Eine Nase tankt Super

In der Verfilmung des Erfolgsromans "Das Parfum" dreht sich alles ums Riechen.
Vor fast zehn Jahren, in "Rossini", war es noch ein Witz: Der scheue Autor Jakob Windisch hat gerade einen Weltbestseller abgeliefert, der skrupellose Produzent Oskar Reiter will unbedingt die Filmrechte.

Geschrieben hat "Rossini" Patrick Süskind, produziert Bernd Eichinger, und natürlich war es eine Anspielung darauf, dass der deutsche Bestsellerautor seinen Erfolgsroman "Das Parfum" nicht verfilmen lassen wollte.

Teuerster deutscher Film
Heute hat sich der Wind gedreht. "Das Parfum", mit einem Budget von rund 50 Millionen Euro der teuerste deutsche Film aller Zeiten, kommt mit großem Tamtam in die Kinos, produziert von Eichinger, inszeniert vom deutschen Starregisseur Tom Tykwer, besetzt mit internationalen Stars wie Dustin Hoffmann und Alan Rickman, aber auch einem fast Unbekannten in der Hauptrolle.

"Das muss ich haben, das will ich haben"
Eichinger, Deutschlands umtriebigster Produzent und starker Mann beim Filmunternehmen Constantin Film, erklärte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("F.A.Z."), schon beim ersten Lesen sei für ihn klar gewesen: "Das muss ich haben, das will ich haben, das ist für mich eines der ganz wichtigen Bücher in deutscher Sprache von einigen Dekaden. Dann erfuhr ich, dass Patrick Süskind die Rechte unter keinen Umständen verkaufen wollte."

Scott, Spielberg, Kubrick?
Der Roman "Das Parfum" erschien bereits 1985 und war jahrelang in den Bestsellerlisten. Obwohl Süskind die Filmrechte nicht abtreten wollte, war immer wieder von Kinoplänen die Rede.

Ridley Scott und Steven Spielberg sollen Interesse gehabt haben, vor allem auch Stanley Kubrick, ein Experte für angeblich unverfilmbare literarische Vorlagen. Doch daraus wurde nichts.

Süskind "natürlich nicht" bei Premiere
Erst im Jahr 2000, 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung, ließ sich Süskind auf einen Filmdeal ein - unter der Bedingung, selbst mit der Verfilmung überhaupt nichts tun zu haben.

Das wird sich nach der Fertigstellung nicht ändern: "Natürlich bekommt er auch eine Einladung zur Premiere, und natürlich wird er nicht kommen", prophezeite Eichinger.

Kein Held, keine Story
Dass der Roman als schwer verfilmbar galt, hat einen Grund. Die Hauptfigur Jean-Baptiste Grenouille bietet so gut wie keine Identifikationsfläche: Grenouille hat einen unübertroffenen Geruchssinn, doch ihm selbst fehlt jeglicher menschliche Geruch.

Er kennt keine Liebe, keine Gefühle, und auf seiner Suche nach dem perfekten Duft tötet er etliche junge Frauen und verarbeitet Haut und Haar zu Parfum. Die Romanhandlung bietet keinen Gegenspieler, keine Weiterentwicklung und keine leicht in ein Drehbuch fassbare Story.

Nase aus allen Winkeln
Der bisher kaum bekannte Brite Ben Whishaw mag der Hauptdarsteller sein, der echte Star ist jedoch seine Nase, "im Mondschein und bei Kerzenschimmer, mit angespannten und mit zitternden Nasenflügeln, die Luft genießerisch oder auch erstaunt einsaugend, über einem ölgefüllten Röhrchen schwebend und an den schneeweißen Brüsten einer Jungfrau schnuppernd", wie die "Zeit" schreibt: "Nach der siebenundzwanzigsten Großaufnahme hat man fast ein wenig Mitleid mit Whishaw, der zu ewig gleichen Himmelschören immer wieder aufs Neue die Nüstern beben lässt."

Nach 20 Jahren noch zugkräftig?
Das Buch hielt sich jahrelang in den deutschen Bestsellerlisten, es war sogar so erfolgreich, dass erst zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Hardcovers eine billigere Taschenbuchversion auf den Markt kam.

Doch seit dem Erscheinen des Romans sind 20 Jahre vergangen. Ob der Stoff stark genug ist, um nicht nur die inzwischen gealterten Süskind-Fans, sondern auch junges Publikum in die Kinos zu locken, muss sich erst zeigen.

Interviews am laufenden Band
Die Marketingmaschine und das Merchandising laufen jedenfalls auf Hochtouren. Tykwer und Eichinger erzählen in Interviews von ihren eigenen ersten Geruchserfahrungen, vom lustigen Nudisten-Dreh mit 750 Nackten für die finale Orgienszene, von den aufwendigen Dreharbeiten in der Altstadt von Barcelona, die sehr zum Unwillen den Anrainer künstlich "verdreckt" werden musste.

Der Duft zum Film
Der Diogenes Verlag bringt neben dem bereits erhältlichen Roman-Taschenbuch pünktlich zum Filmstart eine Sonderausgabe, ein Hörbuch und ein Buch zum Film heraus. Und dass bei "Das Parfum" der Duft zum Film nicht fehlen darf, liegt auf der Hand.

Gemeinsam mit dem Parfumableger des Modehauses Thierry Mugler habe man versucht, "die starken visuellen Eindrücke in Düfte umzusetzen", heißt es in den Presseunterlagen zum Film. Herausgekommen sind "15 Duft-Kompositionen und ein attraktives Booklet mit Szenenfotos aus dem Film", die in einem Designerkistchen "aus feinstem rotem Velours" vertrieben werden.

Venedig musste verzichten
Auf eine bei Filmemachern sonst sehr beliebte PR-Bühne hat Eichinger allerdings verzichtet. Venedigs Filmfestspielchef Marco Müller wollte den Streifen unbedingt als Eröffnungsfilm am Lido haben - doch Eichinger, traditionell ein Festival-scheuer Produzent, winkte ab. Der Film wird nun, wie Tykwer meint, ohne "spezifische Vorbelastung auf die Menschheit losgelassen".

"Biederes Werk"
Einigen deutschen Kritikern wurde der 147-Minuten-Film trotzdem schon gezeigt. Ein Großteil zeigt sich skeptisch. "Es hätte eine große Kitschoper, eine düstere Leichenfledderer-Geschichte, ein brutaler Serienkiller-Film werden können", so Katja Nicodemus in der "Zeit".

"Umso seltsamer, dass Eichinger und Tykwer mit viel Aufwand ein derart biederes Werk hergestellt haben, einen Film, der schon beim Verlassen des Kinos auf ein paar Naseneinstellungen im Kostümmuseum zusammenschrumpft."

Kein "Filmorgasmus"
Fritz Göttler spricht in der "Süddeutschen Zeitung" von einem "Testfall fürs deutsche Kino": "Ein tolles kleines dirty movie hätte das werden können, wie man sie einst in den 40ern, später noch mal in den 70ern machte. Eichinger und die Münchner Constantin aber setzten aufs Genre Weltliteraturverfilmung." Der "ersehnte Filmorgasmus" sei "Das Parfum" am Ende jedenfalls nicht geworden.

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