Immer mehr Details deuten darauf hin, dass die Tat Monate, wenn nicht Jahre penibel geplant wurde. Während über das Motiv weiter nur gemutmaßt werden kann, zeigten sich selbst die Ermittler erstaunt, mit welcher Präzision Wolfgang Priklopil seinen Plan in die Tat umsetzte.
"Phantom im Ort"
Zugute kam Priklopil, dass ihn offenbar kaum jemand gekannt haben soll: "Er war eher ein Phantom im Ort", so der Postzusteller von Strasshof den "Salzburger Nachrichten" gegenüber.
In dem kleinen Ort knapp 20 Kilometer nördlich von Wien hatte kaum jemand Kontakt zu dem Mann, der sich Stunden nach der Flucht seines Opfers das Leben nahm. Auch die Nachbarn seien ihm immer nur flüchtig begegnet.
Priklopil stehe nicht im Telefonbuch. Die Festnetzanschlüsse seines Hauses in Strasshof, wo er Natascha acht Jahre lang in einem knapp zwei mal drei Meter großen dunklen Verlies unter der Garage festgehalten hatte, und einer Zweitwohnung in Wien waren auf seine Mutter angemeldet. Auch seine Fahrzeuge hatte Priklopil auf den Namen seiner Mutter zugelassen, hieß es weiter.
"Eigentlich ganz nett"
Das wahrscheinliche Tatfahrzeug kaufte der 44-Jährige im April 1997 - ein Jahr bevor die zehnjährige Kampusch entführt wurde.
Der Gebrauchtwagenhändler Günther Bernhauer beschreibt seinen damaligen Kunden als "eigentlich ganz nett" - aber auch als auffallend penibel, da Priklopil alles getestet habe und über jede Kleinigkeit Bescheid wissen wollte - mehr dazu in wien.ORF.at.
Zuletzt stand Bernhauer vor rund drei Monaten im Kontakt mit dem mutmaßlichen Entführer, als dieser mehr als acht Jahre nach der Tat das wahrscheinliche Tatfahrzeug loswerden wollte.
Auch Ermittler erstaunt
Dass Priklopil bei seinem Verbrechen nichts dem Zufall überlassen wollte, beweist auch das mehrfach gesicherte Verlies, in dem Kampusch die letzten achteinhalb Jahre verbringen musste.
"Ohne Nataschas exakte Angaben hätten wir das Verlies niemals gefunden, nicht einmal bei einer Hausdurchsuchung", zitierte die Tageszeitung "Kurier" (Samstag-Ausgabe) einen von der offenbar perfekten Tarnung erstaunten Ermittler.
Nachbarn beobachteten Bauarbeiten
Zwar blieben der Nachbarschaft die Aushubarbeiten nicht verborgen, laut "Kurier" habe sogar die Baupolizei Kontrollen durchgeführt. "Er hat immer herumgebastelt, er hatte eine ewige Baustelle" wird eine Nachbarin zitiert.
Seine berufliche Tätigkeit als Co-Geschäftsführer einer Firma, die auf Renovierung und Sanierung spezialisiert war, habe Priklopil als Tarnung für seine ständige Bautätigkeit am eigenen Haus gedient.
Glaubhaftes Alibi
Sein Geschäft verschaffte ihm auch ein Alibi, als er wenige Wochen nach der Tat ins Visier der Ermittler geriet, die Hunderte von Besitzern baugleicher Lieferwagen überprüften. Seine Erklärung, er müsse Bauschutt transportieren, war so glaubhaft, dass er nicht weiter verdächtigt wurde.
Die wahren Hintergründe der Bauarbeiten, wie auch die Vorgänge der letzten achteinhalb Jahre in seinem Haus verstand Priklopil allerdings geschickt vor der Außenwelt zu verbergen. Dabei stand Priklopil unmittelbar nach der Entführung bereits im Visier der Ermittler - mehr dazu in wien.ORF.at.
Motiv unklar
Was den 44-Jährigen zu seiner Tat bewegte, wird unterdessen wohl nie vollständig geklärt werden, da sich Priklopil im Zuge der nach der erfolgreichen Flucht Kampuschs eingeleiteten Großfahndung das Leben nahm.
"Ich hätte ihm gern einige Fragen gestellt und ihn von einem psychiatrischen Sachverständigen untersuchen lassen", so Walter Geyer, der Sprecher der Anklagebehörde, am Freitag gegenüber der APA.
Aber auch wenn sich Priklopil der Strafverfolgung entzogen hat, gilt es dennoch, die genauen Tatumstände zu klären, so Geyer.
Bisher unbescholten
Ein Abgleich der DNA von Priklopil in der österreichischen Datenbank erbrachte unterdessen keinen Treffer. Wie der BK-Ermittler Erich Zwettler der APA am Samstag sagte, hat die Überprüfung des Profils des Mannes ergeben, dass er "in Österreich nirgends im Zusammenhang mit einer Straftat gesucht worden ist".
Bestätigen konnte Zwettler zudem Medienberichte, wonach die junge Frau sexuellen Kontakt mit Priklopil gehabt haben soll, nicht. - mehr dazu in wien.ORF.at.
Vernehmungspause für Kampusch
Nach wie vor sei die Untersuchung des Hauses in Strasshof im Gange, wofür allein zehn Leute abgestellt seien, so der Kriminalist. Zudem würden zahlreiche Personen im Umfeld einvernommen.
Neben Ermittlungen am Tatort erwarte man sich vor allem von Kampusch entscheidende Hinweise über den Tatverlauf. Zunächst soll sich Kampusch aber von den ersten intensiven und belastetenden Befragungen erholen.
Nach Rücksprache mit Psychologen sei bis "mindestens Montag" eine Vernehmungspause vorgesehen, wie Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) und Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt (BK) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilten.
Natascha wird vorerst von der Umwelt abgeschirmt und rund um die Uhr von einer Polizistin und einer Psychologin betreut, zu der sie Vertrauen gefasst habe - mehr dazu in wien.ORF.at.
Opfer gezielt ausgesucht?
Erste Befragungen deuten unterdessen bereits darauf hin, dass sich Priklopil sein Opfer offenbar gezielt aussuchte.
Das sagte die junge Frau der Polizistin, die sie nach ihrer Flucht betreute. "Wenn es nicht an diesem Tag gelungen wäre, dann bei einer anderen Gelegenheit", gab die Beamtin die Angaben wieder - mehr dazu in wien.ORF.at.
Droht Vertrauensbruch?
Das Hauptaugenmerk liege laut Nikolaus Koch, dem Leiter der Sonderkommission, nun darin, einen Vertrauensbruch zu verhindern, wie die "Presse" in ihrer Samstag-Ausgabe berichtet.
Gibt es Mittäter oder Mitwisser?
Zu klären ist unterdessen in erster Linie, ob es einen Mittäter oder Mitwisser gibt. Eine Freundin des Opfers hatte nach der Entführung im März 1998 ausgesagt, Natascha sei in einen weißen Lieferwagen gezerrt worden, was sich durch die Ermittlungen bestätigte.
Die damalige Angabe der Zeugin, sie habe zwei Männer gesehen, führte daher nun zu Spekulationen über einen Komplizen oder Mitwisser. Weiteren Fragen dazu wich die Sonderkommission allerdings aus.
TV-Hinweis
"Offen gesagt" beendet aus aktuellem Anlass vorzeitig seine Sommerpause und widmet sich am Sonntag um 21.55 Uhr in ORF2 dem Fall Natascha Kampusch.
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