"Rücktrittsreifer" FPÖ-Sprecher

Strache kündigt Erklärung für nächste Woche an.
Die Veröffentlichung von Jugendfotos des FPÖ-Obmanns Heinz-Christian Strache verursacht bei den Freiheitlichen offensichtlich einen gehörigen Stress. In der Nacht auf Samstag veröffentlichte der Bundespressereferent der FPÖ, Karl Heinz Grünsteidl, eine völlig verwirrte Presseaussendung, in der er sich selbst u. a. als "rücktrittsreif" bezeichnete und mit den Schauspielern der Polit-Sitcom "Chaos City", Michael J. Fox und Charlie Sheen, verglich.

"Satirische Betrachtung"
Samstagvormittag erklärte Gründsteidl auf Anfrage der APA, seine nächtliche Aussendung sei "eine satirische Betrachtung der laufenden Dinge zu später Stunde" gewesen.

Auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky meinte, "Grünsteidl hat sich auf ironisch-satirische Weise seine Befindlichkeit vom Leib geschrieben". Grünsteidl bleibe Bundespressereferent der FPÖ, hieß es.

Neonazi-Gruß oder "Missverständnis"?
Am Vorabend sind nach der Veröffentlichung eines Jugendfotos, das Strache mit drei gespreizten Fingern der rechten Hand zeigt, offensichtlich die Nerven blank gelegen. Die Tageszeitung "Österreich" interpretierte die Geste als "Neonazi-Gruß".

Die FPÖ wies das entschieden zurück, kündigte Klagen an und deutete die Geste Straches als "traditionellen Südtirol-Gruß". Wenige Stunden später musste Gründsteidl in einer Presseaussendung diese Darstellung zurücknehmen.

Die Rede war von einem Missverständnis, das "auf einen Verständnisfehler des zuständigen Pressereferenten" zurückgehe.

"Drei Bier oder G'spritzte"
Ganz ähnlich auch Strache: Gegenüber der "Presse" (Samstag-Ausgabe) sprach Strache von einem seit Jahrzehnten bekannten Gruß. "Alle anderen Interpretationen sind an Lächerlichkeit nicht zu überbieten", so Strache.

In der ZIB2 am Freitag meinte Strache dagegen, er könne sich nicht mehr daran erinnern, was er mit der Geste habe signalisieren wollen - möglicherweise, dass er bei dem Treffen "noch drei Bier oder noch drei G'spritzte" trinken habe wollen.

"Südtiroler Gruß" unbekannt
Die Definition des Grußes als antifaschistische Geste der Südtiroler Freiheitskämpfer ist in Südtirol nicht bekannt - gerade dort empfand im Gegenteil die deutschsprachige Bevölkerung Auftritte italienischer Rechter mit dem "Kühnengruß" als besondere Provokation.

Auch im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) ist ein "Südtiroler Freiheitskämpfer-Gruß" unbekannt. Zugleich verwies das DÖW gegenüber der ZIB1 darauf, dass der "Kühnengruß" üblicherweise mit ausgestreckter Hand zu sehen sei.

Suche nach "reicher junger Frau"
In seiner nächtlichen Aussendung schrieb Grünsteidl, bei der Aufregung um die Strache-Fotos fühle er sich an die US-amerikanische Serie "Flash Gordon" erinnert.

Um - mit Verweis auf Jean-Paul Sartre - fortzufahren, dass es um das "Reich des Menschen" gehe. Es gehe "um den Menschen schlechthin. Dafür treten wir ein, in all unserer zugegebenermaßen intellektuellen Fragwürdigkeit."

Die Aussendung endet mit einem Postskriptum: "Falls irgendeine faszinierende reiche junge Frau sich für mich interessiert, bitte hurtig melden!"

Eine ähnlich verwirrte Presseaussendung hatte es zuletzt im Oktober 1999 gegeben. Via OTS schrieb sich damals - nach der Abwahl des Liberalen Forums - ein LIF-Pressesprecher unter dem Titel "On the road again" seinen Frust vom Leib. Er wies darauf hin, "sich endlich einen Wunsch erfüllen zu wollen, nämlich endlich zu schreiben, was er schon immer schreiben wollte".

Foto aus den 80er Jahren
Das Foto zeigt Strache, im Burschenschafter-Outfit an einem Tisch sitzend. Laut "Österreich" wurde die Aufnahme Ende der 80er Jahre bei einem Burschenschaftertreffen gemacht - in dem Moment, als Strache den damals aktiven Rechtsextremisten Franz Radl begrüßte.

Eine Geste und ihre Bedeutung
Strache spreizt auf dem Bild drei Finger seiner rechten Hand. Diese Pose wird "Kühnengruß" genannt - nach dem deutschen Neonazi-Führer Michael Kühnen, der den "schlampigen Führergruß" in seinen Kreisen popularisierte.

Mit dem aus Deutschland importierten Gruß hätten sich Ende der 80er Jahre traditionell österreichische Neonazis und Mitglieder der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) begrüßt, schreibt "Österreich".

In Deutschland strafbar
Der "Kühnengruß" geht auf das strafrechtliche Verbot des Hitlergrußes in Deutschland zurück. Mit der neuen Pose wollten die Neonazis die Gerichte überlisten. Funktioniert hat das nicht: Die Geste ist dort als offensichtliche Ersatzhandlung genauso strafbar.

Strache hatte zuletzt nicht ausgeschlossen, dass es Bilder von ihm mit Hitlergruß geben könnte. Er könne sich das allerdings nicht vorstellen, so Strache in der ZIB2 am Dienstag. Wenn, dann sei das eine "dumme Provokation" gewesen.

Justizministerium winkt ab
Strafrechtliche Konsequenzen braucht Strache offenbar dennoch nicht zu fürchten. Für Christian Pilnacek, Leitender Staatsanwalt in der Sektion für Strafrechtsverfahren im Justizministerium, ist der auf dem Foto dokumentierte Tatbestand "unterhalb der Schwelle des Strafrechts".

"Alleine aus der Darstellung eines Grußes, ohne dass damit ein zusätzlicher Inhalt zum Ausdruck gebracht wird, lässt sich nur schwer eine Strafbarkeit konstruieren", so Pilnacek. Allenfalls wäre eine solche beim Hitlergruß gegeben.

"Nicht unbedingt neonazistisch"
Ohne das Foto zu kennen, schloss Pilnacek auf Beschreibung dessen, was darauf zu sehen ist, ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft eher aus. Es handle sich dabei offenbar um eine Geste, mit der die Allgemeinheit nicht unbedingt neonazistische Inhalte verbinde.

Erklärung Anfang kommender Woche
Die angekündigte ausführliche Erklärung des FPÖ-Obmanns zur Foto-Causa soll übrigens Anfang kommender Woche stattfinden. Das erklärte FPÖ-Generalsekretär Vilimsky am Samstag auf Anfrage der APA. In welcher Form und wo diese Erklärung abgegeben werden soll, sei noch nicht entschieden.

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