Als populäres Sonderthema der Gebrauchsgrafik begann sich die Weihnachtskarte vor rund 130 Jahren kommerziell zu etablieren und verdrängte die Neujahrskarten, in denen schon seit dem 15. Jahrhundert das Christkind als Neujahrsbringer vorgestellt wurde.
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Karten aus der Wiener Werkstätte
Eine künstlerische Blüte erlebte die Weihnachtskarte hier zu Lande im Rahmen der Wiener Werkstätte. An der Wiener Kunstgewerbeschule fallen Arbeiten zu diesem Thema eines gewissen Oskar Kokoschka auf, die wegen der kühnen Motivik und der koloristischen Brillanz zu erwähnen sind.
Die Blüte der Weihnachtskarte geht einher mit einer Periode der Erneuerung bzw. Neuformulierung weihnachtlicher Traditionen, von denen besonders die Gebrauchsgrafik profitierte: So ließ beispielsweise der Mitinhaber des Verlages Reichhold & Lang, Gerhard Lang, im Jahre 1908 den ersten Adventkalender mit dem Titel "Im Lande des Christkinds" in München drucken.
In der Wahl der Bildmotive sind hier deutlich Affinitäten zu den Weihnachtskarten zu erkennen. In zunehmendem Maße wurde auch die fotografische Technik stilgebend für die Weihnachtskarte.
Volksbildung über Weihnachtsgrafik
In ihren Anfängen war die Weihnachtsgrafik vor allem bemüht, theologische Konstrukte möglichst vielen und dementsprechend eingehend begreiflich zu machen. Zudem erfüllte sie zu Beginn ihrer Entwicklung im 15. Jahrhundert die Aufgabe, auch einem nicht lesekundigen Publikum die Botschaft der Geburt Jesu gerade emotional näher zu bringen.
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Künstlerische Botschaften
Durch die Verbreitung der Drucktechnik (des Holzschnitts und des Kupferstichs) konnten entsprechende Motive in großen Auflagen unters Volk gebracht werden. Von Bedeutung ist dabei der Umstand, dass Grafiken zur Geburt Christi bis in entlegene Regionen neue künstlerische Impulse vermittelten.
Dürer und die "geringen" Werke
Kein Geringerer als Albrecht Dürer verteidigte den künstlerischen Anspruch dieser zumeist kleinformatigen druckgrafischen Erzeugnisse, die ihm schließlich künstlerischen wie auch kommerziellen Erfolg sicherten:
"Aber dorbei ist zu melden, dass ein verständiger geübter Künstner sein gross Gwalt und Kunst mehr erzeigen kann etwan in geringen Dingen denn Mancher in seinem grossen Werk. Daraus kummt, dass Manicher etwas mit der Federn in eim Tag auf ein halben Bogen Papiers reisst oder mit seim Eiselein etwas in klein Hölzlein versticht, das würd künstlicher und besser dann eins Anderm Grosses Werk, daran derselb ein ganz Jahr mit höchstem Fleiss macht. Und diese Gab ist wunderlich."
Feststehendes Repertoire
In Dürers Meistergrafiken wird bereits jenes weihnachtliche Motivrepertoire ausgebreitet, das nun bereits über mehr als ein halbes Jahrtausend unsere Bildvorstellungen von der Menschwerdung Gottes prägt.
Erst durch zunehmende Kommerzialisierung in den letzten hundert Jahren und die Profanisierung der Motivik entfernte sich die Weihnachtskarte zusehends von ihrer ursprünglichen inhaltlichen Zielsetzung.
Historische Hintergründe
Das Weihnachtsfest war als Nachfolgefest des römischen Festes des unbesiegbaren Sonnengottes ("Natalis Solis invicti") verbunden mit der Tradition, das kommende Jahr nicht nur mit gegenseitigen Glückwünschen, sondern auch Geschenken zu zelebrieren.
Als man im 6. Jahrhundert das Fest der Beschneidung Jesu als ernsten Kontrapunkt zum schwelgerischen Neujahrfest einführte, hoffte man, mit diesem Bußtag das ausgelassene Treiben zu Neujahr zu bremsen.
