Von Maria Stuart zu Ulrike Meinhof

In Hamburg wurde Jelineks Stück bejubelt.
Elfriede Jelineks "Ulrike Maria Stuart" wurde bei der Uraufführung Ende Oktober am Hamburger Thalia Theater mit Begeisterung aufgenommen.

"Ulrike Maria Stuart" ist kein Dokumentarstück, sondern ein Spiel der Stimmen über vier Frauen, die Geschichte machten. Den "Königinnen"-Kampf zwischen Elizabeth I. von England und ihrer Gegnerin Maria Stuart spiegelt die österreichische Dramatikerin und Literatur-Nobelpreisträgerin anhand von Schiller-Zitaten in den Rivalitäten der beiden RAF-Führerinnen Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin.

Jelinek rechnet mit der Utopie ab, mittels einer Stadtguerilla die Gesellschaft verändern zu können, und zeigt das Scheitern der RAF-Aktivistinnen aus persönlichen wie politischen Gründen.

"Schändung" des Jelinek-Textes
Regisseur Nicolas Stemann, der mittlerweile sein drittes Jelinek-Stück auf die Bühne brachte, nahm sich gegenüber dem sehr sperrigen Ausgangstext große Freiheiten und fügte Neues an Jelineks Stück an. Als eine von der Autorin einkalkulierte "Schändung" des Ausgangstextes bewertete etwa die "Süddeutsche Zeitung" dieses Vorgehen des Dramaturgen.

Stemann löst die verschachtelten Textflächen des Stücks auf spielerische Art auf. Die Form einer Nummernrevue ermöglicht ihm, filmische, musikalische und parodistische Mittel einzusetzen. Er zeigt ein Theater im Theater: Erst öffnet sich ein Vorhang, dann ein zweiter, der die Show-Treppe mit drittem Vorhang freigibt.

Personen kreisen um sich selbst
Stemann führt nicht nur das Scheitern der RAF vor, sondern auch das Problem der Deutung dieser Führerinnenfiguren, deren Kämpfen vor allem das Reden ist, aus heutiger Sicht. Sie bleiben im Text wie in der Aufführung Zitate und kreisen hauptsächlich um sich selbst - wie es auch die Drehbühne tut.

Die Episode von Ensslins Verhaftung singt Judith Rosmayr als flotten Pop-Song, liefert sich mit der Rivalin in den historischen Kostümen von Elizabeth und Stuart ein komisches Blockflötenduell, live begleitet von zwei Musikern.

In ihrem großen Monolog schafft es Susanne Wolf als Ulrike Meinhof, etwas von der persönlichen Krise der Terroristin zu vermitteln und gleichzeitig ihr Unverständnis für die RAF- Aktivistin auszudrücken, die sich schließlich selbst umbrachte.

Ansonsten schafft der Regisseur durch die szenischen Brüche und Rollenwechsel gekonnt
Distanz zu den Figuren, zum Text und Spiel.

Zwischen "Ernst und Scherz"
"Das Stück pendelt genial zwischen Ernst und Scherz, ohne in purem Ulk auszuarten", befand die dpa.

Derbes ist dem Stück allerdings nicht fremd. Nackte Schauspieler dürfen mit Ketchup um sich werfen, den Zusehern ist es wiederum erlaubt, sich mit einem Zielwerfen auf die als Pappkameraden präsentierten Ex-Kanzler Gerhard Schröder, "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann am Stück zu beteiligen.

Das Auftauchen von Marlene Streeruwitz als sprechende Vagina ist Teil einer mehr als übertriebenen Burleske.