Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien

Noch immer fehlt Abkommen über Verlauf der Staatsgrenze zwischen Kroatien und Slowenien.
Der Streit über die slowenisch-kroatische Staatsgrenze, sowohl um die Bucht von Piran als auch um das Mur-Gebiet im Grenzgebiet zu Ungarn, hat zwei Wurzeln, eine subjektive und eine objektive.

Die subjektive Seite besteht offenbar darin, dass die Ressentiments zwischen den Einwohnern der beiden ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken derart stark sind, dass es besonnene Politiker beider Staaten nicht "riskieren" können, nur einen Quadratzentimeter der "geheiligten Heimaterde" aufzugeben.

Dieser Umstand zählt in Vorwahlzeiten noch stärker, und in Slowenien finden Ende Oktober Lokalwahlen statt, die der erste große Stimmungstest für die konservative Koalition von Ministerpräsident Janez Jansa sind.

Fehlendes Grenzabkommen
Objektiv besteht das Problem darin, dass zwischen Ljubljana und Zagreb auch 15 Jahre nach dem Zerfall des alten Jugoslawien noch immer kein Abkommen über den Verlauf der Staatsgrenze besteht.

Daher gilt noch immer ein Grenzregime aus der Zeit der Badinter-Kommission, welche die ehemaligen Republiksgrenzen zu Staatsgrenzen erklärte.

Katastergrenzen aus Zeit Maria Theresias
Doch auch diese Festlegung ist keine Lösung, weil die jugoslawische Grenzziehung entlang der Flüsse nicht mit den Katastergrenzen übereinstimmt, die sogar noch aus der Zeit von Maria Theresia stammen.

Während jedoch beim Streit um die Bucht von Piran die slowenische Katastergrenze über den Fluss Dragonja hinausreicht, ist es bei der Mur genau umgekehrt. Dort reicht der kroatische Kataster über den Fluss, und Kroatien definiert seine Grenze dementsprechend.

Dammarbeiten als Auslöser
Virulent wurde dieser Streit im Mur-Gebiet vor wenigen Wochen zum ersten Mal, als kroatische Bauarbeiter eine Brücke über die Mur bauten.

Slowenien protestierte, doch die kroatischen Arbeiter kamen wieder, um altersschwache Dämme an der Mur zu erneuern und den Schutz gegen Hochwasser zu verbessern. Gerodet wurden auch Bäume; Slowenien reagierte, entsandte Polizei in das Gebiet des Ortes Hotiza und zwang die Kroaten, die Bauarbeiten einzustellen.

Journalisten verhaftet
Anfang September besuchten die Ministerpräsidenten Kroatiens und Sloweniens, Ivo Sanader und Jansa, gemeinsam das Gebiet. Beide einigten sich darauf, die Arbeiten durch ein gemeinsames Konsortium durchzuführen und von einer kroatisch-slowenischen Polizeistreife überwachen zu lassen.

Diese Streife sollte am Mittwoch zum ersten Mal ausrücken, und just diese Patrouille wollten die slowenischen Journalisten filmen. Drehgenehmigungen lagen offenbar vor, trotzdem verhaftete die kroatische Polizei die Slowenen mit der Begründung, die Journalisten hätten die Grenze verletzt, obwohl sie die Mur nicht überquert hatten.

Brief an EU-Kommission
Der zur Streife zählende slowenische Polizist griff nicht ein und soll dafür bereits ein Disziplinarverfahren am Hals haben.

Sofort die Initiative ergriff dagegen die Regierung in Ljubljana. Entsandt wurde eine offensichtlich schwer bewaffnete Polizeieinheit, die das slowenische Territorium schützen soll.

Die Regierung selbst protestierte scharf und Außenminister Dimitri Rupel schrieb in Sachen Kroatien nicht zum ersten Mal einen Brief an die EU-Kommission. Trotzdem lehnte es die Regierung ab, die Unterstützung für den kroatischen EU-Beitritt zurückzuziehen.

Drohen weitere Zwischenfälle?
Das ist ein Zeichen von Vernunft; doch angesichts der aufgeheizten Stimmung in beiden Ländern und der fehlenden diplomatischen Vorgangsweise der lokalen Behörden ist es leider nicht auszuschließen, dass es doch irgendwann zu einem Zwischenfall mit schlimmeren Folgen kommt.

Denn offensichtlich fehlt es am guten Willen auf beiden Seiten, und angesichts des blutigen Zerfalls des alten Jugoslawien bewahrheitet sich der Spruch, dass sich die Geschichte immer wieder wiederholt - doch diesmal nicht als Tragödie, sondern als Farce.

Christian Wehrschütz, ORF

Links: