätsel der Monet-Forschung", sagte Kendall. 1901 habe Monet bei einer London-Reise ebenfalls zahlreiche Zeichnungen und Pastelle angefertigt, weil die Leinwände in seinem Gepäck nicht angekommen seien.

Abstrakte "Seerosen"-Skizzen

©Bild: Clark Art Institute/Musée Marmottan Monet
©Bild: Clark Art Institute/Musée Marmottan Monet
Zu den Entdeckungen der Schau zählen auch Kreidezeichnungen der Normandie-Küste aus den 1860er Jahren und Skizzen, die im Zusammenhang mit den berühmten "Seerosen" entstanden. Es handelt sich um schwarze, weiße und violette Kreidearbeiten, die abstrakt, ja beinahe expressionistisch sind und somit in krassem Gegensatz zu den weltbekannten Gemälden stehen.

©Bild: Clark Art Institute/Fondation Beyeler
©Bild: Clark Art Institute/Fondation Beyeler
"Er wollte nie, dass die Öffentlichkeit sie zu Gesicht bekommt. Es läuft alles auf Marketing hinaus: Sein öffentliches Image war ihm wichtig, und Zeichnungen verkomplizierten dieses Bild. Mehr sogar: Sie widersprachen ihm", so Kendall.

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