Ein Stück Kalter Krieg

Wolf war eine der Schlüsselfiguren des Kalten Krieges.
Der frühere Geheimdienstchef der DDR, Markus Wolf, ist tot. Er starb in der Nacht auf Donnerstag im Alter von 83 Jahren in Berlin, teilten seine Schwiegertochter und der Eulenspiegel-Verlag mit. Wolf sei in seiner Wohnung friedlich eingeschlafen.

Wolf galt als der DDR-Topspion und hielt den Westen zum Narren.

Westen spielte in seine Hände
Doch spätestens mit dem Ende der DDR landeten auch viele Legenden über den Ostberliner Agentenführer auf dem Müll der Geschichte.

Denn bei der Aufarbeitung der DDR-Spionage in den 90er Jahren stellte sich schnell heraus, dass die Erfolge des "Chefs der Spione" auch dem Versagen seiner Gegenspieler im Westen zuzuschreiben waren.

Der "Mann ohne Gesicht"
Im Westen galt DDR-Spionagechef Wolf über viele Jahre hinweg als der "Mann ohne Gesicht". Er war Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke. Fast 30 Jahre war er der Chef der DDR-Auslandsagenten.

Erst 1978 war es in Stockholm gelungen, ein Foto von ihm zu schießen. Zuvor hatten seine Gegenspieler Wolf nur von einem Bild aus dem Jahre 1959 gekannt.

Spion bei Brandt eingeschleust
Wolf hatte den Spion im Bonner Bundeskanzleramt Günter Guillaume rekrutiert, dessen Enttarnung 1974 zum Rücktritt von Kanzler Willy Brandt führte.

Seinen größten Erfolg, das Einschleusen von Guillaume, fasste er letztlich als Niederlage auf: Als Brandt zurücktrat, bedauerte der Stratege den Guillaume-Einsatz.

Wolf: "Siegerjustiz"
Nach der Wiedervereinigung stand "die graue Eminenz der Spionagewelt" ganz oben auf der bundesdeutschen Fahndungsliste.

Wolf war eine Schlüsselfigur des Kalten Krieges. Zur Wendezeit ging Wolf nach Moskau, wo er als Emigrantenkind aufgewachsen war. Er kehrte aber 1991 freiwillig zurück. Nach seiner Rückkehr wurde ihm der Prozess gemacht.

Zwei Prozesse
Seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft wegen Landesverrats wurde später aufgehoben. Denn nach einem Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts durften DDR-Bürger, die vor der Wiedervereinigung gegen die Bundesrepublik Deutschland spioniert hatten, dafür nur noch eingeschränkt strafrechtlich verfolgt werden.

Bei einem zweiten Prozess ging es dann um die Verschleppung von vier Menschen in den 50er und 60er Jahren. Dafür wurde Wolf im Mai 1997 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Die Strafverfolgung empfand der Ex-Spionagechef bis zuletzt als "Siegerjustiz".

"Keine strafbaren Handlungen"
Seine früheren Mitarbeiter preiszugeben, lehnte er aus moralischen Gründen ab. Strafbare Handlungen vermochte Wolf in seiner über 30-jährigen Spionagetätigkeit nicht zu erkennen.

Schließlich habe er sich als Bürger und Funktionsträger der DDR stets an die geltenden Gesetze gehalten. Eine Art Rechenschaftsbericht legte Wolf 1997 in seinen Memoiren unter dem Titel "Spionagechef im geheimen Krieg" vor.

Erfolg mit Kochbuch
Im Alter trat der ergraute, groß gewachsene Geheimdienstler mit dem markigen Gesicht als Kochbuch-Autor und Schriftsteller ("Freunde sterben nicht") auf.

Ausbildung in der Sowjetunion
Der Sohn des jüdischen Dramatikers, Arztes und Kommunisten Friedrich Wolf wurde am 19. Jänner 1923 in Hechingen/Hohenzollern geboren und wuchs in Stuttgart auf. 1933 emigrierte die Familie in die Schweiz, später in die Sowjetunion.

Dort besuchte Wolf zusammen mit seinem Bruder Konrad, der sich später als Filmregisseur in der DDR einen Namen machte, die Komintern-Schule.

Vom Journalisten zum Spion
1945 kehrte er nach Deutschland zurück. Er arbeitete zunächst als Journalist und beobachtete für den Berliner Rundfunk die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse.

Herr über 4.000 Auslandsagenten
Im Alter von nur 28 Jahren wurde Wolf 1951 mit dem Aufbau eines DDR-Auslandsgeheimdienstes betraut. Seit 1958 war er Leiter dieser Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und einer der Stellvertreter des Ministers Mielke.

Mit der Präzision eines Schachspielers führte Wolf bei den Einsätzen von über etwa 4.000 Auslandsagenten Regie.

"Zu schillernd" für einen DDR-Spion
Der umtriebige Wolf war Stasi-Chef Mielke nicht immer ganz geheuer. Zu schillernd war dem Minister das Privatleben seines Agentenführers, der drei Mal heiratete.

Am 5. Februar 1986 meldete die DDR-Nachrichtenagentur ADN, Wolf scheide auf eigenen Wunsch aus dem aktiven Stasi-Dienst aus.

"Belesen, witzig, charmant"
Selbst die Spionagechefs des Westens hatten ihm Anerkennung gezollt. "Wolf ist ein sehr belesener Mensch, witzig und charmant, an Musik und Philosophie interessiert. Diesen Gegenspieler hat man respektiert", bemerkte der Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes, Heribert Hellenbroich.

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