"Lebensthema" Nazi-Aufarbeitung

Joachim Fest war einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten deutschen Historiker.
Der deutsche Publizist und Historiker Joachim Fest ist tot. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("F.A.Z.") berichtete, starb ihr langjähriger Herausgeber nach längerer Krankheit am Montag im Alter von 79 Jahren in seinem Haus in Kronberg im Taunus.

Fest, 1926 in Berlin geboren, wäre am 8. Dezember 80 Jahre alt geworden. Er hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Söhne.

Hitler-Biografie erschien 1973
Dem breiten Publikum wurde Fest vor allem durch seine 1973 erschienene Hitler-Biografie und weitere Publikationen zur NS-Zeit bekannt, für die er zahlreiche Preise erhielt, darunter den Henri-Nannen-Preis (2006), den Ludwig-Börne-Preis (1996) und den Lübecker Thomas-Mann-Preis (1981).

In den 1960er Jahren leitete Fest beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) des Polit-Magazin "Panorama", von 1963 bis 1968 war er NDR- Chefredakteur. Bevor er 1973 zur "F.A.Z." kam, machte er als CDU-Abgeordneter in Berlin-Neukölln einen Kurzausflug in die Politik.

NS-Diktatur und die Folgen
Fest zählt zu den bekanntesten deutschen Historikern. Die NS-Diktatur und ihre Folgen wurden sein "Lebensthema", wie er es in einem Interview nannte - jedoch aus wissenschaftlichem Interesse, wie der Historiker stets betonte, nicht wegen persönlicher Schuld.

"Ich nicht - Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend" nannte Fest bezeichnenderweise seine gerade fertig gestellte Autobiografie, die in Kürze im Rowohlt Verlag erscheint.

Fest schaltete sich immer wieder in aktuelle Diskussionen ein, zuletzt in die Debatte über das Eingeständnis von Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, in jungen Jahren Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Grass' spätes Bekenntnis hatte er erst vor wenigen Tagen in der Zeitschrift "Cicero" eine "schrille Lebenslüge" genannt.

Vorlage für "Der Untergang"
Historikerkollegen warfen Fest ungeachtet seines Erfolgs vor, Adolf Hitler zu einer "großen weltgeschichtlichen Persönlichkeit" stilisiert zu haben.

Fests Hitler-Biografie diente 2004 als Vorlage für den Kino- und TV-Film "Der Untergang" von Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel.

Umstrittene Speer-Biografie
Furore machte auch das Buch "Speer. Eine Biographie" über den Chefarchitekten und Rüstungsminister der Nazis. Später zeigte sich der Autor von Speer betrogen, der ihm bewusst die Unwahrheit gesagt habe, als er behauptete, nichts von den Plänen zur Massenvernichtung von Juden und anderen gewusst zu haben.

Die Speer-Arbeiten kritisierte der Holocaust-Forscher Götz Aly als unwidersprochene Aneinanderreihung von "Lügen, Halb- und Unwahrheiten". Der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin, Wolfgang Benz, meinte, Fest habe "an der Erzeugung des Markenartikels Speer Ende der 60er Jahre erheblichen Anteil".

"Historikerstreit"
Dass er keine Scheu vor Kontroversen hat, bewies Fest nicht zuletzt als "F.A.Z."-Feuilletonchef: 1986 bot er dem Historiker Ernst Nolte ein Forum, der den Massenmord der Nazis an Juden als Reaktion auf frühere Gräueltaten während der Russischen Revolution relativierte.

Es folgte der "Historikerstreit" über die Gewichtung der Judenvernichtung in der deutschen Geschichte. Später verteidigte Fest, er habe Noltes Auffassung zwar für falsch gehalten. "Aber er hatte alles Recht, sie einmal in dieser Gesellschaft zu äußern."

Wollte Ballast abschütteln
Mit seiner Autobiografie kehrte Fest erneut in die Jahre der Barbarei zurück. Im "Spiegel" bekannte Fest, wie gerne er den Ballast der Vergangenheit abschütteln würde: "Aber das gelingt unserer Generation nicht mehr."

Buchhinweis
Joachim Fest: Ich nicht - Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend. Rowohlt, 368 Seiten, 20,50 Euro.

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