Kolorierte Drucke als Neujahrsgruß
Erst als der 1383 geborene Papst Eugen IV. (Pontifikat 1431-1447) den Jahresanfang kirchlicherseits auf den 25. Dezember verlegte, wurde damit parallel das Schenken und Beschenktwerden von Neujahr auf Weihnachten verlegt.
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Papst Eugen löste damit ungewollt auch einen neuen Brauch aus: Um 1475 begann man, an Freunde kolorierte Drucke mit der Darstellung des Christkindes als Neujahrsgrüße zu verschicken.
Die Erfindung der Postkarte
In profanisierter Form wurde diese Tradition schließlich zur Zeit der Romantik und des Biedermeier wieder belebt. Begünstigt wurde die quantitative Ausweitung des Geschäfts mit der Weihnachtskarte vor allem durch die Erfindung der Postkarte.
Sie geht auf Emanuel Herrmann, einen Lehrer an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, zurück, der 1869 in der "Neuen Freien Presse" in einem Aufsatz "Über eine neue Art von Correspondenz mittels der Post" seine Idee vorstellte. Bereits im Oktober desselben Jahres wurde die "Correspondenzkarte" im Format von 8,5 mal 12,2 Zentimetern ausgegeben.
Postkarten mit Lithografien
Sehr rasch nahmen sich die Lithografen der ursprünglich bilderlosen Postkarte an und zierten sie auf der Vorderseite mit allerhand Motiven, mit denen der Absender zugleich auch Witz und Geschmack beweisen konnte.
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Diese mit Abbildungen aller Art versehene Postkarte - ob nun gedruckt, geprägt oder fotografiert - etablierte sich rasch als Ansichtspostkarte und erschien in unseren Breiten erstmals 1870.
Botschaft vor allem übers Bild
Die Technik der Farblithografie wie auch eine Reihe neuer drucktechnischer Techniken boten zudem jene gestalterische Vielfalt, die gerade die Weihnachtsgrafik um 1900 prägt. Oft wurden bei der Herstellung dieser Weihnachtskarten die verschiedensten Techniken kombiniert.
Vielfach waren die alten Karten, die auf der Bildvorderseite den Weihnachtsgruß "Frohe Weihnachten" mit dem jeweiligen Motiv zeigten und auf der Rückseite auf Grund von postalischen Bestimmungen nur mit der Anschrift des Empfängers versehen werden durften, meist reine, gezeichnete Farblithografien.
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Billigere Verfahren
Nicht so aufwendig in der Produktion waren Karten, die mit gerasterten Zinkklischees, den Autotypien, fabriziert wurden. Als besonders hochwertige Drucktechnik für Postkarten erwies sich der Lichtdruck, bei dem mit Kaliumbichromat lichtempfindlich gemachte Gelatineschichten zum Drucken herangezogen wurden.
Hier erwies sich jedoch die vergleichsweise niedrige Auflagenhöhe, die kaum über 2.000 Stück hinausging, als ein deutlicher kommerzieller Nachteil. Daher wurden viele Karten aus Kostengründen auch teilweise händisch mit Schablonen nachkoloriert.
Weihnachtsfotos werden verschickt
Der Fotochromdruck (der Schweizer Firma Orell Füssli) eignete sich besonders für das Übertragen von Fotos. Bei dieser technischen Spielart der Lithografie wurde beim Transfer der Fotos auf den Stein lichtempfindlich gemachter Asphalt herangezogen.
Dass sich auch zahlreiche bekannte zeitgenössische Künstler am Motiv der Weihnachtskarte abgearbeitet haben, zeigt zurzeit eine Ausstellung im Stift Kremsmünster. Beigetragen hat zur Ausstellung auch der Wiener Kunsthistoriker Hannes Etzlstorfer, der in seiner Sammlung eine kulturhistorische Weihnachtskartensammlung aus mehreren Jahrhunderten vereint.
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Kritische Auseinandersetzung
Günter Brus, Gunter Damisch, Bazon Brock und viele mehr haben Weihnachtstraditionen auf höchst subjektive bzw. kritische Blickweisen heruntergebrochen.
Damisch etwa verbindet bei seiner in den 80er Jahren entstandene Weihnachtskarte die "Weihnachtsvehikel" Stern, Engel und Weihnachtsbaum zu einer höchst eigenwilligen Komposition.
