Frist bis Dezember

EU-Bericht über Türkei mehr als kritisch.
Die EU-Kommission lässt den Fortgang der Beitrittsgespräche mit der Türkei trotz zahlreicher Mängel offen. Die Kommission beschloss am Mittwoch in Brüssel einen kritischen Fortschrittsbericht über die seit einem Jahr laufenden Gespräche.

Sie bemängelt vor allem ein zu langsames Tempo der politischen Reformen und die andauernde Blockade türkischer Häfen für Schiffe aus Zypern. Der Türkei wurde eine Frist bis Mitte Dezember gesetzt, um sich im Zypern-Streit zu bewegen. Ansonsten werde Brüssel "die nötigen Empfehlungen" für das Gipfeltreffen der EU-Staats- und -Regierungschefs am 14. und 15. Dezember geben.

Noch keine Empfehlung
Die EU-Kommission forderte die Türkei zum raschen Einlenken im Streit über die De-facto-Anerkennung Zyperns auf. Die Kommission erinnerte daran, dass die Staats- und Regierungschefs noch im Dezember die "volle Umsetzung" des von der Türkei unterschriebenen, aber nicht ratifizierten Ankara-Protokolls erörtern wollten.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn gab vorerst keine Empfehlung zur Frage ab, ob die Verhandlungen mit der Türkei abgebrochen oder ausgesetzt werden sollten.

"Kein Elefant im Porzellanladen"
Rehn betonte, die Kommission unterstütze die Anstrengungen des finnischen EU-Ratsvorsitzes für eine Lösung des Streits über die geteilte Insel Zypern und habe nicht zuletzt deshalb auf Empfehlungen verzichtet. "Ich denke nicht, dass das der geeignete Moment ist, um irgendwelche Empfehlungen abzugeben", sagte Rehn.

"Wir fragen uns: Warum sollen wir uns wie der Elefant im Porzellanladen aufführen?" Der finnische Plan sei vielleicht für lange Zeit die letzte Chance, um einer Lösung näher zu kommen, unterstrich der Kommissar.

Verstoß gegen das Zollabkommen
Die Türkei verweigert zypriotischen Schiffen und Flugzeugen den Zugang mit der Begründung, die türkische Bevölkerung in dem seit 1974 von türkischen Soldaten besetzten Norden Zyperns sei nach wie vor isoliert.

"Die Umsetzung des Ankara-Protokolls ist eine rechtliche Verpflichtung als solche, die nicht an die Lage der türkisch-zypriotischen Bevölkerung geknüpft werden darf", erklärte die Kommission. Das Verbot sei ein Verstoß gegen das Zollabkommen mit der EU.

Erdogan zeigt sich uneinsichtig
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dämpfte allerdings bereits kurz vor Veröffentlichung des Berichts Erwartungen nach einem Entgegenkommen im Zypern-Streit.

Es sei nicht "realistisch", eine Öffnung türkischer Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus der Republik Zypern zu erwarten, solange die EU nicht die Isolation des türkischen Nordens der Mittelmeerinsel beende, sagte Erdogan am Mittwoch nach Angaben von Teilnehmern im Gespräch mit türkischen Journalisten.

"Bemühungen gehen weiter"
Trotz aller Probleme im Verhältnis seines Landes zur EU und der wachsenden Europa-Skepsis seiner Landsleute zieht Erdogan aber keinen Abbruch der Beitrittsverhandlungen in Betracht. "Unsere Bemühungen werden weitergehen", sagte Erdogan, "auch wenn "Phasen der Stagnation" möglich seien.

Selbst ein großes Land wie Großbritannien habe elf Jahre gebraucht, bis es Mitglied im Klub der westeuropäischen Demokratien geworden sei, sagte Erdogan. Der Premier wandte sich auch gegen die von Nationalisten in der Türkei gestartete "Kampagne" gegen die EU.

Gül: "Werden Häfen öffnen"
Der türkische Außenminister Abdullah Gül zeigte sich hingegen bereit, alle von der EU geforderten demokratischen Reformen zu ergreifen. "Wer sich gegen den Beitritt der Türkei in die EU stemmt, hat keinerlei Chancen, diese historische Entwicklung zu stoppen", betonte Gül, der in Rom an einem italienisch-türkischen Forum teilnahm.

Der türkische Außenminister zeigte sich bezüglich der "schweigenden Revolution" optimistisch, die sich in seinem Land vollziehe, um die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen. "Der Verhandlungsweg ist hürdenreich, doch wir wissen, dass wir zu einem guten Resultat gelangen werden", versicherte Gül. In Punkto Zypern zeigte Gül Kooperationsbereitschaft. "Wir werden die Häfen öffnen".

Weitere schwere Mängel
In dem Fortschrittsbericht werden aber auch andere große Mängel angesprochen: Der nach wie vor "beachtliche politische Einfluss des Militärs" wird ebenso wie mangelnde Unabhängigkeit der Rechtsprechung in der Türkei bedauert.

Es gebe nach wie vor Berichte über Folter. Das geltende Strafrecht in Sachen Meinungsfreiheit sei immer noch "Grund für Besorgnis". Die Religionsfreiheit sei nicht gesichert.

Die Türkei habe die politischen Reformen zwar fortgesetzt, "aber das Tempo hat sich im vergangenen Jahr verlangsamt", kritisiert der EU-Bericht.

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