Da im Herbst 2006 seit dem Who-Comeback Albenveröffentlichungspausen in der Kategorie "20 Jahre plus" nicht mehr verwundern, darf auch jemand getrost 28 Jahre nach seinem letzten Album ("Back To Earth") wieder mit einem Tonträger an die Öffentlichkeit treten.
Viel Platz für Grundsätzliches
"An Other Cup" (Universal) heißt das Album, das jene Stimme zurückbringt, die eine der prägendsten der 70er Jahre war. Offenkundig soll man das Album auch als Anknüpfung an Cat Stevens berühmtes "Tea For The Tillerman" verstehen, wenngleich "Another Cup", so zeigt es jedenfalls die Mokka-Tasse auf dem Album-Cover, nun für Kaffee und nicht Tee reserviert ist.
Doch es wäre nicht Cat Stevens/Yusuf Islam, wäre nicht in der kleinsten Tasse Platz für jede Menge an Grundsätzlichem bzw. Metaphysischem (im Häferl auf dem Cover schwappt nicht von ungefähr das große blaue Meer).
Zarte Imperative
Schon bei "Tea For The Tillerman" durfte man Sätze wie "Oh baby, it's a wild world" eher als Rückzugs- denn als Rebellionsaufforderung verstehen. Jetzt ist man gleich zu Beginn mit einer dezenten Warnung konfrontiert: "Avoid The City After Dark".
Yusuf Islam ist Cat Stevens schon bei der Intro-Nummer in einem treu geblieben: Die Natur ist ein Ort, an dem das Wahre gegenüber der künstlich geformten Wirklichkeit gesucht wird: Bei "Midday - Avoid The City After Dark" dachte Yusuf Islam, wie er selbst sagte, an das kleine Stück Natur am Soho Square in London "in der Mitte dieses hedonistischen Vergnügungsviertels".
Abkehr vom Minimalismus
Anders als früher setzt Stevens neben seiner unverkennbaren (und unverkennbar gebliebenen) Stimme und den geschlagenen und zerlegt gespielten Gitarrenakkorden auf satte Hintergrund-Arrangements. "Heaven/Where True Love Goes" und "In The End" können als durchaus klassische Cat-Stevens-Nummern gelten - wenngleich im Hintergrund das Schmalz fließt.
Auch die Interpretation eines 60er-Jahre-Klassikers wie "Don't Let Me Be Misunderstood" hat sich auf das Album verirrt, der in seiner Überorchestrierung ein wenig wie ein Fremdkörper wirkt - vielleicht kommt es hier aber vor allem auf die Botschaft des Textes an: "I'm just a soul whoes intentions are good/Oh Lord, please don't let me be misunderstood."
Yusuf Islam erklärt zum Erscheinen seines Albums, dass er den Hörern die Freiheit lassen möchte, die Texte mit eigenen Sinnhorizonten zu füllen - für Religiöses ist da ebenso Platz wie für säkular Zwischenmenschliches: also Lieder für die Jazz-Messe als auch für die Kuschel-Couch.
Religiöse Erleuchtungen
Eine Hürde beim Rezipieren der Texte bleibt die Biografie von Yusuf Islam. Zu viele Missverständnisse haben sich um Aussagen von Islam in den letzten Jahrzehnten gerankt, etwa seine angebliche Verteidigung des Fatwas gegen Salman Rushdie.
Wenn man Verse wie "You can't bargain with the truth" und "If only you all could rely on God with absolute trust" samt der Fußnote zum Propheten Mohammed liest bzw. hört, dann kommt letztlich der Verdacht auf, hier wolle am Ende doch jemand mit seiner eigenen Erleuchtung die Nichtgläubigen missionieren.
Selbiges könnte man natürlich auch christlichen predigenden Popbarden unterstellen - doch irgendwie bleibt die Einsicht, dass Pop trotz aller Xavier Naidoos dieser Welt eine letztlich primär säkulare (und eben hedonistische) Sache ist.
Mann vieler Gesichter
Yusuf Islam, der einst mit bürgerlichem Namen Steven Demetre Georgiou hieß und 1948 als Sohn eines griechisch-zypriotischen Vaters und einer schwedischen Mutter zur Welt kam, war stets ein Mann vieler Gesichter.
Der bärtige Bursche mit dem Lockenkopf schien mit seiner Musik in den 70er Jahren wie ein Brückenkopf zwischen der Hippie-Bewegung und den kommenden Ökos. 60 Millionen Platten hat er in seiner Hochzeit verkauft und dabei vor allem vom Singer-Songwriter-Boom profitiert.
Schlechte Presse
Sein Übertritt zum Islam Ende der 70er Jahre und die Änderung seines Namens in Yusuf Islam brachten eine radikale Abkehr vom Musikgeschäft mit sich. Die Medien fassten ihn an wie eine heiße Kartoffel - und fortan waren es vor allem Missverständnisse, mit denen der zum Prediger mutierte Ex-Popstar Schlagzeilen machte.
Neben der Rushdie-Debatte gab es zahlreiche Verdächtigungen. Yusuf Islam habe die Hamas unterstützt (was er vehement von sich wies), wurde behauptet. Israel verweigerte ihm die Einreise, und nach 9/11 wurde er aus den USA ausgewiesen, da man ihm Verbindungen zum Terrorismus unterstellte.
Yusuf Islam stellte sich deutlich gegen die Terrorakte in New York und Washington. "Wenn jemand einen Unschuldigen tötet, ist es, als ob er die ganze Menschheit töte", sagte er am 20. September 2001 - und zitierte dabei einmal mehr den Koran.
Kulturelle Lücke schließen
"Another Cup" mag vor dem Hintergrund der Debatten über seine Biografie auch eine Art musikalisches Kommunikationsangebot sein (bei der Promotion des Albums wurde sehr auf die guten Absichten des Sängers verwiesen, ein langes, persönliches Interview mit den Promo-CDs verschickt).
"Ich möchte versuchen, dabei zu helfen, kulturelle Lücken zu schließen, die andere manchmal verängstigt überqueren", ließ er zur Veröffentlichung seines Albums verlauten.
Ob religiöse Botschaften dabei helfen, wird jeder Hörer für sich beurteilen müssen. Fans und Nostalgiker können den alten Cat Stevens entdecken, nicht nur, weil er das Album mit "Green Fields, Golden Sands", einer Nummer aus dem Jahr 1968, beendet.
Das Ereignis auf "An Other Cup" bleibt seine zeitlose Stimme. "Unzerstörbar" sei diese, meinte "Der Spiegel". Die Texte sind zuweilen schwerer Tobak - aber war das nicht auch schon bei Cat Stevens so?
Gerald Heidegger, ORF.at
TV-Hinweis
"Kreuz&Quer" zeigt am 14. November um 23.05 Uhr in ORF2 die Dokumentation "A Few Good Songs" über Yusuf Islam - mehr dazu in religion.ORF.at.
Links:
- Yusuf Islam
- Cat Stevens (Wikipedia)
- Universal