Bereits mit seinem Debütroman "Fight Club" - verfilmt mit Hollywood-Star Brad Pitt - sorgte Palahniuk für Aufsehen. Von Gewaltverherrlichung bis zum Lob des Terrorismus reichten die Vorwürfe, doch die Kritiker waren begeistert.
Spiegel der Gesellschaft
Palahniuk setzt seinen provokativen Kurs auch in seinem jüngsten Roman fort und hält der westlichen Gesellschaft einen Spiegel vor.
In "Haunted" ("Die Kolonie") erregt Palahniuk dabei wieder die Gemüter. "Jeder Satz ist ein Schnitt ins Fleisch der USA", so ein europäischer Kritiker.
17 Menschen, 17 Vergangenheiten
Die Handlung klingt auf den ersten Blick wenig originell: 17 Möchtegern-Schriftsteller unterschiedlicher Herkunft ziehen sich mit dem alten, gebrechlichen Mr. Whittier für drei Monate in die Isolation eines alten Filmtheaters zurück.
Schreiben - kein Honigschlecken
Die Kreativarbeit geht nicht so recht voran und die "Kollegen" mit ihren ausgeprägten Ticks - bis zum tödlichen Umgang mit Messern - sind auch kein Honigschlecken.
Bizarrer Albtraum
Aus der vermeintlichen Harmonie wird schnell ein bizarrer Albtraum - ein Blick in das Herz der Finsternis. Fluchtmöglichkeit gibt es keine. Alle Ausgänge sind versiegelt. Der Strom fällt aus, auch die Lebensmittelvorräte werden zerstört.
Nicht sparsam mit Sarkasmus
Im wahrsten Sinne des Wortes präsentiert Palahniuk in seinem jüngsten Roman die "Nachtseite des amerikanischen Strebens", wie es ein Kritiker ausdrückte.
Mit beißendem Sarkasmus seziert er die amerikanische Mediengesellschaft, mit Spott überhäuft er deren kleinbürgerliche Ideale von Familie, Haus und dem Auto in der Garage. Literatur sei für Palahniuk eine Art Exorzismus, so die US-Kritik.
Überlebenstraining auch für Leser
Palahniuk macht aus seinem Roman ein geistiges und körperliches "Survival of the Fittest" - auch für den Leser -, ohne neben seiner Gesellschaftskritik die Hochspannung zu vergessen.
Auftragskillerin per Fußmassage
Über die mäandernde Handlung wird die Vorgeschichte der "Loser" erzählt. Alle fühlen sich von der Gesellschaft schlecht behandelt und vom Schicksal als Stiefkinder missachtet.
In den von den Teilnehmern geschriebenen Storys lernt man ihr Vorleben und ihre Motivation für den Schreib-Workshop kennen. Von der Auftragskillerin per Fußmassage bis zum mit Messern mordenden Koch ist alles enthalten.
Mit Blut und Schleim
Einziges Manko dabei: Palahniuk gelingt es nicht, jeder der 17 Storys einen anderen Schreibstil zu verpassen. Doch das tut dem bizarren, blut- und schleimgetränkten Lesevergnügen keinen Abbruch.
Pandämonium der Verlierer
Ein wahres Pandämonium der Verlierer und Außenseiter tut sich auf - Palahniuk schildert Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, die ihre letzte Chance ergreifen wollen - und dabei auch vor den letzten Tabus nicht zurückschrecken.
Nach der vermeintlichen Anfangseuphorie beginnen die Teilnehmer einander zu verstümmeln, zu töten und zu kannibalisieren.
Ein wenig Ruhm
Jede der Romanfiguren will zu ihren "15 Minuten Ruhm" eine persönliche Überlebensgeschichte, eine "Wochen im Grauen", als Exklusivstory an die Medien verkaufen.
Schnitte und Stiche aus dem Lehrbuch
Palahniuk, der immer wieder wegen seiner hervorragenden Recherchen gewürdigt wird, spart bei den Grausamkeiten nicht mit medizinischen Details und Sachkenntnis, die den Horror durch die Nüchternheit der medizinischen Sprache nur noch verstärken.
Der Körper ist der Kern
Der Mensch ist für Palahniuk nur noch Körper, nur noch Fleisch, das selbstsüchtig zu überleben sucht.
"Eindeutiger Inhalt"
Für zart Besaitete kann an zahlreichen Stellen das Lesevergnügen in Ekel umschlagen. Bei Lesungen Palahniuks sollen dem Vernehmen nach regelmäßig Menschen in Ohnmacht fallen.
Nicht umsonst prangt auf dem Cover der englischen Taschenbuchausgabe "Parental Advisory".
Peter Bauer, ORF.at
Buchhinweis
Chuck Palahniuk: Die Kolonie. Manhattan Verlag 2006, 20,60 Euro.
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