Zurück zu frühchristlicher Tradition
In ganz andere Bahnen lenkt Klaudius Wintz mit seinen Weihnachtskarten das Interesse der Betrachter: Für den Benediktinermönch des Stiftes Kremsmünster und Kustos der stiftlichen Kunstsammlungen bildet zwar eine zum Piktogramm reduzierte Version des berühmten Tassilokelchs den jeweiligen Ausgangspunkt seiner weihnachtlichen Grußbotschaft.
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Die Karten werden aber um heilsgeschichtlich relevante Wortspiele und Zahlenrätsel bereichert. Wintz erinnert damit an frühchristliche Traditionen, in denen bildliche Motive dem Text untergeordnet waren.
Visitenkarte zum Weihnachtsfest
Auch viele international renommierte Künstler erkannten in den letzten Jahren, dass gerade die kreative Weihnachtskarte als nicht zu unterschätzendes Medium eingesetzt werden kann - ob nun als gesellschaftskritischer Stachel oder als künstlerische Visitenkarte.
Chiffren der Menschwerdung
Der britische Bildhauer Richard Deacon hat beispielsweise seine Weihnachtskarte des Jahres 1996 als siebenteiligen Leporello gestaltet, wobei die Vorderseite nach Art eines Adventkalenders die Ziffernfolge eins bis 25 aufweist, während die Rückseite einzelne Gebilde vorstellt, die teils Zellstrukturen ähneln.
Als entschlüsselte Bausteine des Lebens kennen wir diese mikroskopischen Einblicke auch aus den Bereichen der Medizin und Biologie. Mit diesen Chiffren für Leben wird man an den Beginn menschlichen Lebens zurückgeführt und zugleich an das Geheimnis der "Menschwerdung" erinnert.
"Ho Ho Ho"
Sein britischer Künstlerkollege Damien Hirst weicht mit seinem Weihnachtsgruß ins Plastische aus: In seinem Siebdruck auf Plexiglas "Ho Ho Ho" zitiert er den im Angelsächsischen bzw. Amerikanischen gängigen Ruf des "Father Christmas".
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Hirst greift in dieser Arbeit auf die für seinen Personalstil typischen Punkte und Tupfen zurück, die er hier auch als Schneeflocken verstanden wissen will. Er ordnet und konserviert sie gleichsam - eingeschweißt in Plexiglas. Die Skepsis gegenüber einem überbordenden Fest wird aber auch in dieser Arbeit manifest.
Ein leeres Packerl
Der britische Biennale-Vertreter Mark Wallinger hat mit seinem 2001 entstandenen Weihnachtsgruß "It is the thought that counts" die Geschenksidee wie auch die zumeist verwendeten Worthülsen beim Ritual des Beschenkens nicht nur im Titel ironisch notiert, sondern auch in diesen seriell gefertigten Weihnachtsgrüßen selbst parodiert.
Das kunstvoll verpackte Geschenkspäckchen ist nämlich leer, das Kunstwerk somit durch die Neugierde des Beschenkten beim Auspacken im Grunde der Zerstörung ausgeliefert.
Von Glückwünschen befreit
Gefahr, zur weihnachtlichen Massenpost zu werden, laufen diese künstlerischen Produkte nicht. Wer heute unter den zahlreichen Weihnachtszusendungen, gerade in der Bürowelt, stöhnt, der darf ans Biedermeier erinnert werden.
Damals wehrte man sich gegen eine Flut von Neujahrsglückwunschkarten, die bei städtischen Heischgängen von Sänftenträgern, Kellnern und anderen Dienstleistungsberufen gegen einen Obolus vor der Wohnungstür überreicht wurden, indem man 1830 eigene "Glückwunsch-Enthebungskarten" für geplagte Zeitgenossen einführte.
Alle Bilder mit freundlicher Unterstützung des Stiftes Kremsmünster
Links:
- Weihnachtskarte (Wikipedia)
- Christmas Card (Wikipedia, engl.)
- Wer erfand die Weihnachtskarte?
- Stift Kremsmünster
- Kokoschka-Zentrum