Kräftemessen mit Ägypten

Auf Druck von Sowjets und USA scheiterte die militärische Intervention.
Die Suez-Krise vor über einem halben Jahrhundert hat nicht nur den ganzen Nahen Osten in Bewegung gebracht. Sie führte dazu, dass die französische Regierung des Sozialisten Guy Mollet, wie aus britischen Regierungsarchiven hervorgeht, eine politische "Union" mit Großbritannien erwog.

Mollet, der nach dem Wahlsieg der Linksparteien Anfang 1956 mit Zustimmung von Staatspräsident Rene Coty eine heterogene, handlungsunfähige Koalitionsregierung mit Teilen der Rechten und ohne die Kommunisten gebildet hatte, brauchte Rückendeckung im Kräftemessen mit Ägypten, das die Unabhängigkeitskämpfer in Algerien unterstützte.

Bagdad-Pakt als Auslöser
Ausgangspunkt der Suez-Krise war, dass zur Eindämmung der sowjetischen Expansion im Mittleren Osten 1955 unter US-Schirmherrschaft der Bagdad-Pakt mit der Türkei, dem Irak, Pakistan, dem Iran und Großbritannien entstanden war. Amerikanischen Versuchen, auch Ägypten einzubeziehen, hatte Nasser eine Absage erteilt.

Am 20. Juli 1956 widerriefen Washington und London ein Finanzierungsangebot für den Bau des Assuan-Staudamms, die Weltbank stoppte die Kreditierung.

Intervention nach Verstaatlichung
Als Gegenmaßnahme verfügte der ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser als "ökonomische Befreiung vom Imperialismus" die Nationalisierung der Suezkanal-Gesellschaft, deren Aktienkapital sich zu 98 Prozent in britisch-französischem Besitz befand.

Die Verstaatlichung der wichtigsten Wasserstraße der Welt, von der die Versorgung Westeuropas mit Erdöl aus dem Persischen Golf abhing, löste eine internationale Krise aus, die nach wenigen Monaten in der israelischen Invasion und dem militärischen Eingreifen Großbritanniens und Frankreichs gipfelte.

Briten und Franzosen schritten ein
London und Paris waren nicht gewillt, Nassers Entscheidung hinzunehmen. Französische und britische Fallschirmjäger wurden nach Zypern verlegt, vor Malta wurden kriegsmäßige Flottenmanöver abgehalten.

Am 29. Oktober stießen israelische Einheiten - nach einem Geheimabkommen mit Paris - über die Sinai-Halbinsel bis zum Kanal vor. Am 5. November besetzten britische und französische Fallschirmjäger die Kanalzone.

Sowjets und USA traten auf den Plan
Die Sowjetunion, die gerade den Volksaufstand in Ungarn niederschlug, drohte mit dem Einsatz von Interkontinentalraketen. Die USA, deren Präsident Dwight D. Eisenhower sich im Wahlkampf befand, übten sodann massiven Druck auf die Angreifer aus, die rasch nachgaben. Das militärische Unternehmen scheiterte.

Nasser als gefeierter Held
Das Ergebnis der Krise war, dass Nasser zur unangefochtenen Führungsfigur der arabischen Welt aufstieg.

Im Irak wurde 1958 die prowestliche Monarchie in einer blutigen Revolution gestürzt, das jordanische Regime geriet unter Druck, Syrien schloss sich mit Ägypten zur "Vereinigten Arabischen Republik" (bis 1961) zusammen, im Libanon kam es 1958 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die USA mussten intervenieren.

Zusammenbruch der Vierten Republik
In Frankreich beschleunigte die Suez-Krise den Zusammenbruch der Vierten Republik und die Machtübernahme von General Charles de Gaulle, der eine antiamerikanische Haltung einnahm. Die französisch-britischen Fusionspläne verschwanden für viele Jahre in den Archiven.