Meuterei in der ÖVP

Khol und Neugebauer offenbar Speerspitze gegen Grasser.
ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer ist der neue starke Mann in der ÖVP: Er wird als Vizekanzler und Finanzminister nicht nur das Regierungsteam der Volkspartei anführen, sondern vom scheidenden Kanzler Wolfgang Schüssel auch die Parteiführung übernehmen.

Doch Schüssel selbst hatte eigentlich andere Pläne: Er wollte Finanzminister Karl-Heinz Grasser nicht nur im Amt belassen, sondern ihn auch als Vizekanzler in die Regierung schicken. Doch in der Nacht auf Dienstag scheiterte Schüssel an massivem Widerstand aus den eigenen Reihen.

"Hätte Angebot angenommen"
Grasser hätte das Angebot angenommen, "wenn die ganze ÖVP das will". Allerdings sei in der Nacht klar geworden, "dass einzelne eine Kampfabstimmung im Parteivorstand herbeiführen wollten." Das hätte er weder sich noch Molterer antun wollen. "Eine Kampfabstimmung wäre ein ganz schlechter Start in eine Koalition gewesen", erklärte Grasser in der Tageszeitung "Österreich" (Mittwoch-Ausgabe).

"Es ist völlig legitim, wenn der eine oder andere in der ÖVP die Meinung hat, dass der Parteichef auch Vizekanzler sein muss." Er habe Molterer gesagt, der Parteiobmann müsse "auch den Vize machen. Er wollte das teilen, ich habe das sehr geschätzt." Laut Grasser sei Molterer "die einzige Integrationsfigur, der man zutrauen kann, dass er die ÖVP zu neuen Erfolgen führt."

"Nächtlicher ÖVP-Putsch"
Die "Kronen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) schrieb gar von einem "nächtlichen ÖVP-Putsch" gegen einen Verbleib Grassers in einer großen Koalition auch als Vizekanzler.

So habe der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol bei der nächtlichen ÖVP-Sitzung erklärt, dass er einen Gegenantrag stellen werde, falls Schüssel im Parteivorstand Grasser als Vizekanzler und Finanzminister vorschlagen sollte. Das hätte bedeutet, dass es zu einer ÖVP-internen Kampfabstimmung gekommen wäre.

Grasser hatte schon abgewunken
Zuvor hatte Grasser, der schon vergangenen Freitag definitiv Nein gesagt habe, sich am Wochenende von Schüssel überzeugen lassen, doch als Vizekanzler und Finanzminister in die Regierung zu gehen - wenn die maßgeblichen ÖVP-Granden zugestimmt hätten.

Schüssel und Molterer seien dann mit dem Grasser-Vorschlag in eine nächtliche Sitzung gegangen und hätten auch Unterstützung bei den Landeshauptleuten von Niederösterreich und Oberösterreich, Erwin Pröll und Josef Pühringer, gefunden. Um zwei Uhr Früh habe Grasser aber von Schüssel einen Anruf erhalten, dass sich ÖVP-intern Widerstand gegen einen Vizekanzler Grasser formiere. Dieser Widerstand sei von Khol und Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer angeführt worden. Schüssel musste einlenken und "Plan B" trat in Kraft - mit Molterer statt Grasser.

Schüssel: "In großer Einmütigkeit"
Diese Entscheidung verkündeten Schüssel und Molterer am Dienstag nach dem Parteivorstand der ÖVP. Grasser hatte noch vor dem ÖVP-Vorstand seinen Rückzug aus der Politik angekündigt, eine Tätigkeit als Investmentbanker dementierte er.

Die Abstimmung über das Personalpaket erfolgte in "großer Einmütigkeit", meinte Schüssel dabei.

Während das Regierungsprogramm vom Parteivorstand einstimmig abgesegnet wurde, gab es beim Personalpaket zwei Gegenstimmen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Molterer wollte Grasser als Vizekanzler
Molterer selbst bedauerte in der ZIB2, dass die "unkonventionelle" Lösung - er selbst als Parteichef und Grasser als Vizekanzler - parteiintern gescheitert sei. "Ich wollte mit Karl-Heinz Grasser den Weg gemeinsam gehen. Das war mein Angebot", so Molterer wörtlich.

Sein Vorgänger Schüssel habe in der schwierigen Situation der Partei nach der Wahlniederlage am 1. Oktober "menschliche Größe" gezeigt. Das verdiene "ungeheuren Respekt".

Grasser meinte im ZIB2-Interview, sein Abschied im ÖVP-Bundesparteivorstand sei "sehr emotional" gewesen. Eine Rückkehr in die Politik schloss er kategorisch aus.

"Gio" Hahn wird Wissenschaftsminister
Wissenschaftsminister wird überraschend der Wiener Landesparteichef Johannes Hahn, dieser sprach in einer ersten Reaktion von einem "spannenden Ressort" - mehr dazu in wien.ORF.at.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat wird durch die Geschäftsführerin der niederösterreichischen Landesspitalsholding, Andrea Kdolsky, ersetzt.

©Bild: APA
©Bild: APA

Außenministerin Plassnik, Innenminister Platter
Außenministerin bleibt Ursula Plassnik. Das Innenministerium wird künftig von Günther Platter geleitet, Wirtschaftsminister bleibt Martin Bartenstein und für Landwirtschaft und Umwelt ist weiterhin Josef Pröll zuständig. Letzterer wurde von Molterer auch als Regierungskoordinator nominiert.

Das am Montag mit der SPÖ vereinbarte Regierungsprogramm wurde nach Angaben des scheidenden Regierungschefs "einstimmig" vom Parteivorstand beschlossen. Schüssel übernimmt vorläufig die Funktion des ÖVP-Klubobmanns.

Lopatka als Sportstaatssekretär
Noch nicht restlos geklärt ist, mit welchen Personen die ÖVP ihre drei Staatssekretärsposten in der künftigen Regierung besetzen wird.

Sportstaatssekretär im Kanzleramt wird jedenfalls Reinhold Lopatka - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Für die Besetzung der beiden anderen Staatssekretäre habe ihm der Parteivorstand am Dienstag das Pouvoir erteilt, so Molterer.

Schüssel: "Job done"
Schüssel begründete die Übergabe der Parteiführung an Molterer mit der Wahlniederlage am 1. Oktober: "Wer minus acht Prozent verliert am 1. Oktober, hat dafür die Verantwortung zu übernehmen."

Allerdings habe ihn die ÖVP nach der Wahl gebeten, noch die Regierungsverhandlungen zu führen. Das sei nun geschehen, sagte Schüssel: "Job done." Daher übergebe er nun die Führung an seinen "jüngeren Bruder" Molterer, der mit "sofortiger Wirkung" als geschäftsführender Parteichef eingesetzt werde.

Molterer will wieder Nummer eins werden
Als Ziel für die nächste Nationalratswahl gab Molterer die Rückeroberung des ersten Platzes aus: "Bei der nächsten Nationalratswahl muss und wird die ÖVP wieder Nummer eins sein."

Molterer (51) ist mit seiner Nominierung als Vizekanzler, Finanzminister und geschäftsführender Obmann aus dem Schatten seines Mentors Schüssel getreten - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Schüssel-Lob für "Willi"
Sein Aufstieg zum Vizekanzler und Quasi-Parteichef war irgendwie logisch, war Molterer doch schon seit langem zweiter Mann in der Volkspartei. Bei Molterers 50er-Feier sprach dann auch sein Noch-Chef Schüssel: "Willi" habe das Format, Parteiobmann, Bundeskanzler oder Bundespräsident zu werden.

Links: