Öffentlichkeitsscheuer Autor

Patrick Süskind hat sich nach seinem Erfolg mit "Das Parfum" abgeschottet.
Der Romanverfilmung "Das Parfum" kann man derzeit kaum entkommen. Allerorts machen Regisseur Tom Tykwer und der Produzenten-General Bernd Eichinger Werbung für den bisher teuersten deutschen Film, der diese Woche in den Kinos startet.

Die Romanvorlage klettert in der Taschenbuchausgabe bereits wieder die Bestsellerlisten hinauf, und damit steht auch deren Autor Patrick Süskind, einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller und Drehbuchautoren, verstärkt im Blickfeld der Öffentlichkeit.

Kaum Fotos, keine Interviews
Geändert hat sich in den 20 Jahren seit der Erstveröffentlichung des "Parfums" freilich wenig: Süskind ist der große Unbekannte der deutschen Literaturszene.

Wenige kennen ihn persönlich, zu Terminen wie der Weltpremiere des "Parfum"-Films taucht er nicht auf, angeblich gibt es insgesamt nur vier Fotos von ihm, Interviews hat er seit 20 Jahren nicht mehr gegeben, und über sein Privatleben dringt nur an die Öffentlichkeit, dass er zurückgezogen in München und Paris leben soll.

"Natürlich kommt er nicht"
"Natürlich bekommt er auch eine Einladung zur Premiere, und natürlich wird er nicht kommen", prophezeite Eichinger vor der Uraufführung des Films letzte Woche in München, und er behielt Recht.

"Ich glaube, dass er diese Art von Öffentlichkeit einfach nicht aushält", so Eichinger. Beim Diogenes Verlag heißt es schlicht: "Patrick Süskind gibt überhaupt nie Interviews. Er mag keine Öffentlichkeit."

Wie Pynchon?
Im deutschen Feuilleton vergleicht man Süskind schon mit dem ebenso scheuen US-Literaturstar Thomas Pynchon - und man sucht in Süskinds Werk nach Hinweisen darauf, warum der Autor zum Phantom wurde.

Zwar habe die "Verrätselungsstrategie" gewiss dazu beigetragen, das Interesse an Süskinds schmalem Werk wach zu halten, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ"), aber der Autor liefere "selbst zahlreiche Hinweise, weshalb sein Schreiben rasch im Schweigen endete und weshalb er zuvor einen Kosmos schuf aus Figuren, die allesamt Helden der Einsamkeit sind, Meister des Schweigens."

Angst als verbindendes Element
"Das verbindende Element zwischen der Medienpersönlichkeit Süskind und deren Erfindungen ist ein universales Grundgefühl: die Angst. Die Welt wird vom Standpunkt der Angst aus betrachtet."

Die "SZ" führt etwa ins Treffen, dass sich die siebenjährige Hauptfigur in der autobiografischen "Geschichte vom Herrn Sommer" von einem Baum stürzen will, nachdem sie in einer schlechten Klavierstunde von Angstschweiß übermannt wurde.

Ein Mann in seinem Zimmer
Ähnlich eigenbrötlerisch sind der Wachmann Jonathan Noel in "Die Taube" und der verschrobene Musiker im Theaterstück "Der Kontrabass". "Es geht darin - neben einer Fülle anderer Dinge - um das Dasein eines Mannes in seinem kleinen Zimmer", merkte Süskind Anfang der 80er selbst dazu in der Zeitschrift "Theater heute" an.

"Ich konnte bei der Abfassung insofern auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, als auch ich den größten Teil meines Lebens in immer kleiner werdenden Zimmern verbringe, die zu verlassen mir immer schwerer fällt. Ich hoffe aber, eines Tages ein Zimmer zu finden, das so klein ist und mich so eng umschließt, dass es sich beim Verlassen von selbst mitnimmt."

Alles nur Kalkül?
Und natürlich ist auch Jean-Baptiste Grenouille, der mordende Antiheld des "Parfums", der Jahre als Eremit in einer Höhle in Südfrankreich verbringt, von Angst getrieben, der Angst, selbst keinen Geruch zu haben, sich selbst nicht zu kennen, keine menschlichen Züge zu haben.

Doch derartige Analysen von Leben und Werk überzeugen nicht alle - "scheint doch (Süskinds) abruptes Abtauchen in eine Versenkung jenseits des medialen Hypes einem Inszenierungskalkül zu folgen, das nach Art der literarischen Postmoderne auf ebenso verwirrende wie raffinierte Weise mit den Kategorien Autor, Identität und Werk spielt", wie die "Welt" meint.

"Welt" ortet "Legendenbildung"
Gerade die "subtil lancierten und daher umso effektiveren Interpretationsangebote seiner Person" in Süskinds Texten deuteten auf "Selbststilisierung" hin, schreibt die Zeitung.

"Der Mann mag schüchtern sein, er mag für sich Zurückgezogenheit als einzig praktikable Lebensweise entdeckt haben", schließt die "Welt". "Beides wäre, beides ist legitim. Doch spricht der Desperado-Gestus, mit dem seine Texte einer respektvoll erschütterten Welt seine vorgeblichen Symptome soufflieren, eher für Legendenbildung in eigener Sache."

Selbstkarikatur in "Rossini"
Wenn Süskind tatsächlich ein "begnadeter postmoderner Taschenspieler" ist, legt er seine Verwirrstrategien zumindest gern selbstironisch an. In den Helmut-Dietl-Film "Rossini", zu dem er das Drehbuch beisteuerte, schrieb er sich selbst als Karikatur hinein - als weltfremder Schriftsteller Jakob Windisch, dem ein windiger Produzent die Filmrechte an seinem Bestseller abluchsen will.

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