"Einvernehmliche Trennung"
Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates und Pischetsrieder hätten sich "einvernehmlich" auf die Trennung verständigt. Weiteres wollte VW am Dienstagabend nicht dazu mitteilen. Diese Sprachregelung deutet üblicherweise auf Auseinandersetzungen im Führungskader hin.
Das Präsidium empfehle die Berufung von Winterkorn als neuen Vorstandschef. Darüber werde der Aufsichtsrat am 17. November entscheiden.
Winterkorn ist seit dem 1. März 2002 Audi-Chef. Der 59 Jahre alte Manager steht vor einer schweren Aufgabe, da die Marke VW in der Krise ist und mit einem tief greifenden Sanierungsprogramm wieder flott gemacht werden soll.
Spezialaufgaben für Pischetsrieder?
Pischetsrieder soll Aufsichtsratskreisen zufolge weiter bei dem Autobauer bleiben. "Wir haben intern miteinander besprochen, dass er für Spezialaufgaben zur Verfügung stehen wird", sagte ein Aufsichtsratsmitglied der Nachrichtenagentur Reuters.
Pischetsrieder scheide nicht bei Volkswagen aus. Über die Gründe für den Rückzug als Vorstandschef sei im Präsidium des Aufsichtsrats Stillschweigen vereinbart worden.
Marke unter Druck
Europas größter Autohersteller steht unter starkem Druck. Die Marke VW kämpft mit Ertragsproblemen, die das Kerngeschäft des Konzerns im vergangenen Jahr an den Rand der roten Zahlen brachten.
Die westdeutschen Werke - Rückgrat der VW-Produktion - hatten einen dreistelligen Millionenverlust verzeichnet. Deshalb hatte Pischetsrieder der Traditionsmarke im Frühjahr eine tief greifende Restrukturierung verpasst. Er stellte zur Sanierung der Marke VW 20.000 Stellen auf den Prüfstand.
Debakel als Karriereanfang
Pischetsrieder kam zu VW, nachdem er im Februar 1999 bei BMW den Hut nehmen musste, weil die Situation bei der britischen BMW-Tochter Rover zum Finanzdebakel ausartete.
Der damalige VW-Chef Ferdinand Piech holte den ehemaligen Konkurrenten, der ihn bei den Verhandlungen über die Rechte an der britischen Nobelmarke Rolls-Royce ausgestochen hatte, im Juli letzten Jahres zu VW.
Noch eine Fehlentscheidung?
Bei VW war Pischetsrieder zunächst Vorstand für Qualitätssicherung und Chef der spanischen VW-Tochter Seat. Seine Politik, die Marke neu zu positionieren, war jedoch Gegenstand heftiger Kritik.
Manche wollten darin wieder eine Fehlentscheidung Pischetsrieders sehen. Die von ihm verordnete, mit Preissteigerungen verbundene neue Verkaufsstrategie für Seat führte in Deutschland zu Umsatzeinbrüchen in der Höhe von 18,5 Prozent.
Der Kronprinz
Allerdings galt der Bayer schon bald nach seinem Eintritt in den Wolfsburger Konzern als Kronprinz des Porsche-Enkels Piech. So überraschte es auch nicht, als Pischetsrieder im April 2002 den Vorstandsvorsitz übernahm.
Piech selbst wechselte als Chef in den Aufsichtsrat - und regierte von dort aus mit harter Hand.
Offene Machtkämpfe
Schon bald brachen zwischen Piech und Pischetsrieder zum Teil offen geführte Machtkämpfe aus.
Die Korruptions- und Sexaffären bei dem angeschlagenen Konzern, strategische Entscheidungen, umstrittene neue Modelle und schließlich die offene Frage nach der Sanierung: Themen für harte Auseinandersetzungen zwischen den beiden gab es genug, schon mehrmals spekulierten Medien, dass Pischetsrieder das Handtuch werfen würde.
Abgang nach Beruhigung überraschend
In den vergangenen Monaten war es allerdings ruhiger geworden. Ende September gelang nach einem monatelangen Ringen ein Durchbruch in den Verhandlungen mit der IG Metall. Die Gewerkschaft stimmte im Kern deutlich längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu. Damit wurde die Abkehr von der seit 13 Jahren geltenden Viertagewoche besiegelt. Im Gegenzug gab der Autohersteller verbindliche Zusagen für die langfristige Zukunft der sechs westdeutschen Werke.
Zulgleich zeigten sich erste Erfolge bei der Restrukturierung bei VW. Von Jänner bis September konnte VW Absatz und Umsatz kräftig steigern, der operative Ertrag sank zwar durch die Sanierungskosten um mehr als 27 Prozent auf 1,4 Mrd. Euro im Konzern.
Die Markengruppe Volkswagen, zu der auch Bentley, Bugatti und Skoda gehören, steigerte das operative Ergebnis vor Sondereinflüssena aber von 100 Mio. Euro auf 1,1 Mrd. Euro. Umso mehr verwundert nun der plötzliche Abgang.
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