Die Zerstörung einer Legende

Hinter der Geschichte von Salomo standen beinharte wirtschaftliche Überlegungen.
Die biblischen Gestalten David und sein Sohn Salomo gelten als zentral für die Geschichte des Juden- und Christentums und galten lange Zeit als Vorbilder für die "gute, von Gott sanktionierte Herrschaft".

Gut eingeprägt ins kollektive Gedächtnis sind die Erzählungen des Kampfes Davids gegen Goliath und seines Aufstiegs zum König. Allgemein bekannt sind auch die Legenden von Salomos Tempelbau, seinem unermesslichen Reichtum ("Das Gold des König Salomo") und dem Besuch der Königin von Saba.

Der nackte Kern
Die beiden Archäologen Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman räumen in ihrem jüngsten Buch "David und Salomo. Archäologen entschlüsseln einen Mythos" nun mit der biblischen Erzählung über die beiden Könige gründlich auf und legen "den nackten Kern" dar.

Archäologie widerspricht Bibel
Das Autorenduo verweist die beiden Könige nicht ganz in das Reich der Fiktion, sondern schreibt eine andere, weniger ruhmreiche Geschichte.

Finkelstein und Silberman stützen sich dabei auf archäologische Ausgrabungen und Funde und auch auf ein umfangreiches Quellenstudium nicht nur der Bibel. Sie ziehen dabei auch babylonische und ägyptische Dokumente heran.

Im Interesse der Politik
Daraus entsteht die provokante, allerdings stichhaltig argumentiere These: Von den tatsächlichen Königen bzw. Stammesfürsten weiß man so gut wie nichts.

Die Legende bzw. das Schriftwerk wurde in den Jahrhunderten danach immer wieder im Interesse politischer und religiöser Machtansprüche umgearbeitet und erweitert.

Kein goldenes Zeitalter?
Während David laut Finkelstein und Silberman seine Karriere als Bandit, als eine Art Robin Hood beginnt, wird sein Sohn Salomo bereits in das, allerdings erst kurz bestehende, Königshaus hineingeboren.

Er ist in der biblischen Erzählung der Vertreter und Bewahrer eines goldenen Zeitalters, und das in einem Königreich, das es so nie gegeben hat. Jerusalem war zu Salomos Zeiten nicht viel mehr als ein Dorf, wie Finkelstein und Silberman schlusskräftig argumentieren.

Keine Spur von Salomos Tempel
"Selbst großflächige Grabungen an den Hängen des Tempelbergs beförderten nur ein paar verstreute Tonscherben aus dem 10. Jahrhundert (vor Christus, Anm.) zu Tage."

Keine Spur vom salomonischen Tempel oder anderer Monumental- oder Prachtbauten, wie es für die Hauptstadt eines so großen wie in der Bibel geschilderten Reiches anzunehmen wäre.

Eine Geschichte, laufend aktualisiert
Die Geschichte der beiden Könige ist im 10. und 9. Jahrhundert vor Christi angesiedelt. Sie spiegelt jedoch nicht die Gesellschaft und die technischen Errungenschaften jener Zeit wider, sondern bedient sich Anachronismen aus der Zeit ihrer späteren mündlichen und dann schriftlichen Überlieferung.

Schicht für Schicht tragen Finkelstein und Silberman die Umgestaltung späterer Jahrhunderte ab und vergleichen sie mit den archäologischen Funden.

Zirkelschluss der biblischen Archäologie
Die biblische Archäologie lassen die beiden Autoren nicht gelten. Sie arbeite in einem Zirkelschluss und ihr komme deshalb keine Beweiskraft zu. Ein Fund werde in seiner Datierung Ereignissen in der Bibel zugeordnet und umgekehrt.

"Raffiniertes Propagandawerk"
Laut Finkelstein und Silberman, die die Verschriftlichung ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. datieren, handelt es sich bei der biblischen Erzählung um ein "raffiniertes Propagandawerk".

Die Geschichte sollte die Herrschaft des südlichen Juda über Israel im Norden legitimieren. Vor allem die Salomo-Legende sei die Rechtfertigung und Propagierung der Teilnahme am "globalisierten Fernhandel" unter der Oberherrschaft der Assyrer im 8. Jahrhundert unter König Manasse.

Es ging um "Globalisierung"
Damals wie heute gab es durch die "Globalisierung" Gewinner und Verlierer. Unruhe machte sich deshalb breit.

Die Legende diente dazu, den Fernhandel, man denke an den Besuch der legendären Königin von Saba bei Salomo und deren Staunen über seine durch Weltoffenheit errungenen Reichtümer, in eine Geschichte des früheren, allerdings nicht existenten "goldenen Zeitalters" einzubetten und so die Kritiker mit dem Verweis auf Salomo ruhig zustellen.

Glaube als Mittel der politischen Einigung
Und eine weitere Rechtfertigung beinhaltet die biblische Geschichte. Sie sollte Juda und Israel durch die Neuausrichtung des Glaubens einen - und diese Neuausrichtung bestand im Zentralismus und dem Abschütteln lästiger Konkurrenten.

Es kann nur einen geben
Nur noch ein einziger Tempel sollte das Haus Gottes sein und im Mittelpunkt der religiösen Verehrung und der für die Priesterschaft lukrativen Opfer stehen: der Tempel in Jerusalem. Um sich auch hier mit historischer Tiefe zu geben, wurde der Tempelbau in die Zeit Salamos rückverlegt.

Durch den sprunghaften Anstieg der Pilger erlebte Jerusalem einen weiteren Aufschwung: Die Gläubigen aus der Provinz mussten sich auch versorgen und brauchten Schlafplätze. Der nun konkurrenzlose Tempel wurde so zu einer regelrechten Geldmaschine.

Der Weisheit letzter Schluss
Und auch vor der Weisheit des Königs Salomo - etwa sein Richtspruch bei dem Streit um ein Kind, das berühmte "Salomonische Urteil" - machen die beiden Autoren nicht Halt.

Es handle sich bei dem Salomo Zugeschriebenen um eine Kompilation aus unterschiedlichen Quellen der Weisheitssprüche, die mit Salomo nichts zu tun haben und erst nachträglich dem legendären König zugeschrieben wurden.

Peter Bauer, ORF.at

Buchhinweis:
Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman: David und Salomo - Archäologen entschlüsseln einen Mythos. C. H. Beck, 2006, 25,60 Euro.

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